Explosion am Himmel: Vor gut zehn Jahren zerbarst ein rund 20 Meter großer Asteroid über der russischen Stadt Tscheljabinsk, rund 1.200 Menschen wurden verletzt. Jetzt ist es US-Forschern erstmals gelungen, das Auseinanderbrechen des Meteors in dreidimensionalem Detail zu rekonstruieren. Ihre Modellierung enthüllt, dass der Brocken in mehreren Stufen zerbrach und auch, warum die Trümmer relativ weit streuten. Die Erkenntnisse helfen dabei, die Folgen solcher Ereignisse besser vorherzusagen.
Am Morgen des 15. Februar 2013 weckten ein lauter Knall und gleißendes Licht die Menschen in der russischen Tscheljabinsk-Region. Ein rund 20 Meter großer Meteor explodierte in der Luft und setzte dabei die Energie von 100 bis 500 Kilotonnen TNT frei. Die Druckwelle beschädigte Gebäude, Gesteinstrümmer regneten auf die Stadt und Umgebung hinab und verletzten hunderte von Menschen. Das Ereignis war eine der schwerwiegendsten Explosionen eines Meteors in den letzten hundert Jahren.
Wie zerbricht ein Meteor?
Doch Tscheljabinsk ist kein Einzelfall: Im Laufe der Erdgeschichte hat es schon oft Asteroiden gegeben, die nicht bis zur Erdoberfläche stabil blieben, sondern aufgrund ihrer geringen Größe oder einer hohen Porosität noch in der Atmosphäre zerplatzten – die Beispiele reichen von prähistorischen Airbursts bis zum berühmten Tunguska-Ereignis von 1908. Und auch in der Zukunft wird es weitere solcher Ereignisse geben. Umso wichtiger ist es, genau zu verstehen, warum und wie solche Asteroiden in der Luft explodieren und welche Faktoren die Heftigkeit der Explosion beeinflussen.
Deshalb hat ein Team um Jason Pearl vom Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) die letzten Jahre damit verbracht, eine detaillierte dreidimensionale Simulation der Vorgänge bei der Tscheljabinsk-Explosion zu erstellen. Ihre auf fluiddynamischen Modellen basierende Rekonstruktion fußt auf den aus Trümmerbrocken gewonnenen Erkenntnissen zum Material des Tscheljabinsk-Meteors und den Daten zu seiner Flugbahn und Geschwindigkeit.
Erst Risse, dann Trümmerbrocken und dann das Zerbersten
Die Simulation enthüllte: Ein solcher Meteor zerbirst in mehreren Stufen. Zunächst wird er durch die enormen Kräfte in Flugrichtung komprimiert, wodurch die Spannungen im Gestein stark ansteigen. Es entstehen Risse, die sich von der Rückseite des Brockens nach vorne ausbreiteten. An der Vorderseite des Meteors bildet sich dann eine Art Bug aus größeren Fragmenten, die vorübergehend den schon stark beschädigten Rest des Brockens abschirmen.
Erst rund 30 Kilometer über der Erdoberfläche zerfällt dieser temporäre Trümmerschild und der restliche Brocken wird nun vom vollen Gegenstrom der Atmosphäre getroffen. „Das führt dazu, dass plötzlich sehr viel mehr Material der überschallschnellen Wechselwirkung mit der Luft ausgesetzt ist“, erklärt Mike Owen vom LLNL. „Plötzlich wird es sehr viel heißer, die Belastung des Materials steigt und dadurch bricht alles noch schneller auseinander – es ist wie ein kaskadierender Prozess.“
Der Brocken wird dadurch in viele Trümmerteile zerrissen, die teilweise senkrecht zur Flugrichtung ausgeschleudert werden. Diese Trümmerwolke wird vom Luftwiderstand rapide abgebremst und weiter in noch kleinere Fragmente zerrissen.
Monolithischer Block statt „Geröllhaufen“
Aus den Simulationen geht auch hervor, dass der Tscheljabinsk-Meteor nicht sonderlich porös oder gar ein nur lose zusammengehaltener „Geröllhaufen“ war. Stattdessen spricht der Abgleich von Beobachtungen und Simulation dafür, dass es sich um einen massiven Steinbrocken handelte. „Viele kleinere Asteroiden sind nur lose gebundenen Ansammlungen von Weltraumgeröll, umso interessanter ist es, das Verhalten eines solchen Monolithen zu untersuchen“, sagt Pearl.
Die in dieser und ähnlichen Simulationen gesammelten Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die möglichen Folgen künftiger Meteor-Explosionen besser abschätzen zu können. „Airbursts von Asteroiden sind zwar nicht sehr häufig, aber wir sollten sie nicht als Science-Fiction abtun“, sagt Owens. Umso wichtiger sei es daher, im Falle einer drohenden Meteor-Explosion möglichst genau zu wissen, wie schwerwiegend die Folgen ausfallen und wie groß das betroffenen Gebiet sein wird.
„Unsere Fähigkeiten, auch kleinere Asteroiden zu entdecken, haben sich in den letzten Jahren verbessert“, sagt Cody Raskin vom LLNL. „Wenn wir einen solchen Asteroiden entdecken, können wir unser Modell laufen lassen und das Risiko wie auf einer Hurrikankarte darstellen. Darauf basierend können die Behörden dann entsprechende Maßnahmen initiieren.“ Wichtig ist dies beispielsweise, um dann die betroffenen Gebiete evakuieren zu können.
Quelle: Lawrence Livermore National Laboratory