Kampf ums Klima: Im aserbaidschanischen Baku beginnt heute die Weltklimakonferenz COP29. Wieder werden Delegierte aus fast 200 Ländern darum ringen, die im Pariser Klimaabkommen beschlossenen Klimaschutzziele umzusetzen. Zu den Kernthemen gehört die dringend nötige Verschärfung der nationalen Emissions-Minderungsziele (NDC), aber auch die strittige Frage, woher die Gelder für Klimaschutz und Klimaanpassung in ärmeren Ländern kommen sollen.
Warnzeichen gibt es genug: Auch das Jahr 2024 ist von zunehmenden Wetterextremen und neuen Rekordtemperaturen geprägt. Den Prognosen des EU-Klimadienstes Copernicus zufolge wird dieses Jahr zudem das erste sein, in dem die Erwärmung im Jahresmittel den Wert von 1,5 Grad überschreitet – das Klimaschutzziel des Pariser Abkommens. Auch die Treibhausgaswerte haben in den letzten Jahren immer wieder Rekordwerte erreicht.
Emissions Gap: Nationale Minderungsziele reichen nicht
Dazu passt, dass auch die Selbstverpflichtungen der Länder zur Emissionsminderung, die sogenannten NDCs, nicht einmal ansatzweise ausreichen, um die Klimaschutzziele zu erreichen, wie Ende Oktober 2024 der aktuelle „Emissions Gap Report“ der UN-Umweltorganisation UNEP aufzeigte: Selbst wenn alle Vertragsstaaten ihre offiziell eingereichten NDCs einschließlich der durch Klauseln eingeschränkten bedingten Maßnahmen umsetzen würden, erreicht die globale Erwärmung 2,6 Grad. Werden nur die unbedingten Maßnahmen und Ziele umgesetzt, wären es 2,8 Grad Erwärmung.
„Wir benötigen eine globale Mobilisierung in einem nie zuvor gesehenen Ausmaß und Tempo“, betont Inger Andersen, Exekutivdirektor der UNEP. „Und wir müssen sofort beginnen oder das 1,5-Grad-Ziel ist tot und auch das Zwei-Grad-Ziel liegt auf der Intensivstation. Ich bitte alle Nationen: Bitte keine heiße Luft mehr.“
Den UNEP-Berechnungen zufolge müsste für eine wenigstens langfristige Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad der globale CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 42 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 sinken, bis 2035 um 60 Prozent. Allerdings: Dieses Ziel wäre zwar dem Report zufolge rein technisch erreichbar, angesichts der weltpolitischen Lage erscheint dies jedoch eher utopisch. Um die Erwärmung wenigstens noch auf zwei Grad zu begrenzen, wären Emissionsminderungen von 28 Prozent bis 2030 und 37 Prozent bis 2035 nötig – doch auch davon sind die NDCs noch weit entfernt.
NDCs auch Thema in Baku
Die nötige Verschärfung der Emissionsminderungsziele ist auch eines Kernthemen beim heute beginnenden Weltklimagipfel in Baku. Die knapp 200 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention werden weiter darüber verhandeln, wie die nächste Runde der NDCs aussehen und welche Vorgaben dafür gelten sollen. Bis spätestens Februar 2025 – so die auf dem Pariser Abkommen beruhenden Regelung – müssen die Länder ihre Selbstverpflichtungen nachschärfen.
„Bei der COP müssen die Länder zeigen, dass sie die Ergebnisse ihrer ersten globalen Bestandsaufnahme vom letzten Jahr ernst nehmen und konkrete Schritte ergreifen, um die gravierenden Umsetzungslücken zu schließen“, kommentiert Laura Schäfer von der Umweltorganisation Germanwatch. Ähnlich sieht es Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: „Die Konferenz sollte alle Länder auffordern, nicht nur Ziele für 2035 in ihren NDCs festzuschreiben, sondern auch ihre Ziele und Maßnahmen für den Zeitraum bis 2030 zu aktualisieren und deutlich zu verstärken“, kommentiert er.
Darüberhinaus sollten die nächsten NDCs konkrete Zeitpläne, Maßnahmen und sektorspezifische Minderungsziele umfassen und auch das Null-Emissionsziel langfristig festlegen. „Es ist zwingend notwendig, jetzt in allen Bereichen konkrete Vorgaben zu machen und sich nicht mehr mit rein aggregierten Zielen zu begnügen“ sagt auch Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertal Instituts.
Woher kommen die Gelder für Klimaschutz und Anpassung?
Ein zweites großes Thema auf der COP29 in Baku wird – wieder einmal – das Geld sein: Es geht um die Finanzierung von Klimaschutz- und -anpassung in den ärmeren Ländern. „Die Länder des Globalen Südens haben sehr deutlich gemacht, dass sie erhebliche finanzielle Unterstützung benötigen, um ihren Beitrag zur Zielerreichung leisten zu können und sich zugleich besser gegen die Klimawandelfolgen schützen zu können,“ erklärt Obergassel. Bei der letzten Klimakonferenz COP28 konnte hier keine Einigung erzielt werden, daher wurde das Thema auf die diesjährige COP29 vertagt.
Konkret geht es dabei um zwei Kernfragen: Wie viel Geld wird benötigt? Und aus welchen Quellen sollen die erforderlichen Mittel kommen? Bisher gab es den „Green Climate Fund“, der jährlich von den reichen Industriestaaten mit 100 Milliarden US-Dollar gefüllt werden sollte. Neueren Schätzungen zufolge werden die Entwicklungsländer jedoch rund eine Billion US-Dollar pro Jahr bis 2030 benötigen. Der unzureichende und umstrittene Fonds soll daher durch eine neue Finanzregelung ersetzt werden, das sogenannte New Collective Quantified Goal (NCQG). Dieses soll die internationale Klimafinanzierung auf eine breitere Grundlage stellen.
Wie diese genau aussieht, muss nun in Baku diskutiert werden. So gibt es die Forderung seitens der „klassischen“ Industrieländer, dass auch die reichen Länder des globalen Südens künftig einzahlen sollen. Zudem wird darüber verhandelt, in welchem Maße und in welcher Form auch private Gelder und neue Finanzierungsquellen – beispielsweise internationale Steuern oder eine Reform der multilateralen Entwicklungsbanken – genutzt werden können. Auch die Frage, welche Maßnahmen und Länder die Gelder als Kredite und oder aber als Zuschuss erhalten sollen, ist strittig.
Wie stehen die Chancen?
Allerdings: Die Erfolgsaussichten für eine Einigung bei den Finanzen und größere Fortschritte bei den CO2-Minderungszielen sind eher begrenzt. „Die COP29 in Baku wird eine echte Handwerkerkonferenz“, kommentierte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im Vorfeld des Klimagipfels. Problematisch ist vor allem die weltpolitische Lage, die von Kriegen, Konflikten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten geprägt ist. Dazu kommt die erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, der bekanntermaßen wenig vom Klimaschutz hält. Schon in seiner ersten Amtszeit ließ er die USA aus dem Pariser Klimaabkommen austreten, für seine zweite Amtszeit hat er dies auch bereits angekündigt.
„Die Erwärmung auf 1,5 Grad zu limitieren, ist eine der größten Herausforderungen der modernen Ära“, sagt UNEP-Exekutivdirektor Andersen. „Es ist gut möglich, dass wir das nicht schaffen, aber der einzige sicherer Weg zum Scheitern ist, es gar nicht erst zu versuchen.“ Selbst wenn das Klimaschutzziel von 1,5 Grad überschritten werde, müsse die Erwärmung so stark begrenzt werden wie möglich. „Jeder Bruchteil eines Grad zählen in Bezug auf gerettete Leben, vermiedenen Schäden, bewahrte Wirtschaften und erhaltenen Biodiversität“, so Andersen. Ob diese Apelle allerdings ausreichen, um die teils verhärteten Fronten der Klimapolitik zu bewegen, ist fraglich.
Quelle: UN Environment Programme (UNEP), BMUV, Germanwatch, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie