Planetenjagd mit Turbo: In Daten des Kepler-Weltraumteleskops haben Astronomen mindestens 80 neue Planeten-Kandidaten identifiziert – und das in Rekordzeit. Denn statt wie bisher Monate dauerte das Aufspüren der Exoplaneten dank neuer Algorithmen nur noch wenigen Wochen. Das Spannende daran: Eine so schnelle Identifizierung vielversprechender Kandidaten ermöglicht die Nachverfolgung durch erdbasierte Teleskope, bevor der Stern aus unserem Gesichtsfeld verschwindet.
Die Suche nach neuen Exoplaneten ist ein mühsames Geschäft – auch und gerade mit leistungsfähigen Teleskopen wie dem Kepler-Weltraumteleskop oder der gerade gestarteten Nachfolgemission Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS). Denn sie durchmustern große Himmelsgebiete auf der Suche nach Lichtschwankungen, die den Transit eines Planeten vor seinem Stern anzeigen könnten. Um jedoch diese Signaturen zu identifizieren, müssen die Astronomen Unmengen an Rohdaten nach solchen Signalen durchkämmen.
Nur noch Wochen statt Monate
Das Problem: Selbst mithilfe von speziellen Computerprogrammen dauerte die Datenauswertung bisher Monate bis ein Jahr. Nach dieser Zeit aber kann es sein, dass der entsprechende Stern mitsamt seines Planetenkandidaten längst aus dem Gesichtsfeld irdischer Teleskope gewandert ist. Bis diese potenziellen Planeten durch weitere Beobachtungen bestätigt werden können, kann es daher manchmal sogar Jahre dauern.
Das aber hat sich nun geändert: Liang Yu vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen haben eine Technologie entwickelt, die Rohdaten von Platenjäger-Teleskopen schneller und effektiver durchforsten kann als bisher. Erfolgreich angewendet haben sie ihre neuen Algorithmen nun auf die letzten beiden Beobachtungssaisons des Kepler-Teleskops. Bei diesen hatte das hinter der Erde herfliegende Observatorium nach vorn in Flugrichtung geschaut und die Lichtkurven von rund 50.000 Sternen aufgezeichnet.
80 neue Kandidaten
Innerhalb weniger Wochen gelang es den Astronomen, aus diesen Daten rund 1.000 vielversprechende Lichtkurven herauszufiltern. Unter diesen wiederum identifizierten sie mindestens 80 mögliche Exoplaneten. „Auf Basis unserer Erfahrung mit K2-Daten glauben wir, dass die meisten dieser Kandidaten wirklich echte Planeten sind“, sagen die Forscher. „Sie sind nun bereit, durch Beobachtungen oder statisch überprüft zu werden.“
Das Entscheidende daran: Durch die schnelle Identifikation dieser Planetenkandidaten bleibt für eine solche Überprüfung nun noch genügend Zeit. Denn die Sterne, um die diese Planetenkandidaten kreisen, sind noch mehrere Monate lang von der Erde aus sichtbar und können daher von erdbasierten Teleskopen genauer ins Visier genommen werden, wie die Forscher erklären.
„Heißer Uranus“ nur 114 Lichtjahre entfernt
Einer der neuen Planetenkandidaten wurde bereits bestätigt – und dieser Exoplanet ist ein ganz besonderer Fund. Denn sein Mutterstern ist der hellste bei dieser Mission entdeckte – und er ist der Erde relativ nahe, wie die Astronomen berichten. HD 73344 liegt nur rund 114 Lichtjahre von uns entfernt und damit in Reichweite für nähere Untersuchungen mittels erdbasierter Teleskope.
Der Planet umkreist diesen Stern relativ eng mit einer Umlaufzeit von nur 15 Tagen. Anhand der Lichtmenge, die er bei seiner Passage vor dem Stern schluckt, schätzen die Forscher seine Größe auf das 2,5-Fache der Erde und seine Masse auf etwa die zehnfache Erdmasse. „Wir vermuten, dass dieser Planet eine kleinere, heißere Version von Uranus oder Neptun sein könnte“, sagt Ian Crossfield vom MIT. Wegen seiner großen Nähe zum Stern könnte die Temperatur auf der Planetenoberfläche bis zu 1300 Grad betragen – das ist so heiß wie Lava bei einem Vulkanausbruch.
„Wir haben damit einen der spannendsten Planeten der gesamten K2-Mission gefunden – und das viel schneller als jemals zuvor“, sagt Crossfield. Jetzt können andere Teleskope diesen neuen, nahen Exoplaneten näher ins Visier nehmen und mehr über seine Atmosphäre und andere Merkmale herausfinden.
„Generalprobe für TESS“
Wichtig ist die neue, schnellere Datenauswertung vor allem für die im April 2018 gestartete TESS-Mission. Denn dieses Weltraumteleskop wird den nahen Sternenhimmel nach möglichen Planetentransits absuchen. Dabei wechselt TESS alle 30 Tage sein Untersuchungsgebiet und schickt dann den betreffenden Schwung Daten zur Erde. Ab dann aber läuft die Zeit:
„Wenn die TESS-Daten bei uns ankommen, bleiben nur ein paar Monate, bis alle darin durchmusterten Sterne für ein Jahr untergehen, erklärt Crossfield. „Wenn wir aber Planetenkandidaten schnell genug finden, kann jeder sofort damit beginnen, die Sternsysteme näher zu untersuchen. In gewisser Weise ist unsere jetzige Studie daher eine Generalprobe für TESS.“ (The Astronomical Journal, 2018; doi: 10.3847/1538-3881/aac6e6)
(Massachusetts Institute of Technology, 25.06.2018 – NPO)