Rätsel gelöst? Bisher war unklar, wann das Great Barrier Reef entstanden ist und wie. Jetzt könnten Forschende die Antwort gefunden haben. Demnach konnte das weltgrößte Korallenriff erst dann heranwachsen, als vor 1,2 bis 0.7 Millionen Jahren Fraser Island entstand. Denn diese hakenförmig vorstehende Sandinsel schirmt das Riffgebiet seither vom herangespültem Schwemmsand ab und ermöglicht so die ungestörte Ansiedlung der Korallen, wie das Team in „Nature Geoscience“ berichtet.
Das Great Barrier Reef in Australien ist gut 2.300 Kilometer lang und damit das größte Korallenriff der Erde. Doch wann dieses einzigartige und artenreiche UNESCO-Weltnaturerbe entstand, war bisher unklar. Theoretisch existieren die geologisch-tektonischen Voraussetzungen dafür schon seit rund 25 Millionen Jahren. Seit rund fünf Millionen Jahren liegt das ostaustralische Schelfgebiet zudem weit genug nördlich, um tropischen Korallen die nötigen warmen Wassertemperaturen zu bieten.
Trotzdem legen Datierungen von Proben aus dem Great Barrier Reef nahe, dass dieses Riffgebiet erst viel später entstand, möglicherweise sogar erst vor rund 450.000 Jahren. Doch wie ist diese Verzögerung zu erklären?
Eine Insel als Sandbarriere
Auf der Suche nach einer Antwort haben Daniel Ellerton von der Universität Stockholm und seine Kollegen einen weiteren Aspekt der Riffbildung untersucht: den Sandtransport. Denn eine zu starke Einschwemmung von Sand stört die Ansiedlung von Korallen und hemmt so die Riffbildung. Im Fall des Great Barrier Reefs spielt die südlich des Riffgebiets liegende Sandinsel Fraser Island dafür eine wichtige Rolle, wie das Team erklärt.
Die hakenförmig von der australischen Küste vorstehende Insel ist Teil einer ausgedehnten Zone von Sandbänken und Dünen, die wie eine Barriere wirken: Die an der Ostküste Australiens vorherrschenden Strömungen schwemmen pro Jahr rund 500.000 Kubikmeter Sand heran und transportieren ihn entlang der Küste Richtung Norden – auf das Great Barrier Reef zu. Doch die vorstehende Fraser-Insel lenkt diese Strömung zum Rand des Kontinentalschelfs um und schirmt das Riff so vom Sandeinstrom ab.
Wandel vor rund 1,2 Millionen Jahren
Erst die Existenz von Fraser Island könnte demnach die Entstehung des Korallenriffs ermöglicht haben. Doch seit wann existiert diese Sandinsel? Das haben Ellerton und sein Team nun untersucht. Dafür entnahmen sie an mehreren Stellen der Insel und an der benachbarten Cooloola-Sandbank Sedimentbohrkerne und datierten sie mithilfe der optisch stimulierten Lumineszenzmethode (OSL). Dieses Verfahren zeigt, wann die Sandkörner zuletzt dem Licht ausgesetzt waren, bevor sie Teil der Sandinseln wurden.
Das Ergebnis: „Wir haben festgestellt, dass Sandinsel und die Dünenfelder sich vor 1,2 bis 0,7 Millionen Jahren zu bilden begannen“, berichtet das Forschungsteam. Zur jener Zeit ließen die wachsenden und schrumpfenden Gletscher der frühen Eiszeiten den Meeresspiegel stark schwanken. Dies beeinflusste auch die Meeresströmungen und den Sandtransport vor der Küste Ostaustraliens. „Die Meeresspiegel-Fluktuationen sorgten für eine Umverteilung des Sediments auf dem Kontinentalschelf“, erklärt Koautorin Tammy Rittenour von der Utah State University.
Dadurch türmten sich in Küstennähe zunehmend höhere Sedimentmassen auf, durch die Fraser Island und die umliegenden Sandbänke und Dünen entstanden.
Voraussetzung für die Riffbildung
Nach Ansicht der Wissenschaftler war dies der entscheidende Impuls für die Entstehung des Great Barrier Reefs. Denn durch diese neu gebildete Barriere ließ der Sandtransport nach Norden nach und das Gebiet des heutigen Riffs bot Korallen nun günstigere Bedingungen für die Ansiedlung. „Die Entstehung von Fraser Island war ein notwendiger Schritt, um die Bildung der südlichen und zentralen Abschnitte des Great Barrier Reefs zu ermöglichen“, konstatieren Ellerton und seine Kollegen.
Dies könnte auch erklären, warum sich das weltgrößte Korallenriff erst so viel später bildete, als es unter rein tektonischen und klimatischen Gesichtspunkten möglich gewesen wäre. „Diese signifikanten Erkenntnisse verändern unsere Sicht auf Sedimentsysteme von Küsten“, sagt Koautorin Tammy Rittenour von der Utah State University. (Nature Geoscience, 2022; doi: 10.1038/s41561-022-01062-6)
Quelle: Utah State University