Physik

3 Body Problem: Doch nicht rein chaotisch?

Astrophysiker finden "Inseln der Ordnung" im chaotischen Dreikörperproblem

3 Body Problem
Die Schwerkraft-Interaktion von drei Himmelskörpern ist eines der berühmtesten unlösbaren Probleme der Mathematik und Physik. © Rhetos/ gemeinfrei (CC0)

Überraschung beim Dreikörperproblem: Die Interaktion dreier Himmelskörper galt bisher als rein chaotisch und nur statistisch vorhersagbar. Doch das ist offenbar ein Irrtum: Es gibt „Inseln der Ordnung“und sogar fraktale Muster im berühmten „3 Body Problem“, wie nun astrophysikalische Simulationen enthüllen. In rund 37 Prozent der Fälle resultiert das Zusammentreffen dreier etwa gleichschwerer Körper demnach in einem auf Basis der Ausgangsbedingungen vorhersagbaren Ende, wie das Team berichtet. Was bedeutet dies für die Astrophysik?

Das berühmte Dreikörperproblem ist seit der Netflix-Serie „3 Body Problem“ und der ihr zugrundeliegenden „Trisolaris“-Buchreihe von Cixin Liu vielen ein Begriff. Dahinter verbirgt sich ein physikalisches Problem, das schon Gelehrten wie Johannes Kepler und Issac Newton Kopfzerbrechen bereitete. Denn wie sie und viele weitere Forscher feststellten, lässt sich die von der Gravitation bestimmte Interaktion dreier Himmelskörper nicht in ein geordnetes Schema bringen – sie ist chaotisch.

Chaotische Bahnen
Chaotische Bahnen von drei Körpern mit ungefähr gleicher Masse und keinem Anfangsimpuls. © Dnttllthmmnm/ CC-by-sa 4.0

Das Problem der Dreier-Interaktion

„Das Dreikörperproblem ist eines der berühmtesten unlösbaren Probleme der Mathematik und theoretischen Physik“, erklärt Erstautor Alessandro Trani von der Universität Kopenhagen. „Die Theorie besagt, dass sich das Verhalten dreier Objekte nach ihrem Zusammentreffen chaotisch entwickelt – ohne Ordnung und völlig unabhängig von den Ausgangsbedingungen.“ Aus diesem Grund lässt sich das „3 Body Problem“ nicht mit einer Formel lösen, sondern nur durch die numerische Berechnung von Wahrscheinlichkeiten.

Hinzu kommt, dass ein solches System – beispielsweise von drei etwa gleichschweren Sternen – zwischen zwei Zuständen wechseln kann, wie Trani und seine Kollegen erklären. Im ersten Fall interagieren alle drei Objekte und umkreisen einander in sich ständig verändernden Bahnen. Im zweiten bildet sich eine vorübergehende Hierarchie aus einem sich umkreisenden Sternenpaar, das den dritten Partner in einen weiten, exzentrischen Orbit zwingt. Dieser Zustand ist jedoch meist nicht stabil und endet entweder wieder im ersten Zustand oder mit dem Ausschleudern des dritten Sterns. Ob und wann dies passiert, lässt sich aber ebenfalls nicht in ein Schema bringen – so jedenfalls dachte man bisher.

Millionen Varianten simuliert

Doch Trani und sein Team haben nun Überraschendes entdeckt: Es gibt offenbar doch Inseln der Ordnung im Chaos des Dreikörperproblems. Herausgefunden haben sie dies, als sie das Verhalten von drei Körpern in einem speziell entwickelten Computerprogramm nachvollzogen. Ausgangspunkt waren zwei einander im Abstand von 15 astronomischen Einheiten umkreisende Sterne, zu denen ein dritter, anfangs rund 100 Einheiten entfernter Stern stößt. In Millionen Simulationen variierten die Astrophysiker dabei Winkel, Tempo und Massen der drei Objekte.

Das Resultat dieser Millionen Durchläufe ist eine Grafik, in der Farben die verschiedenen Schicksale der drei Körper und den Zeitpunkt des Ausschleuderns des dritten Partners widerspiegeln. „Wenn das Dreikörperproblem vollständig chaotisch ist, müsste diese Grafik eine chaotische Mischung verschiedenfarbiger Punkte ohne erkennbares Muster zeigen“, erklärt Trani. Das ist jedoch nicht der Fall.

Inseln der Ordnung
Millionen Simulationen verschiedener Varianten des Dreikörperproblems ergeben keinen rein chaotischen Pixelteppich – es gibt vier große Inseln der Ordnung (schwarz). Die Farbtöne stehen für unterschiedliche Lebensdauern der Dreiersysteme. © Alessandro Alberto Trani

Es gibt Inseln der Vorhersagbarkeit

Stattdessen zeigen sich vier große Zonen einheitlicher Färbung – Ausgangsbedingungen, die zu einem vorhersagbaren Ende führen. „Unser Millionen Simulationen demonstrieren, dass es Lücken im Chaos gibt – Inseln der Regelmäßigkeit, die direkt von der Position, dem Winkel und der Geschwindigkeit der drei Objekte bei ihrem Zusammentreffen abhängen“, berichtet Trani. „In diesen Inseln im Meer des Chaos verhält sich das System vorhersagbar und führt zu gleichen Endresultaten – daher haben diese Inseln in der Grafik eine einheitliche Farbe.“

In den meisten Fällen entstehen diese Inseln der Vorhersagbarkeit, weil direkt nach dem Zusammentreffen einer der drei Sterne wieder ausgeschleudert wird – das System geht die chaotische Dreier-Wechselwirkung gar nicht erst ein, wie die Astrophysiker erklären. In sehr wenigen Fällen entwickeln die drei Körper auch stabile Orbits. Im Schnitt machten die „Inseln der Ordnung“ zusammen rund 37 Prozent aller untersuchten Kombinationen von Ausgangsvariablen aus. Die Simulationen ergaben zudem, dass der Anteil der vorhersagbaren Verläufe mit der Masse der drei Körper steigt.

Fraktale Muster
Außerhalb der „Inseln der Ordnung“ (schwarz) zeigen sich Bereiche mit fraktalem Streifenmuster beim Dreikörperproblem. © Trani et al. / Astronomy and Astrophysics, CC-by 4.0

Fraktale Muster im Chaos

Und nicht nur das: Neben den unerwarteten Inseln der Ordnung entdeckten die Astrophysiker auch fraktale Muster im Dreikörperproblem. Beim Reinzoomen in die scheinbar chaotischen Bereiche der Simulationsergebnisse zeigte sich an einigen Stellen ein regelmäßiges Streifenmuster. Das Muster dieser Streifen wiederholte sich auch bei weiterem Hineinzoomen immer wieder. Es entsteht durch Ausgangsbedingungen, bei denen winzige Abweichungen wahlweise zu stabilen oder zu sofort zerfallenden Dreiersystemen führen, wie das Team berichtet.

„Die selbstähnliche Natur dieser regelmäßigen Strukturen beim Hineinzoomen ist eine Manifestation der fraktalen Natur dieses Chaos“, schreiben Trani und seine Kollegen. Dabei sei das Dreikörperproblem multifraktal, denn verschiedene Zoom-Ebenen und Regionen zeigen unterschiedliche fraktale Dimensionen.

Auswirkungen für Astrophysik…

Was aber bedeutet dies für das Dreikörperproblem und seine Anwendung beispielsweise in der Astronomie? Nach Ansicht der Forschenden zeigen ihre Ergebnisse, dass die gängigen statistischen Methoden die Vorhersagen astrophysikalischer Systeme verfälschen können, weil sie gut ein Drittel der Fälle – die Inseln der Ordnung – nicht erfassen. „Das verfälscht die statistischen Wahrscheinlichkeits-Berechnungen und kann zu fehlerhaften Vorhersagen führen“, sagt Trani.

Ein konkretes Beispiel sehen die Astrophysiker in der Verschmelzung stellarer Schwarzer Löcher. Diese entstehen meist aus Doppelsternsystemen, bei denen beide Partner in Supernovae explodiert und zu Schwarzen Löchern geworden sind. Doch was ist mit Dreifachsternsystemen? Die Präsenz eines Dritten im Bunde macht eine solche Kollision zu einem Dreikörperproblem – und dann wird die Frage, ob die drei Objekte chaotisch oder vorhersagbar miteinander interagieren, relevant.

…und Gravitationswellen-Astronomie

„Schwarze-Loch-Paare, die auf eine geordnete Dreier-Interaktion zurückgehen, zeigen signifikant kürzere Verschmelzungsdauern als solche aus chaotischen Interaktionen, wegen ihrer höheren Exzentrizität“, erklären Trani und seine Kollegen. Die gängigen, von rein chaotischen Systemen ausgehenden Berechnungen des Dreikörperproblems unterschätzen daher die Verschmelzungs-Effizienz von solchen Paaren aus Dreikörper-Interaktionen.

„Wenn wir solche Dreier-Interaktionen verstehen, ist dies der Schlüssel zum Verständnis von Phänomen wie Gravitationswellen, der Gravitation selbst und vielen anderen grundlegenden Geheimnissen des Universums“, sagt Trani. (Astronomy and Astrophysics, 2024; doi: 10.1051/0004-6361/202449862)

Quelle: Astronomy and Astrophysics, University of Copenhagen

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