Tagelanger Regen verwandelte letztes Jahr einen großen Teil Deutschlands in ein Abbild der Sintflut. Diese Bilder sind allen Mitteleuropäern noch gut im Gedächtnis. Wasser so weit das Auge reicht, wo blühende Landschaften sein sollten. Menschen auf ihren Häuserdächern, Straßenschilder, die aus den Fluten ragen. Sonst passiert so etwas nur ganz weit weg: in China, wo seit 1989 fast jährlich ein so genanntes Jahrhunderthochwasser den Yangtse über die Ufer treten lässt oder in Bangladesch, dem Land, das häufig zu vier Fünftel unter Wasser steht und wo allein 1991 nach offiziellen Angaben 140.000 Menschen ums Leben kamen. Doch nun auch bei uns: 100.000 Menschen von Hochwasser bedroht! Warum?
Ursachenforschung
Steht der Mensch selbst dahinter? Sind die Hochwässer ein Produkt des Klimawandels? Auf der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) vom 24. bis 28. März in Hannover ist genau dies Thema eines Vortrages von Prof. Dr. Hartmut Grassl. "Klimawandel und Wetterextreme" lautet der Titel. Unter anderem will er "Hinweise für einen verbesserten Schutz vor Wetterextremen geben, die lokales Anpassen und globale Abwehr vereinen." Der renommierte Wissenschaftler ist Direktor des Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.
Nass und feucht wird es werden
Sein Kollege Prof. Mojib Latif, der Anfang des Jahres ans Institut für Meereskunde in Kiel wechselte, geht davon aus, dass solche Überschwemmungen jetzt häufiger vorkommen werden. Nicht immer in diesem Ausmaß, aber doch häufiger. Das sagte er letztes Jahr, Ende September, in einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk. Und schon im Januar fielen in weiten Teilen Nordbayerns wieder bis zu 40 Liter pro Quadratmeter auf bereits wassergesättigten Boden. Die Fränkische Saale stieg daraufhin auf Werte an, die das bayrische Landesamt für Wasserwirtschaft als Jahrhunderthochwasser bezeichnet. Laut Definition ein Hochwasserereignis, wie es statistisch gesehen nur alle 100 Jahre einmal vorkommt.
Die Zahnräder der Wettermaschine
Tropisch anmutende Regenschauer, in denen in wenigen Minuten riesige Mengen Niederschlag herunterprasseln, könnten auch bei uns Gang und Gäbe werden, meint Latif. Der Hintergrund: Die vom Menschen in die Luft gepusteten Treibhausgase erwärmen die Luft. Darüber sind sich fast alle Wissenschaftler einig. Die Erwärmung schaltet die Zahnräder der Wettermaschine anders zusammen. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit transportieren. Jeder Brillenträger, der schon mal einen Topfdeckel geöffnet hat, ohne den Kopf aus der Bahn der aufsteigenden Luft zu nehmen, kennt das Phänomen. Zudem nimmt die Verdunstung über Wasserflächen zu. Dieses Wasser muss auch wieder herunterkommen. Der Kreislauf des Wassers beschleunigt sich.
Klimawandel kommt teuer zu stehen
Die wärmere Luft besitzt auch mehr Energie. Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) geht von zwischen 1,4 und 5,8 °C wärmeren Durschnittstemperaturen aus. Häufigere und stärkere Stürme, sprich starke Überflutungen könnten eine der Folgen sein. An anderen Orten wird das Wasser noch knapper als ohnehin schon. Die Schäden, die allein das Hochwasser des letzten Jahres angerichtet hat, beziffert die Münchener Rückversicherung in ihrem Bericht Bericht über Naturkatastrophen 2002 auf 13,2 Milliarden Euro. Mojib Latif meint dazu: "Es ist billiger, jetzt alternative Energien zu fördern, als im Jahr 2050 pausenlos Gewitterschäden zu beseitigen."
(DFG-Denkschrift Wasserforschung im Spannungsfeld zwischen Gegenwartsbewältigung und Zukunftssicherung, www.mdr.de/hochwasser, 20.03.2003 – Kirsten Achenbach / DFG-Forschungszentrum Ozeanränder Bremen (RCOM))