Um das Überleben ihrer Jungen zu sichern, nutzen einige Vogelarten eine besondere Strategie: Wenn Vogelmilben und andere Parasiten ihren Nachwuchs bedrohen, legen Hausgimpelmütter gezielt erst weibliche, dann männliche Eier. Der Grund: Die kräftigeren Weibchen können den Blutsaugern besser widerstehen auch wenn sie früher schlüpfen, so berichten amerikanische Forscher in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences.
Seit 2002 untersuchten Alexander V. Badyaev, Professor für Ökologie und evolutionäre Biologie an der Universität von Arizona in Tucson, und seine Kollegen eine Population von Hausgimpeln (Carpodacus mexicanus) auf dem Campus der Universität. Ziel der Untersuchung war es zu erfahren, wie und ob die Vögel ihre Entwicklungsperioden verändern können, um das Überleben der Jungen zu optimieren. Einerseits ist es von Vorteil, die Jungen so lange wie möglich im Nest zu behalten, damit sie besonders groß sind, wenn sie flügge werden. Andererseits jedoch sind die Nestlinge bei starkem Parasitenbefall im Nest besser dran, wenn sie dem nicht lange ausgesetzt sind. Denn je länger die Milben an den Jungvögeln saugen, desto schwächer und kränker werden sie. Was also tun die Vögel, um diesem Dilemma zu entkommen?
Legenreihenfolge ändert sich
Um dies herauszufinden, fingen die Forscher die Tiere mehrere Male pro Woche ein, maßen und wogen sie und nahmen DNA und Hormonproben. Während der Brutperiode beobachteten sie die Aktivitäten im Nest, verfolgten das Wachstum der Jungen und entnahmen auch von diesen Erbguttests. Gleichzeitig untersuchten sie auch die Milbendichte im Nest.
Es zeigte sich, dass der Parasitenbefall der Nester jedes Jahr im Frühjahr deutlich zunimmt – genau dann, wenn die Jungen im Nest sind. Die Gimpelweibchen legen jedoch ein Ei pro Tag – ob Milben anwesend sind oder nicht. Was sich aber ändert, ist die Legereihenfolge: Ohne Milben ist die Geschlechterverteilung zufällig. Ist der Parasitenbefall des Nests jedoch hoch, legen die Weibchen erst die weiblichen Eier, dann die männlichen.
Versteck im Ei
“Im Prinzip versteckten die Mütter ihre Söhne in den Eiern”, erklärt Badyaev. „Söhne sind gegenüber den Milben empfindlicher als die Töchter. Mütter minimieren daher das Ausgesetztsein indem sie die männlichen Eier später als die weiblichen legen. Als Ergebnis sind die Männchen ein paar Tage kürzer im Nest.“ Doch für die Jungen lohnt sich diese Verkürzung: Am Ende der Nistperiode sind sie genauso groß wie ihre früher geborenen Schwestern.
Denn die männlichen Jungen machten einen größeren Teil ihrer Entwicklung im Ei durch, schlüpften also schon „weiter“ als ihre Schwestern. „Die Mütter steuern das”, so Badyaev. In dem Moment, in dem eine brütende Mutter Milben ausgesetzt ist, löst dies Veränderungen im Hormonhaushalt aus. Das wiederum beeinflusst die Reihenfolge ihrer Eiablage und beschleunigt die Entwicklung der noch in den Eiern befindlichen Söhne.
“Wir haben damit einen Mechanismus entdeckt, durch den die Dauer des Wachstums an das Risiko der Mortalität angepasst werden kann”, so der Forscher. „Das ist die erste Dokumentation, dass mütterliche Manipulation sowohl der Ovulation als auch des Wachstums die Entwicklungsgeschwindigkeit von Vögeln beeinflussen kann.“
(University of Arizona, 19.09.2006 – NPO)