Ein Originalskelett des Urvogels Archaeopteryx steht im Mittelpunkt einer Sonderausstellung im Frankfurter Senckenberg Naturmuseum. Der weltweit zehnte Urvogel-Fund sowie Repliken und Fotografien der neun weiteren Urvogelfunde können dort noch bis Ende März 2007 besichtigt werden. Auch im Museum für Naturkunde Berlin kann Archaeopteryx im Original ab Sommer nächsten Jahres bewundert werden. Rätselhaft bleibt allerdings nach wie vor, wie gut der Urvogel tatsächlich fliegen konnte.
Archaeopteryx gehört zweifellos zu den populärsten und bekanntesten Fossilien. Lange Zeit galt er als evolutionäres Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln, da er sowohl Federn sowie einen vogeltypischen „Wunschknochen“ als auch reptilientypische Merkmale wie einen langen Knochenschwanz, Krallen und Zähne besaß. Doch nicht zuletzt durch zahlreiche neue Funde befiederter zweibeiniger Raub- Dinosaurier aus der Gruppe der Theropoden hat der Urvogel neuerdings einen anderen Stellenwert bekommen. Ähnlichkeiten im Skelettbau weisen darauf hin, dass er zu den theropoden Dinosauriern zu zählen ist, von denen auch alle heutigen Vögel abstammen.
Weltweit konnten bislang nur zehn Exemplare des Urvogels gefunden werden. Im Naturkundemuseum Senckenberg ist nun eines dieser wertvollen Fossilien als Leihgabe des Wyoming Dinosaur Centers in den Vereinigten Staaten zu sehen. Ab dem Sommer 2007 wird auch im Museum für Naturkunde Berlin ein weiterer fossiler Archaeopteryx in einer Hochsicherheitsvitrine ausgestellt. Die Besucher dieser Ausstellungen können sich dann die wissenschaftlich heftig umstrittene Frage stellen, wie gut Archaeopteryx denn nun tatsächlich fliegen konnte.
Wärmeisolation oder Gleitflug
Denn der Urvogel war mit zwei Flügeln und zusätzlichen Federn an den Hinterbeinen ausgestattet. Damit ähnelte Archaeopteryx den heutigen Raubvögeln, bei denen die Beinfedern vor allem bei der Wärmeisolation und beim Bremsvermögen eine Rolle spielen. Derzeit diskutieren jedoch Wissenschaftler heftig darüber, welche Funktion diese Federn nun tatsächlich hatten. Angestoßen wurde die aktuelle Debatte durch den Paläontologen Nick Longrich von der Universität Calgary, Kanada, der in der Fachzeitschrift „Paleobiology“ die Beinfedern als Flugfedern interpretiert hatte.
Der Paläontologe stellt die Vermutung an, dass Archaeopteryx ein Gleitsegler war, der an Bäumen hochkletterte und von dort aus startete. Damit hätte der Urvogel sich ähnlich wie ein modernes Flughörnchen fortbewegt. Neben den Hauptflügeln hätten die hinteren Flugfedern insbesondere eine Stabilisierungsfunktion beim Gleiten durch die Luft gehabt. Diese „tree-down“ Hypothese widerspricht jedoch der häufig vertretenen „ground-up“-Theorie, nach der sich die Flugfähigkeit der Vögel nach und nach aus dem schnellen Laufen heraus entwickelt haben könnte.
Federn doch nicht zum Fliegen?
Für Verwirrung hatte bereits im Jahr 2004 eine wissenschaftliche Untersuchung über den vierflügligen Dinosaurier Microraptor aus China gesorgt. Denn Per Christiansen und Niels Bonde hatten die kleinen Beinfedern des Dinosauriers analysiert, die ähnlich wie beim Archaeopteryx symmetrisch an den Hinterbeinen angeordnet sind. Nach Bonde & Christiansen erlaubte der Erhaltungszustand der Federn allerdings nicht die sichere Schlussfolgerung, dass die Körperfedern den Konturfedern der heutigen Vögel ähneln. Vielmehr könnten die Federn an den Beinen einfache Konturfedern mit offenen Fahnen und ohne Häkchen gewesen sein, die nicht zum Fliegen geeignet waren.
Doch welche der beiden widerstreitenden Meinungen über die Flugfähigkeit von Archaeopteryx & Co. sich auch immer durchsetzen wird, eines steht bereits heute fest: der Urvogel besaß nicht vier, wie häufig berichtet, sondern lediglich zwei Flügel mit zusätzlichen Federn an den Hinterbeinen. Wer sich hiervon persönlich überzeugen möchte, kann noch bis März 2007 eines der Archaeopterxy-Originale im Frankfurter Senckenberg Naturmuseum bewundern.
Sonderausstellung
„Der 10. Urvogel – Es begann mit einer Feder“
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt am Main
Telefon: 069/7542-0
Internet: Senckenberg Naturmuseum
Öffnungszeiten
Täglich 9 – 17 Uhr
Mittwoch bis 20 Uhr
Samstag, Sonntag
u. Feiertage bis 18 Uhr
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum; Humboldt-Universität zu Berlin, 27.12.2006 – AHE)