Astronomie

„Angebrannter“ Sternenrest rast durch die Milchstraße

Unvollständige Supernova schleuderte Weißen Zwerg aus Doppelsternsystem

SDSSJ1240+6710
Der Weiße Zwerg SDSSJ1240+6710 ist leicht, ungewöhnlich schnell und anders zusammengesetzt als andere Sternenreste seiner Art. Wie kam dies zustande? © University of Warwick/ Mark Garlick

Einzigartiger Fall: Astronomen haben einen Sternenrest entdeckt, der wahrscheinlich durch seine eigene Explosion ins All hinauskatapultiert wurde. Es handelt sich um einen Weißen Zwerg, der mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit und in „falscher“ Richtung durch die Milchstraße rast. Die Forscher vermuten, dass der Sternenrest einst Teil eines Doppelsternsystems war, das durch eine Supernova zerrissen wurde.

Wenn unsere Sonne das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hat, wird sie zum Weißen Zwerg – einem dichten, kleinen Sternenkern, der seine Hüllen ausgeschleudert hat. Denn für eine Supernova reicht ihre Masse nicht aus. Weiße Zwerge bestehen meist aus Kohlenstoff und Sauerstoff, umgeben von einer Hülle aus Helium und Wasserstoff. Typischerweise kühlen sie wegen der gestoppten Kernfusion in ihrem Inneren im Laufe der Zeit immer weiter ab – bis ihr Inneres zu Kristall wird.

Raserstern mit ungewöhnlichen Elementen

Doch jetzt haben Astronomen um Boris Gaensicke von der University of Warwick einen Weißen Zwerg entdeckt, der nicht ins Bild passt. Denn SDSS J1240+671 rast mit der ungewöhnlich hohen relativen Geschwindigkeit von 250 Kilometern pro Sekunde durch die Milchstraße, wie Daten des Gaia-Satelliten der ESA belegen. Dabei bewegt sich der nur 0,41 Sonnenmassen schwere Weiße Zwerg in Gegenrichtung zur Rotation der Galaxie.

Merkwürdig auch: Der Weiße Zwerg besitzt eine für seine geringe Masse sehr ungewöhnliche Elementzusammensetzung. Denn statt Helium und Wasserstoff, wie sonst üblich, zeigen Spektralanalysen nur eine Mischung der Elemente Sauerstoff, Neon, Magnesium und Silizium. Auch Aluminium, Calcium und Natrium sind präsent. Diese schwereren Atome entstehen normalerweise jedoch nur bei einer Supernova – der Explosion eines massereichen Sterns.

Ist es ein „angebrannter“ Sternenrest?

„Dieser Stern ist einzigartig, denn er hat zwar alle Schlüsselmerkmale eines Weißen Zwergs, gleichzeitig aber hat er diese atypisch hohe Geschwindigkeit und Elementhäufigkeiten, die bei seiner geringen Masse keinen Sinn machen“, sagt Gaensicke. Wie der Astronom erklärt, sprechen die Eigenschaften des Weißen Zwergs dafür, dass er eine thermonukleare Explosion erlebt hat – eine Supernova. Aber seine Masse ist dafür eigentlich viel zu gering.

Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz: Vielleicht war dieser Weiße Zwerg früher nicht allein. Denn in Doppelsternsystemen kann es vorkommen, dass Weiße Zwerge ihren Partnern so viel Material absaugen, dass sie schließlich in einer sogenannten Typ-1a-Supernova explodieren. In seltenen Fällen übersteht der Sternenrest diese Explosion in einem quasi „angekohlten“ Zustand. Dies erklärt die schweren Elemente in der Hülle.

Unvollständige Supernova

„Wenn der Weiße Zwerg in einem engen Doppelsystem war und eine thermonukleare Explosion erlebte, könnte dies einen Großteil seiner Masse weggerissen haben“, erklärt Gaensicke. „Das Resultat wäre ein Weißer Zwerg mit geringer Masse, der sehr schnell davonfliegt.“ Nach Schätzung der Astronomen könnte sich dieses explosive Ereignis vor rund 40 Millionen Jahren ereignet haben. Die überstandene Supernova würde auch erklären, warum SDSSJ1240+6710 mit einer Temperatur von rund 20.500 Kelvin deutlich heißer ist als andere Weiße Zwerge.

Allerdings: Solche „angebrannten“ Weißen Zwerge weisen normalerweise auch Elemente der sogenannten Eisengruppe auf – Eisen, Nickel, Chrom und Mangan. Diese Atome entstehen auf dem Höhepunkt der Supernova. Weil diese Elemente bei SDSS J1240+671 nicht nachweisbar sind, vermuten die Astronomen, dass dieser Weiße Zwerg vielleicht nur eine unvollständige Supernova erlebte – eine Explosion, die verfrüht abbrach oder nur Teile des Sterns erfasste.

„Wir müssen feststellen, dass es offenbar ganz unterschiedliche Arten von ‚angebrannten‘ Weißen Zwergen gibt, die eine Supernova überlebt haben“, konstatiert Gaensicke. „Es gibt da draußen einen ganzen Zoo von ihnen.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2020; doi: 10.1093/mnras/staa1761)

Quelle: University of Warwick

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