Handeln tut not: Die Kohleverbrennung wird bis 2038 fast die Hälfte des für Deutschland verbleibenden CO2-Budgets aufzehren, wie eine Studie zeigt. Rechnet man das jüngst im Weltklimabericht bezifferte globale CO2-Restbudget auf unser Land herunter, bleiben noch 3,3 bis 4,4 Gigatonnen. Gut 1,9 Gigatonnen davon würden allein die Kohlekraftwerke ausstoßen. Das bedeutet, dass in anderen Bereichen umso strikter gespart werden müsste, wenn man das Klimaschutzziel noch einhalten will.
Die Fakten sind klar: Wenn es der Menschheit nicht schnell gelingt, ihren CO2-Ausstoß zu drosseln, wird die globale Erwärmung weit über 1,5 Grad hinausgehen. Das würde Klimafolgen wie Dürren, Hitzewellen, Stürme und Hochwasser auf ein für viele Regionen kaum noch verträgliches Maß verstärken. Dem aktuellen Weltklimabericht des IPCC zufolge bleibt der Welt für dieses 1,5-Grad-Ziel nur noch ein CO2-Restbudget von 300 Milliarden Tonnen CO2. Schon bei 400 Gigatonnen sinkt die Chance auf dieses Ziel auf nur noch 63 Prozent.
3,3 bis 4,4 Milliarden Tonnen Restbudget – für alles
Was aber bedeutet dies für Deutschland? Unsere Einwohnerzahl macht rund 1,1 Prozent der Weltbevölkerung aus. Dementsprechend läge unser Anteil am globalen CO2-Restbudget rein rechnerisch bei 3,3 Milliarden Tonnen. Geht man von der optimistischeren Auslegung von 400 Gigatonnen noch möglicher Emissionen aus, bleiben maximal 4,4 Milliarden Tonnen. Das bedeutet: Alle Wirtschaftsbereiche und Haushalte zusammen dürfen künftig nicht mehr als diese Mengen CO2 ausstoßen, wenn wir unseren Teil zum Klimaschutzziel beitragen wollen. Zum Vergleich: Insgesamt liegt der CO2-Ausstoß für Deutschland bei jährlich mehr als 700 Millionen Tonnen.
Das Problem jedoch: Bisher macht die Nutzung fossiler Brennstoffe einen Großteil der CO2-Emissionen unseres Landes aus – und der Ausstieg aus der Kohle ist erst für das Jahr 2038 geplant. Was dies für unser CO2-Budget bedeutet, hat nun ein Team des Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag von Greenpeace Energy ermittelt. Dafür legten sie den geltenden Abschaltfahrplan der Kohlekraftwerke und den geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien zugrunde.
Kohle frisst 45 Prozent des CO2-Budgets
Das Ergebnis: Die deutschen Kohlekraftwerke werden nach aktuellem Kohleausstiegs-Fahrplan und ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen bis 2038 noch 1.989 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Davon stammt der Löwenanteil von 1.374 Millionen Tonnen aus der Erzeugung von Braunkohlestrom. Mit anderen Worten: Etwa 45 Prozent der CO2-Menge, die Deutschland zur Einhaltung internationaler Klimaziele maximal noch ausstoßen darf, würde nach heutigem Stand durch die Kohleverbrennung verbraucht.
„Es kann nicht sein, dass die Kohle einen großen Teil unseres ohnehin knappen Spielraums bei den noch möglichen Emissionen auffrisst“, sagt Sönke Tangermann von Greepeace Energy. Denn je höher der Anteil der Kohle-Emissionen am CO2-Budget, desto höhere Einsparungen müssen andere Sektoren kurzfristig realisieren. „Es drohen dann in anderen Bereichen massive Einschnitte und Restriktionen – wie beim Reisen, bei Gebäuden oder der Landwirtschaft“, so Tangermann.
Früherer Kohleaustieg und Erhöhung der CO2-Preise
Eine mögliche Lösung wäre, früher aus der Kohle auszusteigen, wie es einige Umweltorganisationen und Parteien fördern. Eine andere wäre, den CO2-Preis so weit zu erhöhen, dass Kohlekraftwerke nicht mehr rentabel sind. Zurzeit liegt der Preis für eine Tonne emittiertem CO2 bei 25 Euro. Bis 2025 soll er schrittweise auf 55 Euro steigen. Allerdings halten viele Experten, darunter auch der Chef des Umweltbundesamts, dies für zu wenig, um einen Anreiz zum CO2-Sparen zu bieten. Erst ab mehr als 100 Euro sei eine Lenkungswirkung zu erwarten, so UBA-Präsident Dirk Messner.
Ähnliches ergab die Modellrechnung von Energy Brainpool: Würde der CO2-Preis bis 2038 auf mehr als 105 Euro steigen, sänke der Anteil der Kohle am deutschen CO2-Budget auf 39 Prozent – Kohlestrom wäre dann weniger rentabel. „Hohe CO2-Preise leisten einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz, zumal sie noch indirekte Effekte wie zusätzliche Ökostrom-Investitionen nach sich ziehen, die wir hier nicht mit eingepreist haben“, sagt Fabian Huneke von Energy Brainpool.
Eine Voraussetzung, um gut und schnell von der Kohle wegzukommen, ist allerdings der ausreichende Ausbau erneuerbarer Energien. Wird er nicht wieder beschleunigt, gerät die deutsche CO2-Bilanz noch weiter in die Schieflage.
Quelle: Greenpeace Energy