Stellare Zwillinge: In unserer kosmischen Nachbarschaft gibt es 1,3 Millionen Doppelsterne – mindestens. Das enthüllt ein neuer 3D-Atlas der weiten Mehrfach-Sternsysteme im Umkreis von 3.000 Lichtjahren. Die Kartierung zeigt auch, dass die meisten dieser Doppelsterne trotz ihres Abstands Zwillinge im besten „Lebensalter“ sind – das weckt Fragen nach ihrer Entstehung. Aber auch Systeme mit einem oder sogar zwei Weißen Zwergen gibt es.
Schon länger vermuten Astronomen, dass die Mehrheit aller Sterne als Doppelsterne oder sogar Mehrfach-Sternsysteme geboren werden. Auch unsere Sonne besaß wahrscheinlich einst einen oder sogar mehrere Geschwister. Und unsere nächsten stellaren Nachbarn, Alpha und Proxima Centauri, sind ebenfalls Teil eines Mehrfachsystems.
Fahndung nach weiten Sternenpaaren
Wie viele Doppelsterne es in unserer näheren kosmischen Umgebung gibt, haben nun Kareem El-Badry von der University of California in Berkeley und seine Kollegen untersucht. Sie nutzten die Daten des Weltraumteleskops Gaia, um Sterne im Umkreis von rund 3.000 Lichtjahren um die Erde zu durchmustern. Anhand der Sternenbewegungen prüften sie mithilfe einer speziellen Software die Entfernung und mögliche Schwerkraftbindung dieser Sterne.
Der Fokus lag dabei auf Doppelsternen mit relativ weiten Abständen zwischen den Partnern. Denn wenn zwei Sterne einander nah umkreisen, verschmelzen sie im Teleskop zu einem Lichtpunkt und sind nicht mehr trennbar. Liegen dagegen zehn und mehr astronomische Einheiten zwischen ihnen -das entspricht dem zehnfachen Abstand der Erde zur Sonne, dann sind sie im Gaia-Katalog als getrennte Sterne aufgeführt.
1,3 Millionen Doppelsysteme – mindestens
Das Ergebnis ist der bislang umfassendste 3D-Atlas der weiten Doppelsterne in unserer näheren Umgebung. Allein von diesen weiten Systemen gibt es demnach rund 1,3 Millionen im Umkreis von 3.000 Lichtjahren. Zum Vergleich: Der letzte Doppelsternkatalog vor Gaia umfasste gerade einmal 200 mögliche Sternenpaare. „Das ist ein enormer Zuwachs“, so El-Badry.
Der Großteil der aufgespürten Doppelsysteme besteht aus sonnenähnlichen Sternen. „Fast die Hälfte aller sonnenähnliche Sterne haben Partner“, berichtet der Astronom. „Wir haben festgestellt, dass allein ein Viertel dieser Sterne einen Begleiter in mehr als 30 astronomischen Einheiten besitzt – das entspricht der Entfernung zum Pluto.“ Es gibt aber auch Sternenpaare, die bis zu 260.000 astronomische Einheiten auseinander liegen, das entspricht rund 3,26 Lichtjahren.
Sich ähnlich wie eineiige Zwillinge
Interessant dabei: Trotz dieser oft großen Entfernungen sind sich die Partner in diesen Doppelsystemen auffallend ähnlich. Meist haben beide Sterne annähernd die gleiche Masse. „Das ist eine wirklich coole Sache: Doppelsterne sind demnach mit Vorliebe eineiige Zwillinge“, sagt El-Badry. Erstaunlich sei dies vor allem deshalb, weil viele dieser Zwillingspartner hunderte oder tausende astronomische Einheiten voneinander entfernt sind.
„Ihr Abstand ist so groß, dass ihre Massen nach gängigen Sternbildungs-Theorien eigentlich zufällig verteilt sein müssten“, erklärt der Forscher. Denn diese Sterne müssten sich in verschiedenen Zonen ihrer gemeinsamen Entstehungswolke gebildet haben. „Unsere Daten erzählen aber eine ganz andere Geschichte“, so El-Badry.
Nach Ansicht der Astronomen sprechen diese weiten Zwillinge dafür, dass die Partner einst enger beieinander lagen. Sie entstanden gemeinsam an einer Stelle ihrer primordialen Gaswolke, wurden dann aber durch äußeren Einfluss auseinander getrieben. Das kann beispielsweise durch die Schwerkraftturbulenzen anderer, nahe vorbeiwandernder Sterne passieren. Auch unsere Sonne und ihre Geschwister waren wahrscheinlich einst solchen Störeffekten ausgesetzt, wurden von ihnen aber komplett getrennt und verstreut.
Paare mit Weißen Zwergen und Planeten
Interessant auch: Neben den sonnenähnlichen Sternen identifizierten die Astronomen auch rund 16.000 Paare mit einem Weißen Zwerg und 1.400 Paare aus zwei Weißen Zwergen. Diese Sternenreste entstehen, wenn Sterne wie unsere Sonne das Ende ihres Lebenszyklus erreichen und ihre Hülle ausschleudern. Weil die Weißen Zwerge mit gut definierter Rate abkühlen, lässt sich an ihnen das Alter der Doppelsysteme ablesen.
„In unsrem Katalog haben wir auch rund 15 Systeme entdeckt, die aus einem Stern mit Planet und einem Weißen Zwerg bestehen“, berichtet El-Badry. „Einige hundert weitere bestehen aus zwei Sternen, von denen einer mindestens einen Planeten besitzt.“ Für Astronomen sind solche Systeme besonders spannend, weil man an ihnen untersuchen kann, wie die stellaren Wechselwirkungen den Orbit und die Entwicklung eines Planeten beeinflussen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2021; doi: 10.1093/mnras/stab323)
Quelle: University of California Berkeley