Biologie

Wie überlebt Krill den Winter in der Antarktis?

Zweimonatige Expedition mit Forschungsschiff Polarstern erforscht Krill unter dem Eis

Krilllarve, fotografiert während der Polarsternexpedition in der winterlichen Antarktis. © Jerome Maison, Alfred-Wegener-Institut

Wie überleben Krill-Krebse den antarktischen Winter, wenn es im Wasser scheinbar kaum Nahrung gibt? Jeden Winter bildet das Meereis rund um die Antarktis eine feste Oberfläche von rund 19 Millionen Quadratkilometer, fast der doppelten Größe der USA. Der Forschungseisbrecher Polarstern ist eines der wenigen Schiffe weltweit, das auch im Winter in diese Region vordringen kann – und so in der Lage ist, den Krill im Winterquartier aufzuspüren.

Der Antarktische Krill ist eine garnelenähnliche Krebsart und spielt eine Schlüsselrolle im gesamten antarktischen Ökosystem. Er bildet die Nahrungsgrundlage für Pinguine, Robben und Wale. „Der Krill hat zusammengenommen vermutlich die höchste Biomasse aller wildlebenden Tiere auf der Welt“, sagt Bettina Meyer vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Die Krebse ernähren sich von Algen im Wasser, die jedoch Licht zum Wachsen benötigen. Der antarktische Winter, insbesondere unter der Eisdecke, ist jedoch dunkel. Wovon lebt der Krill also in den dunklen Monaten?

Um den Krill unter dem antarktischen Meereis zu erforschen, hat Expeditionsleiterin Meyer ein internationales Expertenteam zusammengestellt. Es besteht neben AWI-Kollegen aus Forschern aus Australien, Südafrika und der Türkei. Für zwei Monate war das Team mit der Polarstern im antarktischen Weddellmeer unterwegs. Während dieser Zeit hat die Polarstern zweimal für etwa zehn Tage an einer großen Eisscholle im Packeis festgemacht. Dort errichteten die Forscher Tauchcamps, von denen aus sowohl Forschungstaucher als auch ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug für Messungen und Videoaufnahmen unter das Eis tauchten.

Meereis bietet Schutz und Nahrung

Eingeschlossene Algen färben das Meereis, das wiederum das Licht bricht und filtert. Die Taucher entdeckten Schwärme jungen Krills vor allem tagsüber dort, wo Ÿübereinander geschobene Eisstücke Höhlen und Spalten bilden. © Jerome Maison, Alfred-Wegener-Institut

„Wir konnten sehen, dass das Eis von unten sehr komplex sein kann. Unter dem Eis gibt es nicht den einen Lebensraum, sondern eine Vielzahl von Mikrohabitaten, so strukturreich wie ein umgedrehtes Riff“, erläutert Ulrich Freier vom AWI, Leiter der achtköpfigen wissenschaftlichen Tauchgruppe. „Das Licht, das durch den Schnee und das Eis dringt, reicht aus, um diesem Lebensraum die Atmosphäre einer gotischen Kathedrale zu verleihen, wunderschöne Blau- und Grüntöne des Ozeans verbinden sich mit dem Weiß des Eises, in das fleckenhaft Braun und Gelbtöne eingebettet sind.“

Diese Farben entstehen durch Algen, die im Eis eingeschlossen sind und auch dort wachsen. Die Lichtverhältnisse im Spätwinter reichen offenbar bereits aus, um das Algenwachstum zu ermöglichen. Von diesen Algen wiederum können die Krill-Krebse leben, das Meereis dient ihnen als Vorratskammer. Die Forscher konnten Krilllarven und jungen Krill in großen Schwärmen beobachten, die sich tagsüber zum Fressen eng an das Eis hielten.

Taucher konnten beim Winterexperiment mit der Polarstern riesige Schwärme antarktischen Krills unter dem Meereis beobachten. Die Tiere hielten sich tagsüber am häufigsten in der Nähe von Höhlen und Spalten unter dem Meereis auf. © Ulrich Freier, Alfred-Wegener-Institut

An einigen Stellen erreichte der Krillnachwuchs eine Dichte von 10.000 Tieren pro Quadratmeter. „Die Verteilung der Tiere ist sehr unregelmäßig. Die Tiere scheinen die Höhlen und Terrassen zu bevorzugen, die durch überlagerte Eisschollen gebildet werden. Sie bieten geschützte Regionen, in denen die Larven fressen können“, sagt AWI-Biologin Meyer.

Tag und Nacht mit innerer Uhr?

Während der Nacht verließen die Tiere die Eisunterseite und hielten sich in den obersten 20 Metern der Wassersäule auf. Möglicherweise schützen sie sich so vor Fraßfeinden, die im Dunkeln an die Oberfläche kommen. „Wir konnten erstmals solche tageszeitlichen Wanderungen junger Stadien des Krills beobachten“, erläutert Chronobiologe Mathias Teschke. Diese Wanderungen deuten auf eine innere Uhr der Larven hin. Weitere Aufschlüsse soll die genetische Analyse von Larven bringen, die Teschke zu diesem Zweck eingefroren ins Bremerhavener AWI-Labor bringen wird.

Die Ergebnisse der Expedition bestätigen die Bedeutung von Meereis für den Lebenszyklus des Krills. Laut Meyer könnte neben der Größe der Eisfläche auch entscheidend sein, wann sie sich bildet. Demnach ist der Krill auf früh im Jahr wachsendes Meereis angewiesen. Die darin eingeschlossene hohe Menge an Algen und anderer Biomasse dient als Nahrung. Außerdem bilden sich dort die vom Krill bevorzugten Höhlen.

Komplexe Wechselwirkungen

Bei der Prognose der Effekte des Klimawandels im Ökosystem Antarktis müssen die Forscher solche komplexen Wechselwirkungen berücksichtigen. Das Krillvorkommen hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Hoffnung bringt die Tatsache, dass die Meereisfläche im September 2013 so groß war wie noch nie in den letzten 30 Jahren. Die weitere Entwicklung um Zuge der globalen Erwärmung ist jedoch noch unklar.

Die im chilenischen Punta Arenas gestartete Expedition endete am 16. Oktober an der Spitze Südafrikas. Die Polarstern wird nach insgesamt viereinhalb Monaten in der winterlichen Antarktis jetzt zu routinemäßigen Wartungs – und Reparaturarbeiten in Kapstadt in die Werft gehen. Am 9. November soll planmäßig die Sommersaison mit einer fünfwöchigen Expedition in den Südatlantik beginnen. Ihren Heimathafen Bremerhaven läuft die Polarstern im April 2014 nach eineinhalb Jahren auf der Südhalbkugel wieder an.

(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 16.10.2013 – AKR)

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