Auf dem Prüfstand: Tausende Klimaschutzmaßnahmen wurden bisher in verschiedenen Ländern umgesetzt – aber nur 63 dieser Maßnahmen trugen in größerem Umfang zur Reduktion der globalen Treibhausgas-Emissionen bei, wie eine Auswertung ergab. Der Erfolg dieser Klimapolitik beruht meist auf einer Kombination von Einzelmaßnahmen, die an die Situation des jeweiligen Landes angepasst waren. Was bedeutet dies konkret?
Ob Stürme, Starkregen oder immer neue Temperaturrekorde: Der Klimawandel ist längst konkret spürbar – auch bei uns. Umso dringlicher wird die Frage, wie wir die globale Erwärmung noch aufhalten können. Zwar gibt es schon seit einigen Jahrzehnten Bemühungen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umzusteigen. In einigen Ländern haben solche Klimaschutzmaßnahmen auch schon erste positive Wirkungen gezeigt. Sie reichen aber nicht aus, um den globalen Klimawandel zu bremsen oder gar zu stoppen.
Das wirft die Frage auf, welche der bisher in verschiedenen Ländern umgesetzten Klimaschutz-Maßnahmen überhaupt wirksam sind und die CO2-Emissionen effektiv senken.
Bilanz des bisherigen Klimaschutzes
Dieser Frage sind nun Forschende um Annika Stechemesser vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nachgegangen. Dafür überprüften sie die Wirkung von 1.500 klimapolitischen Maßnahmen, die zwischen 1998 und 2022 in 41 Ländern umgesetzt wurden. Die Daten stammten von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und berücksichtigen Länder, die zusammen rund 80 Prozent der weltweiten Emissionen ausstoßen.
Um die Daten auszuwerten, verwendeten Stechemesser und ihr Team eine erweiterte Computeranalyse, die auf maschinellem Lernen beruht. Damit werteten sie statistisch aus, welchen Effekt eine Maßnahme einzeln oder im Verbund mit anderen Instrumenten in verschiedenen Regionen und über verschiedene Zeiträume auf den CO2-Ausstoß hatte.
Nur wenige Erfolgsgeschichten
Das Ergebnis: Die untersuchten Länder haben bis 2022 im Schnitt vier bis acht verschiedene Klimaschutzmaßnahmen neu umgesetzt oder verschärft. Die allermeisten dieser Instrumente haben aber bisher nur wenig zum Klimaschutz beigetragen, wie das Team berichtet. Nur 63 der 1.500 Maßnahmen haben die globalen CO2-Emissionen drastisch gesenkt – durchschnittlich um rund 20 Prozent in ihrem jeweiligen Bereich. Insgesamt wurden dadurch die Emissionen um 0,6 bis 1,8 Milliarden Tonnen CO2 verringert, wie Stechemesser und ihre Kollegen feststellten.
Welche Klimaschutznahmen in welchen Bereichen wirksam sind, kann man auf einer von den Forschenden entwickelten interaktiven Webseite anschauen. Der Climate Policy Explorer zeigt, wie gut verschiedene klimapolitische Instrumente beispielsweise im Bausektor, in der Industrie oder im Verkehr bisher gewirkt haben.
Was wirkt wo und wie?
Klimaschutz-Erfolge gab es demnach unter anderem in Norwegen. Dort wurden zuletzt Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren verboten und zugleich Steueranreize beim Kauf von Elektroautos gesetzt. Eine deutsche Erfolgsgeschichte im Transportsektor sind die 1999 eingeführte Ökosteuerreform für den Energieverbrauch und die 2005 eingeführte LKW-Maut, beide begleitet durch Investitionen in die Bahn. Großbritannien hat 2013 die Stilllegung von Kohlekraftwerken beschlossen und zugleich erneuerbare Energien gefördert sowie einen Mindestpreis für CO2 eingeführt.
Auch wenn viele Erfolgsmodelle bisher aus den Industrieländern kommen, gibt es auch wirksame Maßnahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. China hat beispielsweise ebenfalls Pilotprojekte zum Emissionshandel eingeführt. Zudem hat das Land nahezu zeitgleich seine Subventionen für fossile Brennstoffe gesenkt und die finanziellen Anreize für energieeffizientes Wirtschaften erhöht. Dadurch wurde zumindest der zuvor steile Anstieg der CO2-Emissionen etwas abgebremst. Argentinien hat zuletzt sein Bauwesen neu reguliert und einen CO2-Preis eingeführt.
Deutliche Synergie-Effekte
Doch warum waren diese 63 klimapolitischen Maßnahmen so viel wirksamer als die übrigen? Die meisten positiven Auswirkungen auf die CO2-Emissionen gehen auf bisher größtenteils unbeachtete Synergie-Effekte zurück, wie das Team berichtet. Die Wirkung beruht dabei also nicht nur auf den Einzelmaßnahmen, sondern vor allen auf einer Mischung aus verschiedenen Praktiken, die in den Wirtschaftsmarkt eingreifen und sich gegenseitig ergänzen.
Diese Maßnahmen-Kombinationen regeln etwa die Preise in der Industrie und im Stromsektor, setzen finanzielle Anreize oder regulieren den Verkehr und das Bauwesen. Eine individuell angepasste Kombination solcher Eingriffe je nach Wirtschaftszweig und Land trägt meist effektiver zum Klimaschutz bei als einzelne Instrumente, wie die Auswertung ergab.
Die richtige Mischung macht’s
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass mehr Politik nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen führt. Vielmehr ist der richtige Maßnahmenmix entscheidend“, erklärt Koautor Nicolas Koch vom PIK. Ausschlaggebend sind dabei auch die Kosten. „Subventionen oder Regulierungen allein reichen nicht aus. Nur in Kombination mit preisbasierten Instrumenten wie CO2- und Energiesteuern können sie zu substanziellen Emissionsreduktionen führen.“
Allerdings zeigte sich auch: Eine Bepreisung von emissionsreichen Industrieprozessen war in Entwicklungsländern weniger effektiv als in Industrieländern. Das legt nahe, dass zunächst Subventionen und Regulierungen ergriffen werden sollten, um klimawirksam in den Markt einzugreifen, bevor zusätzlich Preispolitik betrieben wird, so das Team.
Erfolgsrezepte ausweiten
Klar ist aber auch: Trotz ihres Erfolges reichen die wenigen bisher wirksamen Maßnahmen bei weitem nicht aus, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Zwar könnten und sollten diese Erfolgsrezepte nach Ansicht der Forschenden ausgebaut und auf weitere Länder ausgeweitet werden, um eine noch größere Wirkung zu entfalten. Zusätzlich seien jedoch deutlich mehr Anstrengungen nötig, so Stechemesser und ihre Kollegen.
„Unsere Ergebnisse bieten eine klare, aber ernüchternde Perspektive auf die politischen Anstrengungen, die erforderlich sind, um die verbleibende Emissionslücke von 23 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2-Äquivalente) bis 2030 zu schließen“, schreiben die Klimaforscher. „Dieses Wissen ist von entscheidender Bedeutung, um Politik und Gesellschaft beim Übergang zur Klimaneutralität zu unterstützen“, sagt Stechemesser. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adl6547; Climate Policy Explorer)
Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), American Association for the Advancement of Science (AAAS)