Können Sie sich die Erde ohne Magnetfeld vorstellen? Nein? Das ist verständlich, denn unter anderem schützt uns das Magnetfeld der Erde vor den energiereichen Teilchen des Sonnenwinds. Jetzt haben Wissenschaftler durch die clevere Kombination von Computermodellen und einem Experiment festgestellt, wie wenig Energie dieser Schutzschild benötigt. Die Idee dazu hatten Prof. Ulrich Christensen vom Max-Planck Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau und Prof. Andreas Tilgner vom Institut für Geophysik in Göttingen.
„Der Geodynamo, der unser Erdmagnetfeld erzeugt, verbraucht nur 200.000 bis 500.000 Megawatt. Er könnte also von einigen hundert großen Kraftwerken versorgt werden“, sagt Prof. Christensen. Bis jetzt lagen die Schätzungen drei- bis zehnmal so hoch.
Spule, Magnetfeld und Strom
Im Physikunterreicht haben wir fast alle einmal mit Eisenstab, Kupferspule und Strom ein Magnetfeld erzeugt. Induziert, wie es so schön im Wissenschafts-Jargon heißt. Auf viel größerem Niveau, aber nach demselben Prinzip erzeugt die Erde ihr Magnetfeld.
„Wenn ein elektrisch leitendes Material durch ein Magnetfeld bewegt wird, induziert dies in dem leitenden Material einen Strom. Umgekehrt erzeugt jeder fließende Strom selbst wieder ein Magnetfeld“, erklärt Prof. Christensen.
Die Erde als Kochtopf
Ähnliches passiert im Inneren der Erde. Bei den dort herrschenden Temperaturen ist das Eisen des äußeren Kerns flüssig. Der innere Erdkern hingegen ist fest, obwohl er etwa 1.000 °C heißer ist als der äußere Kern. Auf dem inneren Kern lastet aber so großer Druck, dass das Eisen nicht schmelzen kann. Der extrem heiße Erdkern wirkt auf das flüssige Eisen des äußeren Kerns wie eine Herdplatte auf das Wasser in einem Kochtopf: Es erhitzt sich zuerst am Boden des Topfes, steigt dann auf und kühlt sich etwas ab. Daraufhin sinkt es an den Seiten wieder zum Boden des Topfes. Dabei entstehen im Wasser Wirbel und Turbulenzen. „Das Eisen im äußeren Kern ist vermutlich ungefähr so flüssig wie Wasser. Daher nehmen wir an, dass sich dort ebenfalls Turbulenzen bilden“, sagt Prof. Christensen. Bei einem Topf mit der Größe der Erde kein Wunder.
Wie zäh fließt Eisen?
Die Bewegungen des flüssigen Eisens rufen das Magnetfeld der Erde hervor. Moderne Computermodelle können Stärke, zeitliche Veränderung und großräumige Struktur des Erd-Magnetfeldes gut nachbilden. Wenn es allerdings darum geht, den Energiebedarf auszurechnen, gibt es ein Problem. Denn: die Rechen-Modelle lassen sich nur handhaben, wenn man die Zähigkeit des Eisens erhöht, um die Turbulenzen auszuschalten. „Die Modelle rechnen so, als wäre das Eisen so zäh wie Butter aus dem Kühlschrank“, erläutert Christensen. „Wir wollten jetzt wissen, ob damit sozusagen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde, wenn es um den Energieverbrauch geht.“ Um raus zu finden, wie wichtig die Turbulenzen für den Energieverbrauch sind, haben die Forscher die Ergebnisse des so genannten Karlsruher Dynamoexperiments mit modernen Computersimulationen verknüpft. Bei diesem Experiment hatten Forscher aus Röhren einen Dynamo gebaut, bei dem flüssiges Natrium die Rolle des Eisens übernommen hat. In den Röhren entstanden zwar viele Turbulenzen, aber der Energieverbrauch passte gut mit den Computermodellen zusammen. „Daher wissen wir, dass die Turbulenzen keine große Rolle spielen und wir die Computermodelle nutzen können, um den Energieverbrauch des Geodynamos zu bestimmen“, freut sich Christensen.
Erdkern älter als gedacht
Das heißt, dass das Alter des festen Erdkerns jetzt überdacht werden muss. Denn dieser geringe Energieverbrauch lässt sich durch die Wärme, abdecken, die der feste Erdkern langsam abgibt. Der feste Erdkern wächst durch diese Abkühlung stetig weiter. Denn: immer mehr Eisen wird zu kalt wird, um bei dem hohen Druck noch flüssig zu bleiben. Die Energiemenge, die der feste Erdkern bisher abgegeben hat, hätte nach bisherigen Berechnungen den Geodynamo nur für ca. eine Milliarde Jahre betreiben können. Also nahmen Forscher an, dass der feste Kern auch nicht älter sei. Doch die neuen Berechnungen zeigen, dass der feste Kern mit drei Milliarden Jahren doch fast so alt ist wie die Erde. Dies passt auch besser zu Daten, die andere Wissenschaftler aus magnetischen Gesteinen gewonnen haben.
Weitere Infos:
(Max-Planck-Institut für Aeronomie, Katlenburg-Lindau / Institut für Geophysik der Universität Göttingen, 24.05.2004 – Kirsten Achenbach – DFG-Forschungszentrum Ozeanränder)