Blick in einen Hotspot: Geologen haben erstmals im Detail ermittelt, woher die heißen Quellen im Yellowstone-Park ihr Wasser bekommen – und damit eine wichtige Lücke geschlossen. Denn bisher war unklar, wie die tiefliegenden Vulkanstrukturen mit den verschiedenen hydrothermalen Phänomenen an der Oberfläche zusammenhängen. Diese unterirdischen Verbindungen haben die Forscher nun aufgedeckt, wie sie in „Nature“ berichten.
Unter den unzähligen heißen Quellen, Geysiren und Gasaustritten des Yellowstone-Parks liegt einer der größten Supervulkane der Erde. In den letzten 20 Millionen Jahren ist er mehr als 140 Mal ausgebrochen und hat bei einigen seiner Mega-Eruptionen halb Nordamerika mit Asche überzogen. Seismische Analysen legen nahe, dass der Vulkan von einem Hotspot gespeist wird und gleich zwei riesige Magmakammern besitzt.
Lücke zwischen Oberfläche und Tiefe
Doch im Wissen über diesen Supervulkan klafft eine große Lücke: Zwar ist über die tiefen tektonischen und geologischen Strukturen des Yellowstone-Vulkans vieles bekannt. Auch die hydrothermalen Quellen, Geysire und Schlammlöcher an der Erdoberfläche sind gut untersucht. Doch was dazwischen liegt und wie beide Aspekte miteinander verbunden sind, ist bisher weitgehend unbekannt.
„Es ist wie bei einem Überraschungs-Sandwich“, erklärt Koautor Steven Holbrook vom Virginia Polytechnic Institute. „Wir wissen durch direkte Beobachtung eine Menge über die Oberflächenphänomene und durch geophysikalische Daten auch einiges über die magmatischen und tektonischen Systeme in einigen Kilometer Tiefe.“ Aber das Leitungssystem, das beides verbindet, sei ein blinder Fleck.
Hubschrauber-Messung durchleuchtet den Untergrund
Doch das hat sich nun geändert. Holbrook, Erstautorin Carol Finn vom US Geological Survey und ihren Kollegen ist es nun erstmals gelungen, das verborgene Leitungssystem des Yellowstone-Parks zu durchleuchten. Möglich wurde dies durch elektromagnetische Messungen vom Hubschrauber aus mithilfe des sogenannte SkyTEM. Dabei zieht der Helikopter eine große Drahtspule hinter sich her, die kontinuierlich elektromagnetische Signale nach unten abgibt.
Diese Messignale dringen in den Untergrund ein und induzieren dort elektrische und magnetische Felder, deren Intensität sich je nach Material unterscheidet. So haben die von hydrothermalen Flüssigkeiten durchströmten Spalten, Schlämme oder porösen Tonschichten eine erhöhte elektrische Leitfähigkeit, aber eine verringerte Magnetisierung. „Diese Kombination ist daher wie ein Fingerabdruck der hydrothermalen Aktivität, der in den Daten sehr deutlich hervortritt“, erklärt Holbrook.
Leitungssystem bis in 700 Meter Tiefe enthüllt
Mithilfe dieser Methode hat das Forschungsteam erstmals das unterirdische Leitungssystem des Yellowstone-Nationalparks durchleuchtet und die Struktur und die Wege der hydrothermalen Flüssigkeit bis in 700 Meter Tiefe sichtbar gemacht. Der breite Messpfad der Hubschrauber-Messungen ermöglichte es zudem, weite Teile des vulkanischen Gebiets abzudecken. „Wir konnten nicht nur tief unter die hydrothermalen Quellen schauen, sondern auch sehen, wie benachbarte Phänomene unter der Oberfläche miteinander verbunden sind“, sagt Holbrook.
Die Aufnahmen enthüllen: Die heißen hydrothermalen Flüssigkeiten steigen zunächst weitgehend senkrecht über Spalten und Schlote aus mehr als einem Kilometer Tiefe nach oben. 300 bis 500 Meter unter der Erdoberfläche stoßen diese Aufströme jedoch auf übereinander liegende Schichten aus alten Lavaströmen und Tuff, die die heißen Flüssigkeiten seitlich ablenken, wie die Messdaten zeigten. Nur dort, wo Lücken zwischen den Lavaschichten oder Risse die Sperrschichten durchlässig machen, dringen sie weiter nach oben.
Gemeinsame Ursprünge, verschiedene Mischungen
Interessant jedoch: Bisher nahmen Geologen an, dass die sauren Sulfatquellen und -geysire auf der Ostseite des Yellowstone-Parks von anderen hydrothermalen Tiefenwässern gespeist werden als die neutralen, chloridhaltigen Quellen im Westen des Vulkangebiets. Doch die elektromagnetischen Messdaten enthüllten, dass das Wasser in beiden Bereichen aus denselben zentralen Aufströmen in der Tiefe des Untergrunds stammt. Alle Quellen und Geysire haben demnach gemeinsame Wurzeln.
Die chemischen Unterschiede der an der Oberfläche austretenden Flüssigkeiten kommen erst zustande, nachdem die Tiefenwässer von den blockierenden Vulkanablagerungen seitlich abgelenkt werden. Im Gewirr der vertikalen Sperrschichten mischt sich dieses Wasser mit Grundwasser, das von verschiedenen Seiten her in das Yellowstone-Gebiets eindringt, wie das Team berichtet. Erst diese Mischung verändert die chemische Zusammensetzung der hydrothermalen Flüssigkeiten und erzeugt die in den heißen Quellen und Geysiren messbaren Unterschiede.
Unterirdische Verbindungen
Umgekehrt enthüllten die Messdaten auch, dass selbst weit auseinander liegende Geysire und Quellen durch die vertikalen Strömungen im flachen Untergrund miteinander in Verbindung stehen können. Solche unterirdischen Leitungen identifizierten die Wissenschaftler selbst unter hydrothermalen Systemen, die knapp zehn Kilometer voneinander entfernt lagen.
„Das könnte auch für die Koevolution der thermophilen Bakterien und Archaeen in diesen Flüssigkeiten Bedeutung haben „, sagt Holbrook. Denn über diese unteririschen Leitungen könnten selbst scheinbar voneinander isolierte Populationen miteinander in Verbindung stehen. „Dass aus der Luft erhobene geophysikalische Daten uns etwas über das Leben von Mikroorganismen in heißen Quellen verraten können, ist faszinierend“, so der Geologe.
Noch haben Finn, Holbrook und ihr Team erst damit begonnen, die reichen Daten ihrer Messkampagne auszuwerten. „Die Menge an Daten ist so riesig, dass wir mit unserer ersten Studie nur an der Oberfläche gekratzt haben“, erklären sie. Sie sind daher gespannt, was die Durchleuchtung des Yellowstone-Untergrunds noch zutage fördern wird. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04379-1)
Quelle: Virginia Tech