Widerspruch zur Theorie: Alte Sterne rotieren schneller als es gängige Modelle vorhersagen, wie nun eine Messung bestätigt. Die stärker werdenden Sternenwinde bremsen solche Sterne demnach weniger stark ab als erwartet. Diese mittels Asteroseismologie gewonnene Erkenntnis stützt frühere Beobachtungen, bei denen die Rotationsmessung solcher „schnellen Alten“ anhand von Sonnenflecken erfolgte. Das bedeutet, dass die bislang vorherrschende Theorie zum Verhalten alter Sterne nun angepasst werden muss.
Wenn Sterne älter werden, verändert sich nicht nur die Zusammensetzung ihres Inneren und ihre Kernfusion, auch äußerlich zeigen sie Veränderungen. Meist klingt ihre Aktivität ab und es entstehen weniger Sonnenflecken und stellare Ausbrüche. Parallel dazu nimmt der Sternenwind allmählich zu. Weil diese Ströme aus geladenen Teilchen mit dem Magnetfeld des Sterns wechselwirken, kommt es zu einem subtilen Bremseffekt: Gängiger Theorie nach verlangsamt sich die Rotation eines Sterns mit seinem Alter stetig.
Diskrepanz zwischen Beobachtung und Theorie
Doch neuere Beobachtungen älterer Sterne passen nicht zu dieser Theorie: Ab einem bestimmten Alter von rund vier Milliarden Jahren scheinen sich diese Sterne schneller zu drehen als sie eigentlich dürften. „Daraus entstand die Hypothese, dass es in einer bestimmten Phase der Sternenentwicklung zu einer Schwächung des magnetischen Bremseffekts kommt“, erklären Oliver Hall von der Europäischen Weltraumorganisation ESA und seine Kollegen.
Allerdings blieb bisher unklar, ob diese Hypothese stimmt oder ob sich doch nur um einen Beobachtungsfehler handelt. Denn normalerweise erfolgt die Rotationsmessung von Sternen anhand ihrer Sonnenflecken: Astronomen messen, wie lange es dauert, bis ein Sonnenfleck nach einer Umdrehung des Sterns wieder seine alte Position erreicht hat. Weil aber Sterne in der zweiten Lebenshälfte meist nur noch wenige Sternenflecken zeigen, konnten solche Messungen bislang erst bei wenigen alten Sternen durchgeführt werden.
Stellare Schwingungen als Rotationsanzeiger
Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Hall und sein Team daher nun die Sternenrotation mit einer alternativen Methode überprüft – der Asteroseismologie. Bei dieser messen Astronomen mithilfe hochauflösender Teleskope winzige Schwingungen der Sternenoberfläche und der unmittelbar darunter liegenden Schichten. Diese entstehen durch die Bewegungen der Plasmaströme im Sterneninneren und verändern sich in Abhängigkeit der inneren Zusammensetzung und der Rotation des Sterns.
Für ihre Studie haben die Astronomen die Schwingungen von 91 Sternen im mittleren und höheren Alter ausgewertet und daraus ihre Rotation ermittelt. Parallel dazu erfassten sie auch die Sonnenflecken und bestimmten die Rotation zur Kontrolle auch darüber. „Diese Daten haben wir dann mit zwei Rotationsmodellen verglichen – einem mit gebremstem Drehimpuls gemäß der traditionellen Theorie und einem, bei dem dieser Bremseffekt abgeschwächt ist“, erklären Hall und seine Kollegen.
Abweichungen bestätigt
Das Ergebnis: Beide Messarten stimmten überein und bestätigten, dass die älteren Sterne schneller rotieren als sie es nach gängiger Theorie dürften. 98,4 Prozent der Sterne passten in ihrer Rotation besser zum Modell mit der geschwächten Bremswirkung als zum alten Standardmodell der Rotationsentwicklung, wie die Astronomen berichten. „Obwohl wir schon seit einiger Zeit vermuten, dass alte Sterne schneller rotieren als es die magnetische Bremstheorie vorhersagt, sind diese asteroseismologischen Daten der bislang überzeugendste Beleg dafür“, sagt Hall.
Warum sich der Bremseffekt jedoch bei Sternen im mittleren Alter abschwächt und was die Ursachen sind, ist bislang unklar. Astrophysiker vermuten, dass Veränderungen im Magnetfeld der älteren Sterne die Ursache sein könnten. Doch worin sie genau bestehen und wie sie die stellare Rotation beeinflussen, muss nun noch erforscht werden
Informationen auch über die Zukunft unserer Sonne
Das Wissen um diese Prozesse könnte auch wertvolle Informationen über die unmittelbare Zukunft unserer Sonne liefern. Denn auch sie kommt allmählich in das Alter, in dem dieser Effekt eintreten könnte. „Unsere Arbeit hilft daher auch einzuschätzen, ob und wie stark die solare Aktivität in Zukunft abnehmen könnte“, erklärt Koautor Guy Davies von der University of Birmingham. „Aber wir haben über die Zukunft unserer Sonne und anderer Sterne noch eine Menge zu lernen.“ (Nature Astronomy, 2021; doi: 10.1038/s41550-021-01335-x)
Quelle: University of Birmingham