Unsichtbare Gefahr für die Meereswelt: Neue weltweite Vergleichsmessungen zeigen, wie weit die Ozeanversauerung in den letzten 40 Jahren fortgeschritten ist. Demnach hat der pH-Wert der Weltmeere seit 1982 um 0,07 Punkte abgenommen, der Gehalt des für Meerestiere wichtigen Carbonats Aragonit um zehn Prozent. Treiber der Entwicklung sind vor allem die steigenden CO2-Werte der Atmosphäre, aber auch die Erwärmung der Ozeane, wie die Forschenden berichten. In interaktiven Streifengrafiken machen sie diese Trends nun deutlich.
Die physikalische Basis dafür ist schon seit langem bekannt: Wenn der Kohlendioxidgehalt der Luft ansteigt, löst sich mehr CO2 im Wasser der Ozeane. Als Folge entsteht Kohlensäure und macht das Meerwasser saurer. Gleichzeitig reagiert ein Teil des CO2 mit den im Wasser gelösten Carbonatverbindungen wie Aragonit und führt dazu, dass deren Gehalt im Wasser abnimmt. Meerestiere wie Korallen, Muscheln und Schnecken benötigen diese Carbonate jedoch, um ihre Schalen und Stützgerüste zu bilden.
In den letzten Jahren haben Studien im Labor und in einigen Meeresgebieten zwar bereits gezeigt, dass die Schalen von Muscheln und Meeresschnecken zunehmend dünner werden und Korallen schlechter wachsen. Unklar war jedoch bisher, wie stark die Ozeanversauerung zugenommen hat und wie schnell sie fortschreitet.
Mehr Säure, weniger Aragonit
„Dass die Ozeane CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und versauern, gilt zwar als erwiesen. Doch eine weltweite Zunahme wurde bisher nur unzureichend durch Beobachtungen bestätigt“, erklärt Erstautorin Danling Ma von der ETH Zürich. Sie und ihr Team haben dies nun auf Basis eines aktuellen globalen Datensatz und Vergleichsdaten aus der Zeit von 1982 bis 2021 untersucht.
„Unsere Ergebnisse bestätigen, dass pH-Wert und Aragonit-Sättigung im gesamten globalen Ozean gesunken sind und dass diese Trends hauptsächlich durch den Anstieg von gelöstem anorganischen Kohlenstoff aus der Atmosphäre bedingt sind“, berichtet Ma. Konkret stellte das Team fest, dass die Aragonit-Gehalte in den Meeren seit 1982 um im Schnitt zehn Prozent gesunken sind. Der pH-Wert hat sich im globalen Durchschnitt um 0,071 Punkte verringert, das entspricht einer 18-prozentigen Zunahme des Säuregrades.
Die Daten belegen auch, dass die Ozeanversauerung voranschreitet: Im Schnitt der 40 Jahre liegt die Rate der Aragonitabnahme bei 0,071 pro Jahrzehnt, die des pH-Werts bei -0,016 pro Dekade, wie das Team berichtet.
Große regionale Unterschiede
Beim Ausmaß der Versauerung gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Ozeangebieten: „Beim Aragonit sind der tropische und subtropische Pazifik am stärksten betroffen, dort liegt die Rate, mit der das Aragonit abnimmt, im Schnitt um 50 Prozent höher als im globalen Mittel“, berichten Ma und ihre Kollegen. Im Gegensatz dazu sinkt der Aragonitgehalt im Nordpazifik und Nordatlantik nur halb so schnell wie im globalen Durchschnitt.
Ähnliche regionale Unterschiede gibt es auch bei der Entwicklung des pH-Werts im Meerwasser. Am stärksten sinkt er im Südozean und in den hohen Breiten des Nordatlantik und Nordpazifik. Dort erhöht sich dadurch der Säuregrad des Wassers um rund 15 Prozent schneller als anderswo, wie die Forschenden ermittelten. In den subtropischen Strömungswirbeln der großen Ozeane sinkt der pH-Wert dagegen um rund 25 Prozent langsamer als im globalen Schnitt.
CO2-Emissionen und Erwärmung als Treiber
Als Hauptursache der weltweiten Ozeanversauerung identifizierten Ma und ihr Team die steigenden CO2-Werte der Atmosphäre. „Der Großteil des beobachteten Trends wird durch den Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre angetrieben, was die Erwartungen bestätigt“, so die Forschenden. „Die Entwicklung ist demnach eindeutig menschlichen Aktivitäten zuzuschreiben, konkret den anthropogenen Emissionen von CO2 durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und Landnutzungsänderungen.“
Doch dies ist nicht die einzige Ursache: „Versteckt hinter der dominanten Rolle des Kohlenstoffs gibt es auch substanzielle und relevante Beiträge anderer Treiber“, berichten Ma und ihr Team. So trägt die Erwärmung der Ozeane im Schnitt zu rund 15 Prozent zu ihrer Versauerung bei. Dies zeige sich insbesondere dann, wenn ein El Niño die Meerestemperaturen im Pazifik in die Höhe treibt, so die Forschenden. Auch Verlagerungen des natürlich gelösten CO2 innerhalb der Meere und Wasserschichten beeinflussen die pH- und Aragonitwerte, wenn auch in deutlich geringerem Maße.
Interaktive Streifengrafik zeigt Zustand
Um die zunehmende Versauerung der Meere und die sinkenden Aragonitgehalte auch für Laien zu verdeutlichen, haben Ma und ihre Kollegen eine interaktive Visualisierung ins Internet gestellt. Die „OceanAcidificationStripes“ zeigen, wie sich die Versauerung der Meere global und in 60 verschiedenen Regionen in den letzten vierzig Jahren entwickelt hat. Die Streifendarstellung ist dabei bewusst an die „Klimastreifen“ angelehnt, die die Klimaentwicklung in verschiedenen Regionen und auch die Ozeantemperaturen interaktiv sichtbar machen.
„Wir möchten damit die Ozeanversauerung besser sichtbar machen und das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Versauerung neben der atmosphärischen Erwärmung eine weitere Hauptfolge der anthropogenen CO2-Emission ist“, erklärt Gruber. (Global Biogeochemical Cycles, 2023; doi: 10.1029/2023GB007765)
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)