In China haben Paläontologen ein 160 Millionen Jahre altes Flugsauer-Fossil mitsamt konserviertem Ei entdeckt, das ein seit 100 Jahren andauerndes Rätselraten beendet: Denn die trächtige „Mrs. T“ ermöglicht zum ersten Mal die eindeutige Geschlechtsbestimmung bei einem Flugsaurier. Der jetzt in „Science“ vorgestellte Fossilfund enthüllt, dass tatsächlich nur die Pterosaurier-Männchen Kopfkämme trugen. Das gut konservierte Ei trägt eindeutige Reptilienmerkmale und ähnelt kaum den heutigen Vogeleiern.
Während die Dinosaurier das Land beherrschten, dominierten die Flugsaurier die Himmel des Mesozoikums, der Ära vor 220 bis 65 Millionen Jahren. Die Pterosaurier segelten vermutlich vor allem über den Küsten der ausgedehnten Flachmeere, wo die Aufwinde stark genug waren, sie zu tragen und jagten Fisch. Fossilfunde zeigen, dass viele Pterosaurier Kopfkämme trugen, die im spektakulärsten Fall das Fünffache der Schädelhöhe erreichen konnten. Doch genau diese geben Wissenschaftlern schon seit Jahren Rätsel auf:
„Schon seit langem haben Forscher vermutet, dass diese Kämme zum Imponieren oder als Signale dienten und dass ihr Vorkommen auf die Männchen beschränkt gewesen sein könnte, während die Weibchen kammlos waren“, erklärt David Unwin, Paläobiologe der Universität von Leicester. „Aber in Abwesenheit von direkten Beweisen für die Geschlechtszugehörigkeit der Fossilien blieb diese Idee spekulativ und kammtragende und nicht kammtragende Formen wurden häufig sogar jeweils anderen Arten zugeordnet.“
„Mrs. T“: Skelett mit Ei ermöglicht eindeutige Geschlechtszuordnung
Doch jetzt ist einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Unwin in dieser Frage der entscheidende Durchbruch gelungen. Bei Ausgrabungen in der Liaoning Provinz im Nordosten Chinas entdeckten die Wissenschaftler in einer aus dem Jura stammenden Formation erstmals einen 160 Millionen Jahre alten Flugsaurier, dessen Geschlecht sie eindeutig bestimmen konnten. „Das Darwinopterus-Fossil, das wir entdeckt haben, ist gemeinsam mit einen Ei erhalten geblieben, was zeigt, dass es sich um ein Weibchen handeln muss“, so Unwin. „Diese Art von Entdeckung, in der das Geschlecht eindeutig bestimmt werden kann, ist bei Fossilien extrem selten und bei Pterosauriern sogar die allererste.“
Das „Mrs. T“-getaufte Skelett ist offenbar damals einem tragischen Unfall zum Opfer gefallen. Das sehr weit entwickelte Ei zeigt, dass Mrs. T kurz davor stand, es zu legen, als sie zu Tode stürzte. Ein Bruch in ihrem linken Flügel, ausgelöst durch einen Sturm oder auch einen Vulkanausbruch, bedeutete damals offenbar ihr Ende. Für die Wissenschaft ist ihr Tod jedoch ein Durchbruch, denn erstmals können sie die Eigenschaften dieses eindeutig weiblichen Exemplars mit anderen Funden vergleichen.
Breite Hüften und fehlender Kopfkamm
Tatsächlich zeigt Mrs. T zeigt zwei Merkmale, die sie von den männlichen Vertretern des Darwinopterus unterscheiden. Sie besitzt relativ breite Hüften, um die Passage des Eies zu erleichtern und keinen Kopfkamm. Daraus ergibt sich, dass Exemplare mit Kopfkamm und schmalen Hüften höchstwahrscheinlich Männchen waren. „Das Geschlecht ist eines der fundamentalsten biologischen Attribute, aber extrem schwer bei Fossilien zu bestimmen. Jetzt die Pterosaurier in dieser Hinsicht einordnen zu können ist daher ein großer Schritt vorwärts“, erklärt Unwin. „Jetzt können wir unser Wissen nutzen um ganz neue Bereiche wie beispielsweise die Populationsstruktur und das Verhalten zu untersuchen.“
Pterosaurier-Ei noch ganz Reptilien-typisch
Doch der neue Fund eröffnet nicht nur neue Möglichkeiten für die Geschlechtsbestimmung fossiler Pterosaurier, er gibt auch neue Einblicke in die Fortpflanzung dieser Tiergruppe. Denn er belegt, dass die Eier der Flugsaurier noch eindeutig reptilienartig waren:
„Mrs. Ts Ei ist relativ klein und besitzt ein weiche Schale, das ist typisch für Reptilien, aber völlig verschieden von Vögeln, die relativ große, hartschalige Eier legen“, so Unwin. „Das allerdings ist nicht wirklich überraschend, denn ein kleineres Ei erfordert weniger Investitionen in punkto Material und Energie. Das bedeutet einen evolutionären Vorteil für aktive Flieger wie die Pterosaurier und ist vielleicht ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Riesenarten wie dem Quetzalcoatlus mit seinen zehn Metern Flügelspanweiter gewesen.“
(University of Leicester, 21.01.2011 – NPO)