Die Anden in Südamerika sind mit einer Länge von über 7.000 Kilometern und einer Höhe von fast 7.000 Metern das zweitgrößte Gebirge unserer Erde. Sie entstanden durch den plattentektonischen Prozess der Subduktion, bei der die ozeanische Kruste der Nazca-Platte unter die Kontinentalplatte Südamerikas geschoben wird und diese dadurch anhebt. Diese auch heute noch andauernde so genannte andine Gebirgsbildung hat allerdings ihren „spürbaren“ Preis: Vulkanische Aktivitäten und Erdbeben erinnern ständig an die gewaltigen Prozesse, die in der Tiefe stattfinden.
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Trotz jahrzehntelanger Forschung ist die genaue Kenntnis um die Subduktion noch sehr lückenhaft. Daher soll nun in Rahmen des GEOTECHNOLOGIEN- Themenschwerpunkts „Kontinentränder: Brennpunkte im Nutzungs- und gefährdungspotenzial der Erde“ das vom BMBF geförderte Verbundvorhaben „TIPTEQ – from The Incoming Plate to mega-Thrust EarthQuake processes“ das erste vollständige Abbild der Struktur einer solchen Subduktionszone rekonstruiert werden. Die beteiligten Wissenschaftler, unter anderem vom GFZ Potsdam und dem IFM-GEOMAR Kiel, erhoffen sich, dadurch die Zusammenhänge zwischen Strukturgeologie, Spannungsaufbau und Erdbeben besser verstehen zu können.
Kruste taucht ab
Beim Abtauchen einer Erdplatte gelangen die Krustenmaterialien in größere Tiefen und damit in Bereiche höherer Temperaturen. In einer Tiefe von 100 Kilometern herrschen zwischen 1.000 und 1.500 Grad Celsius, die zu einem Aufschmelzen der subduzierten Kruste führen. Schätzungsweise über 200 Kilometer Erdkruste wurden in Südamerika seit dem Jura auf diese Weise „recyclelt“.
Ein Teil des aufgeschmolzenen Krustenmaterials bahnt sich durch Schwächezonen einen Weg an die Erdoberfläche und entlädt sich in gewaltigen vulkanischen Eruptionen oder verbleibt als Magmenintrusion in der festen Erdkruste. Bei der Subduktion des Andinen Typs werden zudem extrem tiefe Tiefseerinnen gebildet, die als auffällige Kontaktlinien der beiden zusammenstoßenden Platten angesehen werden können.
Zwischen diesen Tiefseerinnen und den magmatischen Bögen, den Orten, wo der Magmatismus stattfindet, werden Sedimente abgelagert. Diese Akkumulationsbereiche werden „Forearc“-Becken (Inselbogen-Außenbecken) genannt. Sie sind sowohl tektonisch als auch in ihrer Gesteinszusammensetzung äußerst kompliziert. Bei der Subduktion der ozeanischen Platte werden diese Sedimente an die nicht abtauchende Platte geradezu „angeschweißt“ und entgehen dadurch häufig der Aufschmelzung in der Tiefe. Als so genannte Akkretion führt dies im Gegensatz zur Erosion zu einem Anwachsen der kontinentalen Kruste.
Aktiv oder passiv
An diesen auch „aktiv“ genannten Kontinentalrändern wird die Erdkruste somit laufend neu gebildet, verformt oder umgewandelt. In diesen Bereichen ereignen sich zudem ungewöhnlich starke Erdbeben, die zum Teil verheerende Auswirkungen haben können. So geschehen 1960, als das bis heute stärkste instrumentell registrierte Erdbeben die Hafenstadt Valdivia in Chile erschütterte. Solche Starkbeben sind mit den Ursachen „konventioneller“ Erdbeben kaum erklärbar. Wissenschaftler vermuten, dass an diesen Konvergenzzonen der ozeanischen und kontinentalen Erdplatte zusätzlich zur eigentlichen Subduktion noch weitere Prozesse ablaufen, die bislang wenig erforscht sind und als Grund für die Häufung von Starkbeben gelten können.
(GFZ Potsdam, GEOTECHNOLOGIE; TIPTEQ, IFM-Geomar, 29.10.2004 – AHE)