Sonnensystem

109.000 neue Mondkrater identifiziert

Lernfähiges KI-System kartiert einen ganzen Schwung zuvor nicht erfasster Krater

MOndkrater
Wo hört ein Krater auf und wo beginnt der nächste? Die Oberfläche des Mondes ist von verschiedensten Kratern übersät – genau das macht ihre Kartierung so schwierig. © NASA

Maschinenhirn als Kraterfinder: Forscher haben 109.000 zuvor unerkannte Mondkrater identifiziert – 15 Mal mehr als bislang erfasst. Die neue Kartierung gelang mithilfe einer künstlichen Intelligenz, die auf das Erkennen von Mondkratern trainiert wurde. Auch für die Kartierung anderer Himmelskörper könnten solche Systeme eine Hilfe sein, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“ erklären.

Die Oberfläche des Mondes ist von Einschlagskratern geradezu übersät, denn wegen der fehlenden Atmosphäre hinterlassen selbst kleinere Meteoriten ihre Spuren im lunaren Regolith. Weil es zudem keine Erosion durch Wind, Wasser oder Vegetation gibt, bleiben die Krater teils Milliarden Jahre erhalten. Sie sind damit wichtige Zeugnisse der Geschichte unseres Sonnensystems und zeigen beispielsweise, wie sich die Einschlagshäufigkeit geändert hat. Aber auch über die Entwicklung des Mondes können seine „Narben“ einiges verraten.

Was die Kartierung so schwer macht

Umso wichtiger wäre es, die Krater des Mondes möglichst vollständig und genau zu kennen. Doch bisher ist nur ein Bruchteil aller lunaren Krater erfasst. So hat die Internationale Astronomische Union (IAU) seit 1919 erst 9.137 lunare Impaktkrater offiziell anerkannt. Das Problem: Die schiere Menge und der Formen- und Größenreichtum der Mondkrater macht es schwer, Aufnahmen der Mondoberfläche automatisiert auszuwerten und zu kartieren.

So können Krater auf dem Mond wenige Meter klein sein, aber auch gewaltige Senken bilden wie das Southpole-Aitken-Becken am lunaren Südpol. Je nach Alter sind sie zudem mal stärker mal weniger stark verändert und von jüngeren Einschlägen überdeckt. Die bisher existierenden Datenbanken der Mondkrater enthalten daher sehr unterschiedliche Angaben zur Gesamtzahl der lunaren Krater. Eine vollständige Kartierung existiert bislang nicht.

Training mit Bildern von Chang’e 1 und 2

Eine mögliche Lösung könnten nun Chen Yang von der Jilin Universität im chinesischen Changchun und ihre Kollegen gefunden haben. Für ihre Studie haben sie eine künstliche Intelligenz auf Basis eines neuronalen Netzwerks darauf trainiert, Mondkrater in Aufnahmen der chinesischen Mondsonden Chang’e 1 und Chang’e 2 zu erkennen.

Für sein Training bekam das KI-System zunächst gut 5.600 Aufnahmen in drei verschiedenen Auflösungen, in denen die bekannte Krater markiert waren. Außerdem erhielt die KI digitale Geländemodelle für die gleichen Gebiete. Auf Basis dieser Daten lernte das KI-System selbstständig, welche Merkmale einen Mondkrater auszeichnen. Für die eigentliche Kartierung bekam das Programm dann weitere Aufnahmen, die es nun eigenständig kartieren sollte.

109.000 neue Krater aufgespürt

Das Ergebnis: Der lernfähige Algorithmus spürte in den Bildern der Mondoberfläche rund 117.200 Krater auf, deren Größe von 0,9 bis 5.323 Kilometer reichte. Von diesen lunaren Kratern waren 109.000 zuvor unkartiert. „Das sind fast 15 Mal mehr Krater, als zuvor identifiziert worden sind“, berichten Yang und ihr Team. „88,14 Prozent von ihnen haben einen Durchmesser kleiner als zehn Kilometer.“

Der Vergleich mit bereits existierenden Datenbanken ergab eine gute Übereinstimmung bei den schon bekannten Kratern und bestätigte den „besseren Blick“ der KI: Bei Kratergrößen zwischen einem und 20 Kilometern lag die neue Kartierung systematisch über den älteren Daten. In einer ergänzenden Analyse gelang es dem lernfähigen System, auch das Alter von knapp 19.000 größeren Kratern aufgrund ihrer Merkmale richtig einzuschätzen.

Auch für Mars, Merkur und Co geeignet

Nach Ansicht der Wissenschaftler eignet sich dieses System demnach dafür, eine neue, umfassendere Datenbank und Kartierung der lunaren Krater vor allem der äquatorialen und mittleren Breiten des Mondes zusammenzustellen. „Das Prinzip könnte auch auf andere Himmelskörper im Sonnensystem angepasst werden wie beispielsweise Mars, Merkur, Venus, Vesta oder Ceres und mehr semantische Information aus den Daten extrahieren als die üblichen manuellen Analysemethoden“, schreiben Yang und ihre Kollegen. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-20215-y)

Quelle: Nature Communications

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