Prähistorischer Mega-See: Vor rund elf Millionen Jahren reichte die Paratethys von den Alpen bis nach Zentralasien – sie war der größte See der Erdgeschichte. Was mit diesem Mega-See geschah und welche Folgen dies hatte, enthüllt nun eine Studie. Demnach durchlebte die Paratethys vier große Austrocknungen, durch die ihre Fläche um zwei Drittel schrumpfte und ganz neue Lebensräume entstanden. Das könnte die Evolution der Landtiere in Eurasien entscheidend beeinflusst haben.
Im Laufe der Erdgeschichte hat die Kontinentaldrift die Erdoberfläche immer wieder verändert –Gebirge türmten sich, Landmassen zerfielen und Meere taten sich auf und verschwanden wieder. So verursachte die Nordwanderung der Afrikanischen Erdplatte nicht nur die Hebung der Alpen, sie engte vor rund zwölf Millionen Jahren auch das Becken des Tethysmeeres so weit ein, dass sein Nordteil, die Paratethys, vom Restozean abgeschnitten wurde.
Vom Meer zum Mega-See
Durch die Trennung der Paratethys vom Ozean sank der Salzgehalt ihres Wassers und es entstand ein riesiger See, der sich vom Ostrand der Alpen bis ins Gebiet des heutigen Kasachstan erstreckte. Die enormen Wasserfläche bedeckte weite Teile des Kaukasusgebiets und Zentralasiens. „Die Paratethys hatte eine Fläche von mehr als 2,8 Millionen Quadratkilometern – etwas größer als das heutige Mittelmeer“, berichten Dan Valentin Palcu von der Universität Utrecht und seine Kollegen.
Das Wasservolumen der Paratethys umfasste mehr als 1,77 Millionen Kubikkilometer – das ist zehnmal mehr bei allen heutigen Binnengewässer zusammen. „Die Paratethys war größer als jeder andere Mega-See in der Erdgeschichte“, so die Forschenden. In diesem See entwickelte sich eine einzigartige Lebenswelt darunter auch nur dort vorkommende Krebsarten, Mollusken und Zwergwale. Doch heute ist die Paratethys bis auf wenige Reste verschwunden. Überbleibsel des einstigen Mega-Sees sind Schwarze Meer, das Kaspische Meer und der Ohridsee auf dem Balkan.
Vier Schrumpfungsphasen
Wie und wann die Paratethys verschwand und welche Folgen dies hatte, haben nun Palcu und seine Kollegen näher untersucht. Dafür werteten sie neben Fossilien und geologischen Daten aus verschiedenen Bereichen des einstigen Mega-Sees auch Bohrkerne vom Nordende des Schwarzen Meeres aus. „Dieses Gebiet ist der einzige bekannte Ort, an dem das Sediment ein durchgehendes Zeugnis der hydrologischen Krisen der Paratethys im Miozän bildet“, erklärt das Team.
Die Auswertung dieser Daten erlaubte es den Forschenden, den Niedergang des einst größten Sees der Erde im Detail zu rekonstruieren. Demnach durchlebte die Paratethys vor ihrem Ende vier jeweils mehrere hunderttausend Jahre andauernde Perioden der Austrocknung – die erste vor rund 9,75 Millionen Jahren, die letzte vor rund 7,65 Millionen Jahren. In diesen Regressionsphasen sank der Wasserspiegel des Mega-Sees jeweils um 100 bis 250 Meter und die Seefläche schrumpfte um bis zu 70 Prozent, wie Palcu und sein Team ermittelten.
Biologische Krise für die Seebewohner
Für die Lebenswelt des Mega-Sees war diese Schrumpfungshase eine ökologische Katastrophe: Weite Teile ihres Lebensraums fielen trocken und nur noch vier tiefere Becken blieben wassergefüllt, darunter auch die Senken des heutigen Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres. „Viele Faunengruppen verschwanden und die endemische Tierwelt wurde stark reduziert – für die aquatische Lebenswelt war dies eine signifikante biologische Krise“, erklärt das Forschungsteam.
Verschärft wurde diese Krise dadurch, dass der sinkende Pegel die einzelnen Becken der Paratethys voneinander isolierte. Durch klimatische Unterschiede veränderte sich dabei der Salzgehalt in den einzelnen Restbecken auf unterschiedliche Weise: Während das Pannonische und Dacische Becken im Westen und das Kaspische Becken im Osten leicht brackiges Süßwasser behielten, stieg der Salzgehalt im Schwarzmeer-Becken von 12 bis 14 Promille auf 28 bis 32 Promille an.
Steppenbrücke zwischen Zentralasien und Europa
Tiefgreifende Veränderungen gab es auch in den umgebenden Landregionen: Die während der Trockenphasen vom Wasser freigelegten Flächen boten einen ganz neuen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Denn anders als in den umgebenden Regionen waren diese Flächen wegen des häufigen Wechsels von Überflutung und Trockenfallen nur gering bewaldet. „Dies ließ im späten Miozän einen Steppengürtel entstehen, der sich entlang des 34. Breitengrades über 3.000 Kilometer erstreckte – von Mitteleuropa bis nach Zentralasien“, berichten Palcu und seine Kollegen.
Damit eröffnete sich für die Tierwelt des Miozäns nicht nur die Chance, neue Biotope zu besiedeln. Dieser Steppengürtel bildete auch eine ökologische Brücke für die Wanderung vieler Tierarten. „Die Öffnung des Waldsteppengürtels und die Bildung von Landbrücken während der Regressionsphasen eröffnete den Säugetierpopulationen der offenen Landschaften Zentralasiens neue Verbreitungswege nach Europa“, erklären die Forschenden.
Das Ende der Paratethys
Vor rund 6,9 Millionen Jahren kündigte sich dann das endgültige Ende des Mega-Sees an. Während sich die Paratethys von den vier vorübergehenden Regressionen immer wieder erholt hatte, veränderte sich nun das Klima erneut. Zudem sorgte die anhaltende Plattentektonik dafür, dass sich Landflächen zwischen den Seebecken hoben und diese so immer stärker voneinander abtrennten.
Etwa um die gleiche Zeit öffnete sich ein neuer Abfluss der Paratethys: Im Südwesten des Mega-Sees senkte sich durch die Erosion das trennende Land leicht ab und eröffnet so einen Durchlass zum Mittelmeer. Als Folge lief ein Teil des Paratethys-Wassers dorthin ab und senkte den Pegel erneut. In Folge dieser Entwicklungen blieben größere Wasserflächen nur noch in den tiefsten Becken des einstigen Mega-Sees erhalten – dem Schwarzen Meer und Kaspischen Meer. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-91001-z)
Quelle: Scientific Reports