Astronomie

Antiteilchen-Überschuss bleibt rätselhaft

Zwei verdächtige Pulsare sind unschuldig an überschüssigen Positronen im Erdorbit

Das HAWC-Observatorium in Mexiko mit dem Pico de Orizaba im Hintergrund - Messungen mit diesem Instrument sprechen die Verdächtigen frei. © H. Schoorlemmer/ MPIK

Unschuldig verdächtigt: Seit Jahren rätseln Astronomen, woher die vielen energiereichen Positronen der kosmischen Strahlung stammen. Nun sprechen sie zwei einschlägige Verdächtige frei: Ihren Messungen zufolge kann der Antiteilchen-Überschuss im Erdorbit nicht von zwei nahegelegenen Pulsaren stammen. Denn diese Überreste explodierter Sterne schleudern zwar Positronen ins All. Die Teilchen bewegen sich jedoch zu langsam, um die Erde erreichen zu können.

Unser Planet steht unter Beschuss: Aus allen Richtungen prasseln unablässig Teilchen aus dem Weltall auf die Erde – zumeist handelt es sich dabei um Protonen, Heliumkerne sowie Elektronen und ihre Antimaterie-Gegenstücke, die Positronen. Woher diese sogenannte kosmische Strahlung kommt, ist bisher erst in Teilen geklärt. So scheinen einige der Partikel unter anderem von der Sonne, benachbarten Sternen und auch vom Zentrum der Milchstraße auszugehen.

Rätselhaft ist für Astronomen dagegen bislang der Ursprung zahlreicher Positronen. Diese Teilchen entstehen beispielsweise dann, wenn ein Proton mit einem Photon der kosmischen Hintergrundstrahlung zusammenprallt. Doch es muss noch eine weitere Quelle geben. Denn als Wissenschaftler 2008 die Daten des italienischen Teilchendetektors „Pamela“ auswerteten, zeigte sich: Auf die Erde regnen weitaus mehr Antimateriepartikel, als sich durch Protonenkollisionen erklären lassen.

Pulsare als mögliche Quelle

Woher aber könnten die überschüssigen Teilchen stammen? Die Vermutungen reichen von noch unbekannten Prozessen mit Dunkler Materie bis hin zu nahen, mittelalten Pulsaren als Quellen. Diese sehr schnell rotierenden Überreste explodierter massereicher Sterne schleudern entlang der Achse ihres Magnetfelds energiereiche Teilchen ins All und könnten diese Richtung Erde schicken.

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg hat nun jedoch zwei einschlägige Verdächtige als mögliche Verursacher ausgeschlossen: die beiden Pulsare „Geminga“ und „PSR B0656+14“. Die Physiker hatten diese etwa 800 Lichtjahre von uns entfernt liegenden Überreste von Supernova-Explosionen samt ihrer Umgebung mit dem Gammastrahlen-Observatorium „HAW“ in Mexiko ins Visier genommen.

Weitwinkelbild der Region um die beiden verdächtigten Pulsare im höchstenergetischen Gammalicht © HAWC-Kollaboration

Messungen sprechen Verdächtige frei

Mithilfe dieses Instruments erfassten sie das von den Pulsaren ausgehende höchstenergetische Gammalicht. Dieses Licht entsteht in den Trümmerfeldern der Sternleichen, wenn extrem beschleunigte Teilchen auf niederenergetisches Licht treffen. Wie groß der durch das Gammalicht hell erleuchtete Himmelsbereich ist, hängt davon ab, wie schnell sich die Materie von ihrem kosmischen Beschleuniger entfernt.

Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler abschätzen, wie viele Positronen von den beiden Pulsaren die Erde erreicht haben könnten. Das Ergebnis: „Die mit HAWC gemessenen Gammastrahlen bestätigen, dass aus der Umgebung der beiden Pulsare energiereiche Positronen entkommen, aber unsere Analyse ihrer Ausbreitung zeigt auch klar, dass sie keinen wesentlichen Beitrag zum beobachteten Positronen-Überschuss leisten können“, sagt Rubén López-Coto vom Max-Planck-Institut für Kernphysik.

Hinweis auf Dunkle Materie?

Wie die Forscher berichten, sind die von „Geminga“ und „PSR B0656+14“ ins All geschleuderten Teilchen viel langsamer als erwartet – und können die Erde daher nicht erreichen. Deutet der mysteriöse Antiteilchen-Überschuss womöglich also doch auf Dunkle Materie hin? Nicht unbedingt: Auch wenn die beiden verdächtigen Pulsare unschuldig sind, ist es dem Team zufolge immer noch möglich, dass sich andere Pulsare als Quelle der Positronen entpuppen. Das HAWC wird solche Objekte daher in Zukunft weiter beobachten. (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aan4880)

(Max-Planck-Institut für Kernphysik, 17.11.2017 – DAL)

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