Zoologie

Wölfe sind Gewinner des Ostblock-Zusammenbruchs

Politischer Umbruch hat großen Einfluss auf Wildtierbestände

Der eurasische Wolf breitet sich wieder aus. © Jan Nijendijk (CC BY-SA 3.0)

Drastische Veränderungen: Viele Wildtierbestände sind nach dem Ende der Sowjetunion stark eingebrochen. Einzig der Wolf hat davon profitiert, seine Zahlen nahmen deutlich zu, wie ein internationales Forscherteam berichtet. Die meisten Arten erholten sich zwar seither von dem Zusammenbruch, das gilt aber nicht für alle. Die Wissenschaftler betonen darum im Magazin „Conservation Biology“, wie wichtig der Tierschutz auch in politisch unruhigen Zeiten sei.

In Europa breiten sich Raubtiere wie Wolf, Luchs und Bär in den letzten Jahren wieder aus, in vielen europäischen Ländern gibt es wieder stabile Populationen dieser Tiere. Auch nach Deutschland kehren sie zurück. Viele davon, besonders Wölfe und Elche, wandern von Osten her ein, aus Polen bis hin nach Russland.

Aber an den dortigen Wildtierbeständen sind das Ende der Sowjetunion im Jahr 1991 und der folgende Wandel nicht spurlos vorrübergegangen. Wie genau sich ein solcher politischer Umbruch auf verschiedene Tierarten auswirkt, war bislang jedoch weitestgehend unerforscht. Die Bestände an großen Wildtieren vor und nach dem Ende der Sowjetunion haben Wissenschaftler um Tobias Kümmerle von der Humboldt-Universität zu Berlin darum nun genauer untersucht.

Spuren im Schnee

Für ihre Studie hatten die Forscher Zugang zu umfassenden Datensätzen, denn in der Sowjetunion wurden jeden Winter großflächig die Bestandszahlen erhoben. Dazu dienten Spuren im Schnee auf über 50.000 bekannten Routen der Tiere. Dieses Monitoring-System bestand auch nach 1991 weiter. „Dies ist ein wirklich einzigartiger Datensatz, der es uns erlaubte, die Situation vor und nach der Wende zu vergleichen“, sagt der Biogeograf Kümmerle.

Genauer unter die Lupe nahmen die Forscher die Populationen von Braunbär, Elch, Luchs, Reh, Rothirsch, Rentier sowie Wildschwein und Wolf. Die Spuren im Schnee zeichneten ein deutliches Bild über die Auswirkungen der politischen Umwälzung: Der Bestand von sieben der acht untersuchten Arten ist im Jahr 1991 unmitttelbar zurückgegangen, obwohl die Zahlen in den 1980er Jahren noch gewachsen waren.

Wildscheine verlieren, Wölfe gewinnen

So sank bis 1995 beispielsweise der Bestand des Braunbären um mehr als ein Fünftel, der von Wildschweinen sogar um mehr als die Hälfte. „Da die 1990er Jahre in Russland von zunehmender Armut, wenig staatlicher Kontrolle und Einschnitten in den Ausgaben für den Naturschutz gekennzeichnet waren, gehen wir davon aus, dass Überjagung und auch Wilderei unsere Ergebnisse erklären“, begründet Kümmerle.

Eurasischer Luchs im Nationalpark Bayerischer Wald, Deutschland © Martin Mecnarowski, www.photomecan.eu / (CC BY-SA 3.0)

Eine Ausnahme aber bildet der Wolf: Als einzige der untersuchten Arten ist seine Population in dieser Zeit um 150 Prozent angestiegen. Auch dafür gibt es einen konkreten Grund: „Wölfe wurden während der Sowjetzeit verfolgt, ihre Bejagung und die dazugehörige Prämie nach 1991 aber eingestellt“, erklärt Kümmerle. Im Gegensatz zu den anderen Tierarten konnte sich die Population der Wölfe so trotz der politischen Umwälzung erholen. „Der Wolf kann in diesem Kontext als der Gewinner der Wende bezeichnet werden.“

Schutzbestimmungen auch in Zeiten des Umbruchs

Für die meisten der anderen sieben Arten blieb die Lage jedoch nicht so schlecht: In der Zeit nach dem Jahr 2000 erholten sichfast alle untersuchten Populationen wieder, in vielen Fällen auf oder über das Niveau der 1980er Jahre. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass im Zuge der politischen Wende große Acker- und Weideflächen stillgelegt wurden und ein Großteil der Landbevölkerung in die Städte zog, vermuten die Wissenschaftler. Dadurch machten die Menschen den Wildtieren weniger Lebensraum streitig.

Einzig den Luchs traf der Wandel offenbar härter, seine Bestände erholten sich bislang nicht. „Unsere Studie zeigt die drastischen Auswirkungen, die politische Umwälzungen auf den Tierbestand haben können, und unterstreicht, dass spezielle Schutzbestimmungen in Zeiten des Umbruchs mitgedacht werden sollten“, fasst Kümmerle zusammen. (Conservation Biology, 2015; doi: 10.1111/cobi.12450)

(Humboldt-Universität zu Berlin, 26.01.2015 – AKR)

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