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Raumfahrt

Ariane 6: Gelingt der Jungfernflug?

Heute Abend startet die neue europäische Trägerrakete zu ihren ersten Flug

Ariane 6
Die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 beim Flug in den Orbit (Illustration). © ESA/ D. Ducros

Es ist soweit: Die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 soll heute Abend zu ihrem ersten Flug ins All starten. Nach jahrelangen Verzögerungen und Mehrkosten soll sie nun Europa wieder einen eigenen Zugang zum Orbit bieten – und dies günstiger und leistungsstärker als ihre Vorgängerin Ariane 5. Ihr Jungfernflug erfolgt heute Abend ab 20:00 Uhr. Allerdings: Anders als die Falcon 9 von SpaceX oder andere moderne Trägerraketen ist die Ariane 6 nicht wiederverwendbar – sie könnte daher schon vor ihrem ersten Start veraltet sein, so die Kritik.

Mit der Ariane 5 verfügte Europa jahrzehntelang über eine der zuverlässigsten und leistungsstärksten Schwerlastraketen weltweit. Sie transportierte im Jahr 2002 den Satelliten Envisat in die Erdumlaufbahn, brachte 2004 die Raumsonde Rosetta auf ihren Weg zum Kometen Tschurjumow-Gerassimenko und jüngst die Raumsonde BepiColombo auf ihren Flug zum Merkur. Auch große Weltraumteleskope wie Herschel, Planck oder das James-Webb-Teleskop gelangten mit einer Ariane 5 ins All.

Ariane 6 auf der STartrampe
Die europäische Trägerrakete Ariane 6 auf der Startrampe in Kourou. © ESA/ L. Bourgeon

Doch 2023 endete die Ära der Ariane 5. Ihre Aufgaben soll künftig eine günstigere, noch leistungsstärkere und vielseitiger einsetzbare Trägerrakete übernehmen, die Ariane 6. Zielvorgabe ist es, die bisherigen Startkosten zu halbieren, um mit der wachsenden internationalen Konkurrenz mithalten zu können – allen voran SpaceX mit der Falcon 9 und Falcon Heavy. Bei der Entwicklung der neuen europäischen Schwerlastrakete kam es jedoch immer wieder zu Verzögerungen, eigentlich sollte der Erstflug bereits 2020 erfolgen.

„Ein großer Moment für Europa“

Jetzt ist es soweit: Heute Abend zwischen 20:00 und 24:00 Uhr unserer Zeit soll die Ariane 6 erstmals vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana abheben. Die europäische Weltraumorganisation ESA überträgt den Start und rund zweieinhalbstündigen Jungfernflug live im Netz. „Dies ist ein großer Moment für Europa, denn die Rakete wird unseren garantierten, autonomen Zugang zum Weltraum sicherstellen – mit all den damit verbundenen Möglichkeiten für Wissenschaft, Erdbeobachtung, Technologieentwicklung und Wirtschaft“, so die ESA.

Schon jetzt sind rund 30 Flüge mit der Ariane 6 in Auftrag gegeben, darunter verschiedene Satelliten von europäischen Raumfahrtorganisationen, von der EU und auch Wettersatelliten von EUMETSAT. Auf der Liste stehen zudem Transporte für die Satelliten-Megakonstellation Kuiper des US-Unternehmens Amazon sowie 2026 der Start des ESA-Weltraumteleskops PLATO, das nach erdähnlichen Exoplaneten um sonnenähnliche Sterne suchen soll. Auch die HERA-Mission zum Asteroiden Dimorphos, die die Folgen des Rammtests der DART-Mission untersuchen soll, erfolgt mit der Ariane 6.

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Aufbau der Ariane 6
Aufbau der Ariane 6 in ihren beiden Konfigurationen. © ESA

Der Aufbau der Ariane 6

Beim Jungfernflug wird die Ariane-62 starten, die mit zwei statt der möglichen vier Feststoffraketen ausgerüstet ist. Sie liefern in den ersten 135 Sekunden nach dem Start den Hauptschub und ermöglichen es der Ariane 6, zwischen gut zehn und knapp 22 Tonnen Nutzlast in den niedrigen Erdorbit zu transportieren. In die geostationäre Umlaufbahn und darüber hinaus ist mit allen vier Feststoff-Boostern ein Transport von 11,5 Tonnen Nutzlast möglich. Die gesamte Trägerrakete ist zwischen 56 und 62 Meter hoch, je nach Fracht ist die Nutzlastkapsel 14 oder 20 Meter lang.

Für den Startantrieb der Ariane 6 sorgt neben den Feststoff-Boostern ein Haupttriebwerk, das mit flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff betrieben wird. Nach dem Ausbrennen dieser Hauptstufe rund 460 Sekunden nach dem Start zündet die Raketenoberstufe mit dem Vinci-Triebwerk. Diese ebenfalls mit flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff betriebene Brennstufe bringt die Ariane 6 beim Erstflug im Verlauf von rund 18 Minuten in eine elliptische Umlaufbahn in 300 bis 700 Kilometer Höhe.

Mehrfache Zündungen möglich

Wenn diese erste Phase des Jungfernflugs glückt, folgt der Test einer der neuen Funktionen der Ariane 6: Ihre Vinci-Oberstufe kann bis zu viermal abgeschaltet und wieder gezündet werden – beispielsweise, um Satelliten in unterschiedlichen Orbithöhen auszusetzen. Um dies zu gewährleisten, ist das Vinci-Triebwerk mit einer sogenannten Auxiliary Power Unit (APU) ausgestattet. Dieser Hilfsantrieb erzeugt gerade genug Schub, um den Treibstoff in den Tanks trotz Schwerelosigkeit zum Antrieb zu bewegen – erst dies ermöglicht die Wiederzündung.

Beim Erstflug werden diese Nachzündungen des Vinci-Triebwerks die Ariane 6 von einer elliptischen Umlaufban in eine kreisförmige in rund 580 Kilometer Höhe bringen. Anschließend setzt die Trägerrakete acht Satellitenmissionen in drei Gruppen in der Umlaufbahn frei. Der Rest ihrer insgesamt 17 Nutzlasten sind Experimente, die an Bord der Rakete bleiben und dort Messungen durchführen. Sie werden dann nach Ende des Jungfernflugs mit der Raketenoberstufe verglühen.

Verglühen oder Friedhofsorbit

Am Ende des Jungfernfluges zündet das Vinci-Triebwerk ein letztes Mal, um den kontrollierten Abstieg der Rakete durch die Erdatmosphäre einzuleiten. Dabei ist die Oberstufe der Ariane 6 so konzipiert, dass sie vollständig verglüht und so keinen Weltraumschrott hinterlässt – anders als beispielsweise Oberstufen der chinesischen Trägerrakete Langer Marsch, die schon mehrmals als Schrottteile abgestürzt sind.

Bei Missionen in größere Höhen kann die Oberstufe mithilfe des Vinci-Triebwerks alternativ auch in eine Friedhofsorbit gebracht werden, der weit außerhalb der von Satelliten bevölkerten Bahnen liegt.

Livestream vom Jungfernflug der Ariane 6 (ab 20:00h). © ESA

Ist die Ariane 6 schon jetzt veraltet?

Während die ESA große Hoffnungen an ihre neue Trägerrakete Ariane 6 knüpft, gibt es auch Kritik. Denn die Trägerrakete sei schon vor ihrem Erstflug veraltet und der Konkurrenz nicht gewachsen, so heißt es. Der Grund: Andere Raumfahrtunternehmen, darunter vor allem SpaceX setzen inzwischen konsequent auf die Wiederverwendbarkeit der Brennstufen und reduzieren so die Kosten für den Start erheblich. So ist die Falcon 9 beispielsweise für private Auftraggeber günstiger als die Ariane 6.

Demgegenüber sieht die ESA in der Ariane 6 Vorteile durch deren Vielseitigkeit und hohe Leistung – und die Unabhängigkeit von anderen Anbietern: „Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt muss Europa für einen sicheren und eigenständigen Zugang zum Weltraum sorgen, um nicht von den Kompetenzen und Prioritäten anderer Nationen abhängig zu sein“, erklärt sie. “ Mit dem Start der Ariane-6 schickt Europa nicht nur eine Rakete ins All, sondern behauptet auch seine Stellung unter den internationalen Raumfahrtnationen.“

Sollte der Jungfernflug gelingen, wird der erste reguläre Flug der Ariane 6 Ende 2024 stattfinden. Für die Zukunft peilt die ESA dann mindestens neun Starts pro Jahr an.

Quelle: ESA, DLR

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