Biologie

Winkerkrabben-Männchen sind Hochstapler

Nachwachsende Ersatzschere täuscht Kampfkraft nur vor, ist aber Attrappe

Männchen der Winkerkrabbe Uca mjoebergi © Tanya Detto

Betrügen und Tricksen sind im Tierreich offenbar weitaus verbreiteter als angenommen. Jetzt haben Biologen auch die Männchen der Winkerkrabbe einer Hochstapelei überführt: Wenn sie ihre Winkerschere verlieren, lassen sie sich eine neue wachsen, sparen dabei aber an Material. Die Ersatzschere ist damit kaum mehr als eine Attrappe, täuscht aber große Kampfkraft vor, wie australische Forscher jetzt in der Fachzeitschrift „Functional Ecology“ berichten.

Die Signale, die Tiere einander über ihre Kampfkraft senden – und die Ehrlichkeit dieser Signale – ist ein seit langem untersuchtes Gebiet in der evolutionären Biologie. Jetzt haben Forscher ein weiteres, ideales Untersuchungsobjekt ausgemacht: Winkerkrabben. Eine Schere der nur zwei Zentimeter großen Krebsmännchen ist massiv vergrößert. Mit ihr werden Weibchen angelockt und Rivalen bedroht.

Materialeinsparung bei Ersatzschere

Wenn die Winkerkrabben im Kampf eine dieser Scheren verlieren, ist dies nicht ihr Ende, sie können sich eine neue wachsen lassen. Diese allerdings ist eine Sparversion: Sie ist zwar genauso groß wie die alte Schere, aber viel dünner, leichter und ohne scharfe Zähnchen. „Das wirklich Spannende an diesen ‘billigen’ Scheren ist, dass andere Männchen sie nicht von den echten unterscheiden können“, erklärt Simon Lailvaux von der Universität von New South Wales, Hauptautor der Studie. „Männchen taxieren einander vor dem Kampf und das Zeigen der großen Schere ist ein wichtiger Teil dieses Prozesses.“

Lailvaux und Kollegen von der Australischen Nationaluniversität maßen in ihren Versuchen sowohl die Größe der Schere als auch zwei Aspekte der Kampfkraft: Scherenstärke und die Fähigkeit, sich nicht aus einem Tunnel ziehen zu lassen. Es zeigte sich, dass die Originalschere in ihrer Größe ziemlich genau mit der Kraft des jeweiligen Männchens korreliert: je größer die Schere, desto stärker war auch die Krabbe und desto mehr Widerstand leistete sie gegen eine Kraft, die sie aus ihrem Versteck ziehen wollte.

Stärke und Stabilität nur vorgetäuscht

Anders jedoch bei den „Ersatzscheren“: Sie sehen zwar imposant aus, taugen im Einsatz jedoch nicht viel. „Das bedeutet, dass Originalscheren einem Männchen einen guten Hinweis darüber geben, wie kampfstark sein Rivale ist, regenerierte Scheren jedoch enthüllen keinerlei Information über die wahre Stärke“, erklärt Lailvaux. „Männchen mit nachgewachsenen Scheren können daher Kampfkraft vortäuschen, sie bluffen wie in einem Pokerspiel.“

Allein das martialische Aussehen der falschen Scheren überzeugt Rivalen davon, sich lieber nicht mit diesem vermeintlich stärkeren Gegner anzulegen. Allerdings funktioniert dieser Bluff dummerweise nicht, wenn die Männchen ein Territorium besitzen und verteidigen müssen. Denn dann können sie sich ihre Gegner nicht aussuchen, sie sind gezwungen mit jedem zu kämpfen, der sie herausfordert. „Und früher oder später wird dann jemand kommen, der ihren Bluff entlarvt“, so Lailvaux.

Einblick in grundsätzliche Mechanismen des Verhaltens

Die Studie gibt damit einen weiteren Einblick in das nur schwer zu erforschende Gebiet der „Unehrlichkeit“ im Tierreich. Nur selten ist ein System so offensichtlich und auch leicht zu testen wie bei der Winkerkrabbe. Ein Verstehen der Mechanismen und Konsequenzen der Täuschungsmanöver ist aber eine der Voraussetzungen, um die komplexen Interaktionen und Faktoren zu kennen, die das Leben eines Tieres bestimmen.

„Indem wir untersuchen, wie Tiere genau kämpfen und welche physiologischen und schauspielerischen Fähigkeiten den Männchen einen Sieg ermöglichen, kommen wir der Identifizierung der Merkmale näher, die allgemein wichtig sind für den Rivalenkampf der Männchen“, so Lailvaux. Kämpfen ist in Bezug auf Energie und Zeit sehr teuer, daher ist es im Interesse eines Individuums, Verletzungen in einem Kampf zu vermeiden.

„Einer der Gründe, warum sich unserer Ansicht nach dieses Imponiergehabe entwickelt hat ist, weil die Tiere einen diplomatische Weg brauchen, um Konflikte zu lösen“, so Lailvaux. „Anstatt jeden Konflikt mit jedem Männchen, das vorbeikommt kämpfend auszutragen, bietet dies einen Weg im Vorhinein abzuschätzen, welche Rivalen sie im Kampf besiegen können und welchen gegenüber sie verlieren. Das erlaubt es ihnen, entsprechend zu planen.“

(British Ecological Society (BES), 12.11.2008 – NPO)

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