Der Magnetfeldschweif der Erde kann unter dem Einfluss des Sonnenwinds zusammenschnellen wie ein überspanntes Gummiband. Dann schleudert er Plasmajets in Richtung Erde, die das erdnahe Magnetfeld zum Schwingen bringen und so eine Art „Weltraumbeben“ auslösen. Das enthüllen jetzt im Journal „Geophysical Research Letters“ veröffentlichte Auswertungen der Magnetfeldmission THEMIS.
Die aus fünf Sonden bestehende NASA-Mission “Time History of Events and Macroscale Interactions during Substorms” (THEMIS) erforscht seit 2007 Teilchenströme in der Magnetosphäre der Erde, darunter auch Sonnenstürme, die beispielsweise Polarlichter auslösen. Es war bekannt, dass das irdische Magnetfeld auf der sonnenabgewandten Seite zu einem Schweif auszogen ist. Doch als die THEMIS-Sonden diesen Schweif einige Zeit lang näher beobachteten, enthüllten sie Erstaunliches:
Magnetschweif schleudert Plasmajets
Ab und zu dehnt der Teilchenstrom des Sonnenwinds den Magnetschweif der Erde so sehr aus, dass dieser wie ein Gummiband zurückschnellt. Dabei wird zuvor eingefangenes Plasma des Sonnenwinds wie durch eine Schleuder in Richtung Erde katapultiert. Zu mehr als einer Gelegenheit fanden sich die THEMIS-Sonden genau in Schussrichtung dieser Plasmajets. Aber was mit diesen im Nahbereich Erde geschah, blieb zunächst unbekannt, da die Sonden damals zu weit von vom Planeten entfernt waren. Erst vor kurzem, als Forscher die THEMIS-Sonden näher heran manövrierten, lieferten sie die entscheidenden Daten. „Jetzt wissen wir es“, erklärt David Sibeck vom Goddard Space Flight Center der NASA. „Die Plasmajets lösen Spacequakes aus.“
„Weltraumbeben“ wirken bis auf die Erdoberfläche
Als „Spacequakes” – Weltraumbeben – bezeichnen die Forscher Erschütterungen des Erdmagnetfelds, deren Auswirkungen bis auf die Erdoberfläche reichen können. Die von ihnen freigesetzte Energie kann die eines Erdbebens der Magnitude 5 bis 6 erreichen. „Solche magnetischen Erschütterungen sind von Bodenstationen rund um den Globus registriert worden, ähnlich wie seismische Detektoren ein großes Erdbeben aufzeichnen“, erklärt Vassilis Angelopoulos, THEMIS-Forscher an der Universität von Kalifornien von Los Angeles.
Die Auswertung der THEMIS-Daten zeigte, dass die Jets rund 30.000 Kilometer über dem Äquator in das geomagnetische Feld rasen. Dieser Einschlag löst eine Art Zurückfedern aus, bei dem sich das Plasma auf dem schwingenden Magnetfeld wie ein Gummiball auf und ab bewegt. Dabei ist die Amplitude des ersten Federns typischerweise am stärksten und wird dann sukzessive kleiner. „Wir haben schon lange vermutet, dass etwas ähnliches passiert“, so Sibeck. Computersimulationen des Zurückfederns bestätigen ebenfalls den beobachteten Ablauf. „Indem wir den Prozess nun in situ beobachteten konnten, hat Themis noch etwas Neues und Überraschendes entdeckt.“
Plasmawirbel sorgen für Überraschung
Die Überraschung sind Plasmawirbel – gewaltige Turbulenzen magnetisierten Gases, so groß wie die Erde selbst, die sich am Rand des schwingenden Magnetfelds drehen. „Wenn Plasmajets die innere Magnetosphäre treffen, erscheinen Wirbel mit entgegengesetzter Rotation beiderseits des Plasmajets“, erklärt Rumi Nakamura vom österreichischen Weltraumforschungsinstitut, Coautor der Studie. „Wir glauben, dass diese Wirbel substanzielle elektrische Ströme in der nahen Umgebung der Erde erzeugen können.“
Zusammen können Wirbel und Weltraumbeben ionisierte Teilchen bis weit in die Atmosphäre hinein transportieren. Diese erzeugen Verwirbelungen in den Polarlichtern, können aber auch Radio- und Funkstörungen verursachen und im Extremfall auch Stromausfälle nach sich ziehen. Noch lassen die neuen Entdeckungen allerdings viele Fragen offen.
„Wir haben noch immer viel zu lernen“, so Sibeck. „Wie stark können diese Spacequakes werden? Wie viele Wirbel können auf einmal um die Erde kreisen – und wie interagieren sie miteinander?“ Eine Antwort darauf erhoffen sich die Forscher nun von weiteren THEMIS-Messungen.
(NASA, 30.07.2010 – NPO)