Für Charles Darwin war das plötzliche Erscheinen der Blütenpflanzen vor rund 130 Millionen Jahren ein unbegreifliches Rätsel, etwas, das nur die zukünftige Wissenschaft vielleicht lösen könne. Jetzt ist ein Forscher dieser Lösung einen Schritt näher gekommen. Er hat herausgefunden, wie die ersten Blumen aussahen und wie sie sich aus nicht blühenden Pflanzen entwickelt haben. Seine Studie ist in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) erschienen.
Die Blüte ist eine der Schlüsselinnovationen der Evolution. Sie ist für eine wahre Explosion der Entwicklung verantwortlich, die im Laufe der Zeit mindestens 400.000 verschiedene Blütenpflanzenarten hervorbrachte. Bevor die Angiospermen – so ihr wissenschaftlicher Name – entstanden, wurde die Pflanzenwelt von den Gymnospermen, der Verwandtschaftsgruppe unserer Nadelbäume dominiert. Sie besitzen Zapfen statt Blüten, zu dieser 360 Millionen Jahre alten Gruppe gehören neben Nadelbäumen auch Sagopalmen und Ginkgos.
Aber wie kam es, dass sich vor rund 130 Millionen Jahren dieses Bild plötzlich änderte und die blühenden Pflanzen ihren unaufhaltbaren Siegeszug antraten? Genau das haben nun Forscher der Universität von Florida untersucht. „Es gab nichts Vergleichbares vor ihnen und nichts seither“, erklärt Andre Chanderbali, Wissenschaftler am Florida Museum of Natural History und Hauptautor der aktuellen Studie. „Der Ursprung der ersten Blüte ist der Schlüssel zum Ursprung der gesamten Blütenpflanzen.“
Suche nach Schaltern in Avocado und Ackerschmalwand
Ziel des Projekts war es, herauszufinden, welche genetischen Schalter im ursprünglichen Regulationprogramm umgelegt worden waren, um die erste Blüte, den Urahn aller heute existierenden Angiospermen, hervorzubringen. Die Wissenschaftler verglichen dafür die genetische Struktur von zwei extrem unterschiedlichen Blütenpflanzen, der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, einer unscheinbaren kleinen Blume, und dem Avocadobaum Persea americana, der zu der ältesten Stammlinie der Blütenpflanzen gehört. Die Frage war: Gab es zwischen diesen beiden Unterschiede in dem für die Blüte zuständigen Steuerungskreis?
Besonders der Avocadobaum erwies sich als wertvolle Fundgrube: „Wir fanden heraus, dass die Blüten von Persea ein genetisches Fossil sind“, so Chanderbali. „Sie tragen noch immer die genetischen Instruktionen in sich, die einst die Transformation von Zapfen in Blüten steuerten.“ Während höher entwickelte Angiospermen vier Blütenorgane besitzen, die weiblichen Fruchtblätter, die männlichen Staubblätter, Blütenblätter und die meist grünen Kelchblätter, sind es bei einfacheren Formen wie der Avocado nur drei: Frucht- und Staubblätter und blütenblattähnliche Tepalen.
Genetische Grenzen verschwimmen in der Vergangenheit
Normalerweise wird die Ausbildung dieser Blütenorgane durch jeweils getrennte genetische Instruktionen gesteuert. Doch zum Erstaunen der Forscher war dies bei der Avocado nicht der Fall, hier überlappten sich die Konstruktionsanweisungen. Möglicherweise hatte es bei der Evolution der allerersten Blütenpflanze aus dem Gymnospermen-Vorfahr sogar nur eine genetische Information gegeben, aus der sich die drei „neuen“ Organe bildeten.
„Obwohl die Organe sich letztlich zu drei unterschiedlichen Dingen entwickeln, teilen sie aus genetischer Sicht offenbar weitaus mehr miteinander, als man annehmen würde”, so der Wissenschaftler. „Wenn man in der Zeit zurückgeht, verschwimmen die Grenzen zwischen ihnen immer weiter.“ Noch wissen die Forscher nicht genau, aus welchen Gymnospermen sich die Blütenpflanzen entwickelten, aber frühere Studien deuteten bereits darauf hin, dass dafür möglicherweise nur ein bestimmtes genetisches Programm der „Urnadelträger“ verändert worden ist.
Schritt zur Blüte durch Veränderung nur einer Bauanleitung?
So sind beispielsweise Kiefernzapfen bis heute entweder weiblich oder männlich – im Gegensatz zu Blüten, die beide Geschlechter in sich tragen. Doch trotz der Geschlechtertrennung enthält auch der männliche Kiefernzapfen schon fast alles an genetischer Verschaltung, das für eine Blüte notwendig wäre.
Zusammen mit den neuen Erkenntnissen aus der Avocado-Vergleichsstudie weist daher alles darauf hin, dass auch die vier heute so vielfältig abgewandelten und genetisch inzwischen streng getrennten Blütenorgane der Angiospermen einst durch das Umschreiben nur einer genetischen Bauanleitung entstanden sein könnten. Erst im weiteren Verlauf des evolutionären Selektionsprozesses entwickelte sich dann daraus die heute herrschende Vielfalt.
(University of Florida, 20.05.2009 – NPO)