Geowissen

Wasser gelangt tiefer in die Erde als gedacht

Subduktion könnte künftig das Wasservolumen eines ganzen Meeres schlucken

Blauschiefer
Wasserhaltige Minerale wie Blauschiefer (Glaukophan) transportieren Wasser tiefer in den Erdmantel als bislang gedacht. © Arlette1/ CC-by-sa 3.0

„Fahrstuhl“ in die Unterwelt: An den Nahtstellen der Erde gelangt mehr Wasser bis in den Erdmantel hinab als bislang angenommen. Denn wasserhaltige Minerale bleiben an vielen kühleren Subduktionszonen noch bis in 240 Kilometer Tiefe stabil, wie nun ein Experiment belegt. Das hat Auswirkungen auf Vulkanismus und Erdbeben in diesen Gebieten. Weil sich das Erdinnere abkühlt, könnten diese Nahtstellen künftig zusätzliches Wasser vom Volumen des gesamten Arktischen Meeres schlucken.

Obwohl der Erdmantel hunderte Grad heiß ist und unter hohem Druck steht, gibt es in ihm Wasser. Dieses gelangt in die Tiefe, wenn wasserhaltige Minerale in Subduktionszonen mit den Erdplatten in den Erdmantel absinken. Schätzungen zufolge schlucken allein die Tiefseegräben der Erde rund drei Milliarden Tonnen Wasser pro eine Million Jahre. Ein Teil dieses Wassers wird in der Tiefe wieder freigesetzt, wenn die Minerale zerfallen. Diese Flüssigkeit kann aufsteigen und in den darüberliegenden Erdplatten zur Vulkanbildung und Erdbeben beitragen.

Subduktionszone
In den Subduktionszonen tauchen Erdplatten in den Mantel ab und können über Minerale wesentliche Mengen Wasser mit sich tragen © Yonsei-Universität, Yoonah Bang (nach Plank & Manning 2019)

Minerale als tektonische Wassertransporter

Wie viel Wasser in Form eines bestimmten Minerals in die Tiefe gelangt, haben nun Forscher um Yoonah Bang von der Yonsei Universität in Seoul näher untersucht. Im Fokus stand dabei das zu den Amphibolen gehörende Mineral Glaukophan, das unter anderem für den sogenannten Blauschiefer prägend ist. „Amphibole tragen zwar nur ein bis drei Gewichtsprozent H2O in sich, dafür machen sie einen großen Teil der metamorphischen Ozeankruste aus“, erklären die Forscher.

Die Amphibole repräsentieren daher die größte tektonische Wasser-Senke. „Allerdings können diese Minerale normalerweise Temperatur und Druck nicht bis zu größeren Tiefen als etwa 100 Kilometer widerstehen“, erklärt Bangs Kollege Yongjae Lee. Denn bei Temperaturen von rund 670 Grad und mehr als zwei Gigapascal Druck wird das Glaukophan unter anderem in wasserärmere Eklogit- Minerale umgewandelt – so die bisherige Annahme.

Stabiler als gedacht

Doch wie nun Hochdruck-Experimente belegen, ist das Glaukophan in größeren Tiefen stabiler als gedacht. Für ihren Versuch setzten die Forscher Mineralproben in einer Diamant-Hochdruckpresse verschiedenen Kombinationen von Druck und Temperatur aus. Das Extrem lag bei 7,8 Gigapascal und 1.390 Grad. Mithilfe der Röntgenstreuung im Strahl der Röntgenlichtquelle Petra III am Deutschen Elektronensychrotron DESY bestimmten sie, wann das Glaukophan in andere Minerale zerfiel.

Das Ergebnis: Das Mineral blieb bis zu einem Druck von 7,6 Gigapascal und einer Temperatur von 660 Grad stabil. Erst darüber dehydriert es und zerfällt in Pyroxen und Coesit, wie die Experimente ergaben. „Das weitet die Stabilität von Glaukophan gegenüber früheren Studien deutlich aus“, berichten Bang und seine Kollegen.

Bis in 240 Kilometer Tiefe in kalten Subduktionszonen

Das bedeutet, dass dieses wasserhaltige Mineral der Ozeankruste an einigen sogenannten „kalten“ Subduktionszonen sogar bis in 240 Kilometer Tiefe stabil bleiben kann. Diese Plattengrenzen machen heute rund 28,5 Prozent aller Subduktionszonen der Erde aus, wie die Forscher erklären. Zu ihnen gehören unter anderem viele Tiefseegräben im Pazifik. An warmen Subduktionszonen wie vor der Westküsste Chiles nimmt die Temperatur mit der Tiefe dagegen schneller zu, so dass dort das wasserhaltige Mineral schon in rund 60 Kilometer Tiefe zerfällt.

Diese Erkenntnisse lassen Rückschlüsse auf die Erdgeschichte und die Abkühlung des Erdinneren zu. Denn seit der Entstehung unseres Planeten schrumpft das Hitzereservoir in seinem Inneren und die Erdschichten kühlen langsam ab. Zurzeit liegt die Abkühlungsrate bei etwa 50 bis 100 Grad Celsius pro einer Milliarde Jahre. Erst durch diesen Prozess gibt es kalte Subduktionszonen – Zonen des Erdmantels, an dem die Temperaturen mit der Tiefe langsamer steigen als anderswo.

Wasservolumen des Arktischen Ozeans verschluckt

Doch die Abkühlung des Erdinneren wird auch in Zukunft weiter fortschreiten. Dadurch nimmt der Anteil der kalten Subduktionszonen immer weiter zu – und damit auch der Wassertransport in den Erdmantel. „Wenn wir annehmen, dass alle Subduktionszonen früher oder später kühl werden, könnte in 200 Millionen Jahren das Volumen des Arktischen Ozeans zusätzlich im Erdmantel gespeichert werden“, sagt Bang.

Weil dieses Wasser in größere Tiefen gelangt als heute, könnte sich dies auch auf tektonische Phänomene wie Erdbeben und Vulkanismus auswirken. Denn es ist vor allem der Zerfall von wasserhaltigen Mineralen in geringer Tiefe, der diese Phänomene antreibt. „Da sich die Erde immer weiter abkühlt, ist zu erwarten, dass sich der Wassertransport ins Erdinnere auf größere Tiefen ausdehnt und dadurch Erdbeben und Vulkanismus unterdrückt werden“, erklärt Lee.

Letzte Wasserreserve der sterbenden Erde?

In der ganz fernen Zukunft könnte dieser Wassertransport sogar dazu beitragen, dass unser Planet weniger stark austrocknet als angenommen. Modellen zufolge wird die langsam stärker werdende Strahlung der alternden Sonne schon in rund einer Milliarde Jahren die Ozeane verdampfen lassen. Aus unserem blauen Planet wird dann ein Wüstenplanet.

Aber zumindest im Erdmantel könnte die Erde den neuen Erkenntnissen nach Reste des einstigen Wasser behalten. „Es scheint, dass die Erde einen Teil ihres Oberflächenwassers in ihrem Inneren speichern und damit vor dem Verlust ins Weltall bewahren könnte“, sagt Lee. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-21746-8)

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Geowissen - Wie funktioniert unser Planet? Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Top-Clicks der Woche