Astronomie

Abschied vom Weltraumteleskop Gaia

Treibstoffmangel: Astronomische "Entdeckungsmaschine" geht nach elf Jahren in den Ruhebestand

Weltraumteleskop Gaia
Das Weltraumteleskop Gaia hat unsere Milchstraße so genau und umfassend kartiert wie kein anderes vor ihm. © ESA/Gaia/DPAC, ESA/ATG medialab, CC-by-sa 3.0 IGO

Ende einer Erfolgsgeschichte: Das europäische Weltraumteleskop Gaia hat nach elf Jahren im All seinen wissenschaftlichen Betrieb beendet – es war für die Astronomie eines der wichtigsten „Augen“ im All. Gaia kartierte Milliarden Sterne, Quasare und Asteroiden und lieferte entscheidende Einblicke in die Struktur und Geschichte unserer Milchstraße. Doch nun geht der Treibstoff des Teleskops zur Neige, daher bereitet die europäische Weltraumagentur ESA den Transfer von Gaia in einen „Friedhofsorbit“ vor.

Seit Dezember 2013 durchmustert das Gaia-Weltraumteleskop die Milchstraße vom Lagrangepunkt 2 aus – von der Sonne aus gesehen rund 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde. Mit mehreren Teleskopen und Sensoren beobachtete Gaia hunderte kosmischer Objekte pro Sekunde und sammelt Daten über ihre Entfernung, ihr Spektrum und ihre Bewegung. Gaias drei große Datenkataloge haben unzählige neue Erkenntnisse über unsere Galaxie und ihre Phänomene erbracht.

Gaias Errungenschaften
Die Errungenschaften des Gaia-Weltraumteleskops auf einen Blick. © ESA/Gaia/DPAC, Stefan Payne-Wardenaar/ CC-by-sa 3.0 IGO

Bahnbrechende Einblicke in unsere Heimatgalaxie

Auf Basis der Gaia-Daten haben Astronomen den Stammbaum der Milchstraße rekonstruiert, Fälle von Sternendiebstahl und Galaxienklau aufgeklärt und die Radcliffe-Welle entdeckt – ein riesiges, oszillierendes Band von Sternenwiegen und Gaswolken in unserer Galaxie. Dem Teleskop verdanken wir die bisher umfangreichsten und genauesten Karten unserer Heimatgalaxie – erst durch ihre Daten wissen wir, wie die Milchstraße von außen aussieht.

„Selbst grundlegende Annahmen wurden aufgrund dieser Daten revidiert, darunter die Wölbung der Sternenscheibe, die Rotation des zentralen Balkens und die Struktur der Spiralarme“, sagt Stefan Payne-Wardenaar vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Der Gaia-Katalog erlaubt es zudem, die Ursprünge und das Alter der Galaxie sowie ihr künftiges Schicksal zu erforschen. Darüber hinaus hat das Teleskop auch die Bahnen von mehr als 150.000 Asteroiden, 1,3 Milliarden Quasaren und unzähligen anderen kosmischen Objekten kartiert.

Gaias Tank ist fast leer

Doch nach mehr als elf Jahren im All geht nun der Treibstoff des Weltraumteleskops zur Neige. Ihn benötigt sie, um sich punktgenau auf ihre Ziele auszurichten. Deshalb hat die ESA am 15. Januar 2025 den wissenschaftliche Betrieb des Weltraumteleskops beendet. Die nächsten Wochen werden nun für verschiedenen Technologietests genutzt, bevor Gaia dann mit dem letzten verbleibenden Treibstoff in einen Friedhofsorbit um die Sonne manövriert wird. Dieser soll sicherstellen, dass das Teleskop nicht andere Sonden gefährdet. Am 27. März 2025 wird Gaia dann endgültig abgeschaltet.

„Nach elf Jahren im All und dem Überstehen von Mikrometeoriteneinschlägen und Sonnenstürmen hat Gaia nun ihr Datensammeln beendet. Wir feiern diese unglaubliche Mission, die alle unsere Erwartungen übertroffen hat und fast doppelt so lange andauerte wie ursprünglich vorgesehen“, sagt ESA-Wissenschaftsdirektorin Carole Mundell. Gaia wird noch für kommende Generationen ein reiches Erbe hinterlassen.“

Milchstraße
Erst durch Gaia wissen wir, wie unsere Galaxie von außen wirklich aussieht. © ESA/Gaia/DPAC, Stefan Payne-Wardenaar/ CC-by-sa 3.0 IGO

Zwei weitere Datenkataloge kommen „postum“

Zu diesem Erbe gehören auch der zwei weitere Datenkataloge des Teleskops, sie sind die bisher umfangreichsten. Der vierte Datenkatalog wird zurzeit schon vom Gaia-Team vorbereitet und soll im Jahr 2026 veröffentlicht werden. Er wird rund 500 Terabyte an Daten aus den ersten 5,5 Jahren der Mission umfassen. Ein weiterer, fünfter Datenkatalog der vollen 10,5 Jahre soll Ende des Jahrzehnts erscheinen. „Dafür werden wir in den nächsten Monaten wir jeden Tropfen an Daten von Gaia zur Erde herunterladen“, sagt Rocio Guerra vom European Space Astronomy Centre in Madrid.

„Gaia ist die Entdeckungsmaschine des Jahrzehnts – und wird noch lange nachwirken“, sagt Anthony Brown, Leiter des Gaia Data Processing and Analysis Consortium (DPAC). Astronomen erwarten, dass die beiden neuen Datenkataloge noch einmal eine Fülle an neuen Entdeckungen und Erkenntnissen bringen werden – über unsere Milchstraße und darüber hinaus.

Gaia ist jetzt am Himmel sichtbar

Wer ein kleines Teleskop besitzt, kann in den nächsten Wochen einen besonders guten Blick auf das Weltraumteleskop erhaschen. Denn im Rahmen der Technologietests wird es sich drehen und von der Erde aus dadurch mehrere Magnituden heller als zuvor erscheinen. Das macht Gaia für Amateurteleskope sichtbar. „Gaia macht uns damit zum Abschied ein letztes Geschenk und leuchtet unter den Sternen“, sagt Gaia Missionsmanager Uwe Lammers.

Quelle European Space Agency (ESA)

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