Historische Beschleunigung: Die antarktische Ringströmung reagiert sensibel auf Klimaveränderungen – sie wird in wärmeren Phasen schneller und in kälteren langsamer, wie Sedimentbohrkerne aus dem Südpolarmeer belegen. Demnach beeinflussten Klimaschwankungen schon vor Millionen Jahren die Geschwindigkeit des Zirkumpolarstroms. Das hatte erhebliche Auswirkungen auf das antarktische Eisschild und die Fähigkeit des Ozeans, CO2 zu speichern, wie Forschende in „Nature“ berichten. Was aber bedeutet dies für die Zukunft?
Der antarktische Zirkumpolarstrom (ACC) verbindet den Indischen, den Atlantischen und den Pazifischen Ozean und spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung des globalen Klimas. Sie bildet eine natürliche Barriere zwischen dem kalten Gebiet rund um die Antarktis und dem wärmeren Südozean. Lange galt diese größte Meeresströmung der Welt als weitgehend unbeeinflusst vom Klimawandel. 2021 zeigte jedoch eine Studie, dass sie sich innerhalb weniger Jahrzehnte stark beschleunigt hat.
Unklar war allerdings bislang, ob die Ursache für diese Veränderungen die vom Menschen verursachte globale Erwärmung ist und wie sich der beschleunigte Zirkumpolarstrom selbst auf das Klima auswirkt.
Wie verändert sich die Ringströmung?
„Der antarktische Zirkumpolarstrom hat einen großen Einfluss auf die Wärmeverteilung und die CO2-Speicherung im Ozean“, erklärt Erstautor Frank Lamy vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. „Bis vor kurzem war allerdings unklar, wie der ACC auf Klimaschwankungen reagiert und ob Veränderungen in der Strömungsgeschwindigkeit die Auswirkungen der Erwärmung ausgleichen oder verstärken.“
Gemeinsam mit seinem Team hat sich der Forscher deshalb auf die Suche nach Antworten begeben. „Um Vorhersagen über unser zukünftiges Klima und die Stabilität des antarktischen Eisschildes mit Hilfe von Computersimulationen zu verbessern, brauchen wir Paläodaten, die uns etwas über die Intensität des ACC in vergangenen warmen Phasen der Erdgeschichte sagen können“, sagt Lamy.
Bohrungen in die Vergangenheit
Bei einer Expedition mit dem Forschungsschiff JOIDES Resolution entnahmen die Forschenden Sedimentproben aus den Tiefen des Meeresgrunds im Südwestpazifik. „Die Bohrstellen befinden sich in der Nähe von Point Nemo, dem am weitesten von jeder Landmasse oder Insel entfernten Punkt der Erde, wo der ACC ohne Einflüsse von kontinentalen Landmassen fließt“, erklärt Koautor Helge Arz vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde.
Bei Wassertiefen von rund 3.600 Metern bohrten die Forschenden jeweils 145 und 213 Meter tief in den Meeresboden und gewannen auf diese Weise Sedimentbohrkerne, deren Schichtung sich im Laufe der vergangenen 5,3 Millionen Jahre gebildet hat. Da sich kleinere Partikel eher in Zeiten absetzen, in denen die Strömung langsam ist, und größere, wenn sie schnell ist, verriet die Struktur der Sedimentschichten den Geowissenschaftlern, wie sich der antarktische Zirkumpolarstrom im Laufe der Zeit verändert hat.
Einfluss durch Warm- und Kaltzeiten
Das Ergebnis: Schon in der Vergangenheit schwankte die Geschwindigkeit des Zirkumpolarstroms in Abhängigkeit von der Temperatur. Während einer Warmphase vor bis zu drei Millionen Jahren war die Strömungsgeschwindigkeit beispielsweise hoch. In Eiszeiten dagegen verringerte sich die Strömung und war bis zu 50 Prozent langsamer als heute, wie Lamy und sein Team ermittelten. Erneute Warmzeiten wiederum beschleunigten den ACC – jeweils parallel zu einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration.
Was aber bedeuten diese Reaktionen der antarktischen Ringströmung für das Südpolarmeer? Den Forschenden zufolge könnten sich Veränderungen des Zirkumpolarstroms auch auf die Fähigkeit des Ozeans auswirken, CO2 zu speichern. Denn in kälteren Zeiten mit schwächerem ACC ist der Ozean stärker geschichtet, wodurch mehr CO2 als organischer Kohlenstoff in seinen Tiefen gebunden bleibt. Eine stärkere Durchmischung dagegen könnte dazu führen, dass das Treibhausgas verstärkt freigesetzt wird.
Warmwasser-Schwemme zum antarktischen Eisschild
Die Schwankungen des Zirkumpolarstroms haben jedoch auch Auswirkungen auf das Eis der Antarktis. Denn die Ringströmung bildet eine Barriere für wärmeres Wasser aus weiter nördlich liegenden Meeresregionen, kann aber auch warmes Wasser in Richtung Antarktis lenken. Genau dies ist offenbar der Fall, wie Parallelen zwischen den Schwankungen des ACC und dem Wachsen und Schrumpfen des westantarktischen Eisschildes nahelegen.
Transportiert ein schnellerer ACC verstärkt warmes Wasser aus dem Südmeer in die Nähe des Schelfeises, schmilzt dieses wesentlich schneller ab, als rein anhand der Veränderungen der Lufttemperatur zu erwarten wäre. „Das ist wie bei einem Eiswürfel“, erklärt Co-Autorin Gisela Winckler von der Columbia University in New York. „Wenn man ihn an der Luft liegen lässt, schmilzt er langsam, in Wasser dagegen schnell.“
Auf die gleiche Weise könnte auch heute der beschleunigte Zirkumpolarstrom das Abschmelzen des antarktischen Eises beschleunigen und somit zu einem gravierenden Anstieg des Meeresspiegels beitragen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07143-3)
Quelle: Alfred-Wegener-Institut – Helmholzzentrum für Polar- und Meeresforschung, Columbia Climate School