Wasserkraft ist für zahlreiche Länder Afrikas die wichtigste Energiequelle. Ihr Potenzial ist auf dem schwarzen Kontinent mit einer Stromleistung von derzeit 20 Gigawatt pro Jahr jedoch nur zu sieben Prozent ausgeschöpft. Bislang hat der Bau von Mega-Staudämmen oft enorme ökologische, wirtschaftliche und soziale Schäden nach sich gezogen. Die Wasserkraft dient momentan vor allem der Industrie und den Städten, nicht aber der Mehrzahl der armen Menschen auf dem Land. Dies berichtet eine neue Studie, die der WWF gemeinsam mit Oxfam und WaterAid veröffentlichte. Anlass war ein Treffen afrikanischer Minister, Wirtschaftsvertreter und Verbände, die gestern in Johannesburg über die Rolle der Wasserkraft in der Energieversorgung des Kontinents beraten haben.
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535 Millionen Afrikaner haben derzeit keinen Zugang zum Strom. Während in Südafrika immerhin 70 Prozent der Menschen ans Netz angeschlossen sind, sind es in Eritrea nur drei Prozent. „Wasser kann zusammen mit anderen erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Afrikas Energieprobleme zu lösen. Die Zukunft liegt jedoch in kleinen, dezentralen Kraftwerken, die vor allem die armen Menschen mit Strom versorgen“, so WWF-Experte Martin Geiger.
Die negativen Folgen von Mega-Staudämmen zeigen sich laut der WWF-Studie zum Beispiel am Sambesi-Fluss in Sambia. Der Kariba-Damm hat die Einnahmen der lokalen Garnelenfischerei um jährlich 10 bis 20 Millionen Dollar reduziert. Eine Entschädigung haben die Fischer nicht bekommen. „Mega-Staudämme gehen oft auf Kosten der Armen“, so Geiger. Aus den zahlreichen Fehlern der Vergangenheit haben Politiker und Planer bislang nichts gelernt. Für den Bau des Merowe-Staudamms werden derzeit im Sudan rund 50.000 Menschen vom fruchtbaren Niltal in die nubische Wüste umgesiedelt, wo Ackerbau und Viehhaltung kaum möglich sind. Alternative Vorschläge der Bürger werden von den Staudammbetreibern und der Regierung bisher ignoriert. Ende letzten Jahres kam es deshalb zu Konflikten zwischen der Bevölkerung und den Konstrukteuren.
Im Kongo wird derzeit das mit einer Leistung von 40.000 Megawatt größte Wasserkraftwerk der Welt geplant, die geschätzten Kosten belaufen sich auf 50 Milliarden Dollar. Der Damm könnte laut WWF die reichen Fischbestände und hohe Artenvielfalt im Kongo-Fluss gefährden. Auch beim geplanten Fomi-Staudamm am Niger im westafrikanischen Guinea werden ökologische Schäden und Einkommensverluste für die flussabwärts lebende Bevölkerung im Nachbarland Mali in Höhe von 35 Millionen Euro erwartet, die nur teilweise kompensiert werden.
Gelungene Modellprojekte für Wasserkraftwerke
Die Studie zeigt aber auch gelungene Modellprojekte für kleine, regionale Wasserkraftwerke auf. So versorgt das von der UN geförderte Kleinkraftwerk Tungu-Kabri in Kenia etwa 1.000 Menschen in einem abgelegenen Landstrich mit Energie. Das Projekt ist nach Angaben des WWF preiswert, nachhaltig und schont die Natur durch die Einsparung weniger sauberer Energieträger wie Kerosin, Diesel oder Holz. Das Potenzial für derartige Projekte ist enorm. Allein in Uganda könnte die Energiegewinnung aus Mini-Kraftwerken von heute 6,8 auf 220 Megawatt gesteigert werden. „Für ein Land wie Uganda, in dem bislang nur jeder dreißigste Bewohner ans Stromnetz angeschlossen ist, bietet die Wasserkraft enorme Zukunftschancen“, betont WWF-Experte Geiger.
Der WWF fordert die afrikanischen Staaten auf, sich beim Bau von Wasserkraftwerken an die Vorgaben der Weltkommission für Staudämme (WCD) zu halten und diese als Grundprinzipien ihrer Energiepolitik zu verankern. Die WCD hat Leitlinien für eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Staudammpolitik entwickelt. Im Mittelpunkt müssen laut WWF der Schutz ökologisch wertvoller und für die Fischerei wichtiger Flussabschnitte, Kompensationszahlungen zum Ausgleich der negativen Folgen von Staudämmen und eine Modernisierung bestehender Kraftwerke stehen, um deren Energieeffizienz zu erhöhen.
(WWF, 07.03.2006 – DLO)