Fluten, Hunger und Vertreibung: Die Folgen des Klimawandels sind schon heute überall zu spüren – und in Teilen möglicherweise schon irreversibel. Dies bestätigt der zweite Teil des aktuellen Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC. Demnach beeinträchtigt schon die aktuelle Erwärmung das Leben von Milliarden Menschen weltweit. Der Report unterstreicht gleichzeitig, dass das Zeitfenster, um Schlimmeres zu verhindern, nur noch bis Ende des Jahrzehnts reicht.
Schon der im August 2021 veröffentlichte erste Teil des sechsten Weltklimaberichts (AR6) machte deutlich, dass der Klimawandel in vollem Gange ist und überall messbare Folgen hinterlässt. Konkreter als je zuvor quantifizierten die Autoren des IPCC auch, welches CO2-Budget der Menschheit noch bleibt, um die im Klimagipfel von Paris beschlossenen Klimaschutzziele einzuhalten und damit schwerwiegende Folgen für Mensch und Natur zu verhindern.
Klimafolgen im Mittelpunkt
Der nun erschienene zweite Teil des Sachstandsbereichs stellt genau diese Folgen in den Mittelpunkt. In ihm haben die mehr als 270 Leitautoren zusammengetragen, wie stark und auf welche Weise die bereits jetzt eingetretene Erwärmung die Lebensgrundlagen der Menschheit, die Gesellschaften und die Natur beeinflusst. Gleichzeitig haben die Autoren auch ermittelt, wie sich 127 Schlüsselrisiken im Zuge einer weiteren Erwärmung entwickeln werden.
Das Ergebnis: „Die wissenschaftlichen Belege sind eindeutig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten“, konstatiert der Co-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe II, Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. „Jede weitere Verzögerung im konzertierten globalen Handeln wird dazu führen, dass wir das kleine und sich schnell schließende Zeitfenster zu einer noch lebensfreundlichen Zukunft verpassen.“
Schon jetzt teils unumkehrbare Veränderungen
Konkret stellt der IPCC-Bericht fest, dass schon das jetzige Ausmaß des Klimawandels substanzielle und in Teilen unumkehrbare Veränderungen in den terrestrischen, marinen und Süßwasser-Ökosystemen der Erde bewirkt hat. Die Zunahme von Wetterextremen wie Dürren, Hitzewellen oder Starkregen und Sturmfluten haben diese Systeme vielerorts bereits über die Grenzen der natürlichen Anpassungsfähigkeit hinausgebracht.
Das hat nicht nur weitreichende Folgen für die Natur, sondern auch für die menschlichen Lebensgrundlagen, so der Bericht. Denn die Versorgung mit Nahrung durch Fischerei, Pflanzenbau und Viehhaltung ist bereits von Klimaextremen betroffen und auch für die menschliche Gesundheit sind Folgen nachweisbar. Im Schnitt sei schon jeder dritte Mensch auf der Erde in irgendeiner Weise vom Klimawandel betroffen, so die IPCC-Autoren.
Durch Rückkopplungen verstärkt
Der Weltklimabericht unterstreicht auch, dass die Folgen des Klimawandels nicht für sich und einzeln wirken, sondern über vielfältige Wechselwirkungen und Rückkopplungen miteinander verbunden sind. „Die Klimafolgen und Klimarisiken werden dadurch immer komplexer und schwerer zu handhaben“, so der Bericht. Das resultiere in kaskadierenden und sich verstärkenden Auswirkungen. „Dieser Bericht zeigt die gegenseitige Abhängigkeit von Klima, Biodiversität und Menschen auf“, sagt der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee.
Die Folgen der globalen Erwärmung treffen dabei nicht alle Regionen in gleichem Maß und auf gleiche Weise. Überproportional betroffen von Wetterextremen, aber auch den steigenden Meeresspiegeln sind viele der Regionen, die ohnehin zu den ärmeren und benachteiligten gehören. „Klimawandel verschärft Ungleichheit – das wird mit dem Bericht klarer als je zuvor“, kommentiert Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Als Folge könnte die Zahl der Klimaflüchtlinge weiter ansteigen.
Anpassung lückenhaft und ungleich verteilt
Im Weltklimabericht ziehen die Autoren auch eine Bilanz der bisher erfolgten Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen. „Es hat in allen Sektoren und Regionen bereits Fortschritte in der Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen gegeben“, so der Bericht. „Aber der Anpassungsprozess ist ungleich verteilt und lückenhaft.“ Der Kampf gegen die Klimafolgen erfordere das Zusammenwirken aller – der Regierungen, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft, sagt die Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe II, Debra Roberts.
Vor allem die Finanzierung sei bisher zu einseitig auf Maßnahmen gegen kurzfristige Risiken statt auf eine grundlegende Transformation ausgrichtet und vernachlässige einkommensschwache Regionen und Bevölkerungsgruppen. „Der Bericht unterstreicht die Dringlichkeit von sofortigem und ehrgeizigerem Handeln, um die Klimarisiken anzugehen“, sagt Lee. „Die Hälfte der einst möglichen Maßnahmen sind schon jetzt keine Option mehr.“
„Overshoot“ ist keine Option
Neue Erkenntnisse bietet der Bericht zudem hinsichtlich der Risiken, die mit sogenannten Overshoot-Pfaden einhergehen: Auch wenn der Temperaturanstieg nur zeitweise die Marke von 1,5 Grad überschreiten sollte und anschließend wieder gesenkt würde, hätte dies demnach schwerwiegende und teilweise unwiderrufliche Schäden für Ökosysteme und Gesellschaften zur Folge.
„Diese neuen Erkenntnisse sind von sehr großer Bedeutung für die Klimaschutzdebatte, in der zu häufig die Meinung vorherrscht, man könne sich über gewisse Zeiträume hinweg höhere Erwärmungsgrade erlauben, in der Hoffnung, dass in Zukunft ausreichend Technologien für besseren Klimaschutz und negative Emissionen zur Verfügung stünden“, kommentiert Mitautor Matthias Garschagen von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).
Quelle: IPCC AR6, WMO, Science Media Center