Update 14:30 Uhr: Wegen eines Problems mit einem der Haupttriebwerke hat die NASA den Countdown von Artemis-1 abgebrochen und den Start für heute abgesagt. Eigentlich sollte die lange erwartete Mondumrundung um 14:33 Uhr starten – als Generalprobe für die bemannte Rückkehr zum Mond. Bei dieser Mission werden das fast 100 Meter hohe Space Launch System – die stärkste jemals gebaute Trägerrakete – und die in Europa gebaute Raumkapsel Orion erstmals unter Realbedingungen getestet. An Bord sind diesmal nur drei Dummys, bei Artemis-2 werden es dann Astronauten sein.
50 Jahre nach der letzten Apollo-Mission ist der Erdtrabant wieder zum Ziel der bemannten Raumfahrt geworden. Die USA und Europa wollen mit dem Artemis-Programm bis zum Jahr 2025 wieder Menschen auf dem Erdtrabanten landen. Eine Raumstation in der Mondumlaufbahn und später auch eine Mondbasis sollen diesmal eine langfristige Präsenz von Astronauten auf dem Mond ermöglichen. Aber auch andere Nationen – darunter vor allem China – haben den Mond im Blick und bereiten eine bemannte Rückkehr zum Erdtrabanten vor.
Hürdenreicher Weg bis hierher
Heute beginnt – wenn alles läuft wie geplant – der wichtigste Test für das Artemis-Programm. Denn erstmals werden die eigens von der NASA für die Mondmissionen entwickelte Trägerrakete Space Launch System (SLS) und die in Europa konzipierte und gebaute Orionkapsel gemeinsam zum Mond fliegen, ihn umrunden und wieder zur Erde zurückkehren. Doch gerade die Entwicklung der SLS hatte es in sich: Ihre Fertigstellung hat sich um Jahre verzögert und noch im März 2022 gab es Probleme bei einem ersten Betankungstest – der ursprünglich für Mai 2022 geplante Start von ARtmis-1 musste verschoben werden.
Entsprechend groß ist die Spannung, mit der die NASA nun den Start ihres Giganten verfolgen wird – wenn er denn wie geplant um 14:33 Uhr unserer Zeit stattfindet. Angetrieben von vier mit flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff gespeisten Triebwerken und zwei Feststoffraketen, ist dieses fast 100 Meter hohe Gefährt die stärkste Trägerrakete, die je gebaut wurde. Sie übertrifft selbst die legendäre Saturn-V der Apollo-Missionen.
Der Start und die „Besatzung“ von Artemis-1
Wenn alles läuft wie geplant, wird Artemis-1 heute, am 29. August 2022, um 14:33 Uhr von Cape Canaveral aus zum Mond starten. Noch am Samstag zogen allerdings heftige Gewitter über den NASA-Weltraumbahnhof in Florida hinweg. Sollte der Start am heutigen Tag nicht möglich sein, gibt es noch zwei weitere Startfenster am 2. und 5. September. Der Countdown und Start werden sowohl von der ESA wie von der NASA live übertragen.
An Bord der Artemis-1-Mission ist eine Besatzung der besonderen Art: Drei Dummys werden den ersten Mondflug des Artemis-Programms mitmachen und mithilfe zahlreicher Sensoren und Messinstrumente aufzeichnen, welchen Belastungen menschliche Astronauten ausgesetzt sein werden. Der „Moonikin“ getaufte Pilotendummy wird neben Sensoren für Strahlung, Vibration und Druckkräften auch den Raumanzug testen, den die Astronauten später in kritischen Missionsphasen tragen.
Die beiden Passagiere „Helga“ und „Zohar“ sind nur Rumpfdummys, die der Anatomie des weiblichen Körpers nachempfunden sind – denn bei den nächsten Artemis-Flügen werden erstmals auch Astronautinnen zum Mond fliegen. Zohar trägt eine spezielle Strahlenschutzweste, Helga hingegen nicht. Mehrere tausend Strahlensensoren ermitteln, welchem Maß an harter kosmischer Strahlung die Dummys während des Fluges ausgesetzt sind.
Der Flug zum Mond
Nach dem Start wird die SLS-Trägerrakete das Orionmodul innerhalb von wenigen Minuten bis auf gut 36.000 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Nach etwa acht Minuten sind die Feststoffraketen und die vier Triebwerke der ersten Raketenstufe ausgebrannt und werden abgeworfen. Artemis-1 ist nun in einer Umlaufbahn um die Erde und die Orionkapsel entfaltet ihre beiden Solarsegel.
Um dem Raumschiff den nötigen Schub für das Verlassen des Erdorbits und den Flug zum Mond zu geben, setzt nun die Raketenoberstufe, das sogenannte Cryogenic Propulsion Stage (ICPS), ein. Ihr ebenfalls von flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff gespeistes Triebwerk bringt das Orion-Raumschiff auf Mondkurs. Etwa zwei Stunden nach dem Start trennt sich die Orionkapsel von der ICPS-Brennstufe. Die Orionkapsel hat nun genügend Schub erhalten, um alleine weiter zum Mond zu fliegen.
Das ICPS setzt währenddessen zehn Minisatelliten frei, sogenannte CubeSats. Diese tragen verschiedene kleine Messinstrumente und Sensoren, mit denen sie unter anderem die Mondoberfläche und die Strahlung, Teilchen und Magnetfelder zwischen Erde und Mond untersuchen werden. Ein CubeSat soll zudem auf dem Mond landen, ein weiterer wird mithilfe eines Lichtsegels zu einem erdnahen Asteroiden fliegen.
Um den Mond und zurück
Die Orionkapsel wird mehrere Tage benötigen, um bis zum Mond zu gelangen. Voraussichtlich am sechsten Tag nach dem Start passiert sie den mondnächsten Punkt ihrer Flugbahn: Sie wird in knapp 100 Kilometer Höhe über die Mondoberfläche hinwegfliegen. Anschließend zündet die Raumkapsel ihre Antriebsdüsen, um in einen elliptischen Orbit um den Mond einzuschwenken. Dieser bringt Orion mehr als 64.000 Kilometer über den Mond hinaus. Sie ist dann rund 450.000 Kilometer von der Erde entfernt – so weit, wie noch kein für bemannte Missionen gedachtes Raumschiff vor ihr.
Am 24. Tag nach dem Start werden erneut die Triebwerke des Orion-Servicemoduls gezündet, um das Raumschiff wieder aus dem Mondorbit hinauszubringen und Kurs zurück zur Erde zu nehmen. Am 43. Tag nach dem Start wird Orion wieder die Erde erreichen und in die Erdatmosphäre eintreten. Damit beginnt der entscheidende Test für den neu entwickelten Hitzeschild des Orionmoduls.
Der Wiedereintritt und die Landung
Weil die Kapsel bei ihrer Rückkehr zur Erde mit fast 40.000 Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre eintritt, wird sie sich bis auf knapp 2.800 Grad aufheizen – weit stärker als bei einer Rückkehr von der Internationalen Raumstation im niedrigen Erdorbit. Der Orion-Hitzeschild nutzt daher ähnlich wie schon die Apollo-Mondmissionen ein Material, das von der Hitze aufgezehrt wird, aber nur wenig davon zur Kapsel durchlässt. Eine zusätzliche Isolierschicht und Kühlungssysteme in den Wänden des Raumschiffs sorgen dafür, dass die Orionkapsel keinen Schaden nimmt.
Nachdem das Hitzeschild und die Reibung der Atmosphäre die Raumkapsel von rund 40.000 auf nur noch 480 Kilometer pro Stunde heruntergebremst haben, wird etwa auf 7.600 Metern Höhe ein erstes Paar Spezialfallschirme ausgelöst. Wenig später übernehmen dann die drei großen Hauptfallschirme und lassen die Kapsel sanft bis ins Meer hinuntergleiten. Die Landestelle liegt unweit der kalifornischen Küste im Pazifik.
Die nächsten Schritte im Artemis-Programm
Wenn der Flug von Artemis-1 erfolgreich ist, folgen im Artemis-Programm nun die weiteren, bemannten Schritte. Die Folgemission Artemis-2 soll voraussichtlich im Jahr 2024 erfolgen. Erstmals werden dann vier Menschen in der Orionkapsel zum Mond fliegen und diesen auf einer ähnlichen Flugbahn wie Artemis-1 umrunden. Im Unterschied zu Artemis-1 wird diese Mission aber wahrscheinlich nicht in einen lunaren Orbit einschwenken, sondern eine achtförmige Schleife fliegen, in der das Raumschiff allein durch die Mondschwerkraft umgelenkt und wieder zurück auf Erdkurs gebracht wird.
Mit Artemis-3 – voraussichtlich im Jahr 2025 oder 2026 – werden dann erstmals wieder Menschen ihren Fuß auf den Mond setzen. Bei dieser Mission werden zwei Astronauten mit einem Landemodul auf die Mondoberfläche hinabfliegen und landen. Die beiden anderen Astronauten bleiben im Mondorbit. Ob all dies so kommen wird, hängt allerdings entscheidend davon ab, wie die Generalprobe verläuft – die Artemis-1-Mission.
Quelle: NASA, ESA