Außer Kontrolle: Ein 30 Meter langes und gut 20 Tonnen schweres Stück Weltraumschrott rast zurzeit seinem Absturz entgegen – im Extremfall könnten seine Trümmer bewohntes Gebiet treffen. Wo die Kernstufe der chinesischen Rakete Langer Marsch 5B auftreffen wird, ist noch unklar. Der Absturz könnte sich am Samstag, 08. Mai, ereignen. CZ-5B kreist zurzeit in rund 300 Kilometer Höhe um die Erde, verliert aber schnell an Höhe.
Nicht nur der Erdorbit ist von Weltraumschrott erfüllt, Teile davon regnen auch immer wieder auf die Erde hinab. Während kleine Trümmerteile dabei komplett in der Atmosphäre verglühen, bleiben bei größeren Bauteilen oft Trümmer übrig, die dann auf der Erdoberfläche einschlagen. Deshalb sollen solche Schrottteile möglichst kontrolliert über unbesiedeltem Gebiet oder dem Ozean zum Absturz gebracht werden – eigentlich.
Absturz bewusst in Kauf genommen?
Aber immer wieder kommt es vor, dass orbitaler Schrott unabsichtlich außer Kontrolle gerät – oder dass seine Urheber einen unkontrollierten Absturz bewusst in Kauf nehmen. Vor allem China tut sich hier unrühmlich hervor: Ostern 2018 stürzte die Raumstation Tiangong-1 ab, im Mai 2020 folgte die rund 20 Tonnen schwere Hauptbrennstufe einer Rakete vom Typ Langer Marsch 5B (CZ-5B). China hat bei seinem Raketenprogramm offenkundig keine Maßnahmen getroffen, um den Absturz größerer Teile zu verhindern.
„Bevor die CZ-5B zu fliegen begannen, hat es seit 1990 keine unkontrollierten Wiedereintritte von Objekten größer als zehn Tonnen mehr gegeben“, betont Jonathan McDowell vom Center for Astrophysics in Harvard auf Twitter. Der Absturz der Raketenbrennstufe im Mai 2020 war daher der schwerste unkontrollierte Absturz seit 30 Jahren. Dabei fiel der Hauptteil der Trümmer zwar in den Atlantik, einige Metallteile gingen aber an der Elfenbeinküste nieder und beschädigte Gebäude. „Wir haben großes Glück, dass keiner verletzt wurde“, so McDowell.
Brennstufe im unkontrollierten Sinkflug
Jetzt steht erneut ein Absturz bevor – und wieder ist es die Brennstufe einer Langer-Marsch-5B-Rakete. Die Trägerrakete war am 29. April 2021 von chinesischen Weltraumbahnhof in Hainan gestartet, um das Kernmodul (Tianhe) einer neuen Raumstation in den niedrigen Erdorbit zu bringen. Nachdem dies erfolgt war, trat die 30 Meter lange und rund 21 Tonnen schwere Hauptbrennstufe selbst in eine Umlaufbahn ein. Seither rast das antriebslose Schrottteil um die Erde und sinkt dabei allmählich immer tiefer.
Das Raketenteil CZ-5B fliegt mit knapp 28.000 Kilometern pro Stunde und umkreist die Erde alle 90 Minuten einmal. Die Flugbahn liegt in einem Winkel von 41 Grad zum Äquator, so dass die Raketenstufe ständig zwischen den mittleren Breiten der Nord- und Südhalbkugel hin und herpendelt. Das hohe Tempo und diese pendelnde Flugbahn machen es besonders schwer vorherzusagen, wann und wo genau das Trümmerteil in die Atmosphäre eintreten und abstürzen wird.
Absturztermin um den 8. Mai, Ort noch unbekannt
Nach aktuellem Stand könnte die Raketenstufe am 8. Mai abstürzen (Update). Der Absturzort ist unsicher: Schon wenige Minuten Unterschied entscheiden darüber, ob das Schrotteil über dicht besiedeltem Gebiet wie der Ostküste der USA, Europa oder Südostasien niedergeht oder über dem Ozean. Näheres wird man daher wahrscheinlich erst einige Stunden vorher wissen.
Nach Angaben von McDowell ist die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes über dem Meer aber sehr wahrscheinlich – immerhin nehmen Ozean den größten Teil der Planetenoberfläche ein. Sollte das Raketenteil aber über Land niedergehen, könnten die Menge der nicht verglühten Trümmerreste denen eines kleinen Flugzeugs entsprechen. Allerdings wären diese Metallteile dann über mehr als 100 Kilometer verteilt.
Auftakt zum Bau einer modularen Raumstation
Der jüngste Start der Langen Marsch 5B ist nur einer von insgesamt elf geplanten Flügen, die weitere Bauteile der chinesische Raumstation in den Orbit bringen sollen. Ein Teil der Flüge wird bemannt erfolgen, mindestens zwei weitere werden jedoch Raketen vom Typ CZ-5B einsetzen. Ob China dann auch deren Hauptbrennstufen wieder unkontrolliert abstürzen lassen wird, bleibt abzuwarten.
Wenn die chinesische Raumstation Tiangong Ende 2022 fertig ist, soll sie rund 80 Tonnen wiegen. Sie wird damit deutlich kleiner sein als die gut 400 Tonnen schwere Internationale Raumstation ISS und eher der russischen Raumstation Mir ähneln.
Quelle: SpaceNews, Twitter, orbit.ing-now, NASA