Fast übersehen: Vor wenigen Tagen wurde die Erde von einem rund zwei Meter großen Asteroiden getroffen – der Einschlag über dem Nordpolarmeer blieb folgenlos. Das Besondere jedoch: Der Brocken wurde erst zwei Stunden zuvor entdeckt. Er ist zudem erst der fünfte Asteroid, der überhaupt vor seinem Eintritt in die Atmosphäre bemerkt wurde. Der Grund dafür ist die geringe Helligkeit solcher kleinen Himmelsobjekte, die sie für die gängigen Überwachungssysteme nahezu unsichtbar machen.
Einschlagskrater, Meteoritenfunde und Ereignisse wie die Tunguska-Explosion zeugen davon, dass unsere Erde unter kosmischem Beschuss steht: Immer wieder fliegen Asteroiden nah an der Erde vorbei oder schlagen auf ihr ein. Während größere Brocken unter astronomischer Beobachtung stehen und ihre Bahnen meist gut bekannt sind, gilt dies für kleinere Objekte nicht. Sie sind so lichtschwach, dass sie oft gar nicht oder spät entdeckt werden. Selbst ein 100-Meter-Asteroid wurde schon übersehen – schlug aber glücklicherweise nicht ein.
Ein kleiner, schneller Lichtpunkt
Umso seltener ist es, dass Astronomen am 11. März 2022 einen weniger als zwei Meter großen Brocken wenigstens knapp vor seinem Einschlag entdeckt haben. Es ist erst der fünfte Asteroid überhaupt, der vor seinem Atmosphäreneintritt „erwischt“ wurde, und der erste Impaktor, der von einem europäischen Astronomen aufgespürt wurde, wie NASA und europäische Weltraumagentur ESA berichten.
Entdeckt hat ihn Krisztián Sárneczky vom Piszkéstető Observatorium in Ungarn , als er am Abend des 11. März den Himmel mit einem 60-Zentimeter-Teleskop absuchte. Um 20:24 Uhr unserer Zeit fiel ihm dabei ein kleiner, sich schnell bewegender Lichtpunkt auf. Nachdem sich der Punkt in vier aufeinanderfolgenden Aufnahmen deutlich weiterbewegt hatte, war klar, dass es sich um ein schnelles, nahes Objekt handeln misste – einen erdnahen Asteroiden.
Alarmkette läuft an
Schon 14 Minuten später meldete der Astronom das neue Objekt an das Minor Planet Center der NASA, woraufhin weitere Astronomen und Observatorien alarmiert wurden. Auf Basis der eingereichten Daten kalkulierte gleichzeitig das automatische „Scout“-Risikobewertungssystem der NASA die Flugbahn des 2022 EB5 getauften Objekts. „Scout hatte zunächst nur 14 Beobachtungsdaten über 40 Minuten hinweg, als er das Objekt als Impaktor identifizierte'“, erklärt Davide Farnocchia vom Jet Propulsion Laboratory der NASA.
Nur rund eine Stunde, nachdem der auf zwei Meter Größe geschätzte Brocken entdeckt worden war, wurden in einer automatisierten Alarmkette auch das Near-Earth Object Coordination Centre (NEOCC) der europäischen Weltraumagentur ESA und das Planetary Defense Coordination Office der NASA informiert. Zu diesem Zeitpunkt sagten die Berechnungen bereits voraus, dass der Asteroid nur eine Stunde später, zwischen 22:21 Uhr und 22:25 Uhr, im Nordpolarmeer einschlagen würde.
Einschlag über dem Nordpolarmeer
So kam es dann auch: Um 22:22 Uhr trat der Asteroid rund 140 Kilometer nördlich der Insel Jan Mayen in die Erdatmosphäre ein – weniger als zwei Stunden nach seiner Entdeckung. Beobachtet werden konnte der Feuerball in dieser menschenleeren Gegend nicht. Aber das weltweite Netz von Infraschallsensoren registrierte die Erschütterung. Die beim Einschlag freigesetzte Energie entsprach demnach etwa einem Erdbeben der Magnitude 4.0. Astronomen schätzen, dass die Erde etwa zehnmal pro Jahr von Brocken dieser Größe getroffen wird – entdeckt werden diese Asteroiden aber meist erst bei ihrem Einschlag.
„Kleine Asteroiden wir 2022 EB5 sind zahlreich und treffen die Erdatmosphäre relativ häufig“, erklärt Paul Chodas, Leiter des Center for Near Earth Object Studies (CNEOS) der NASA. „Aber weil sie bis wenige Stunden vor ihrem Auftreffen sehr lichtschwach sind, werden sie nur selten noch im All entdeckt.“ Zudem muss ein Überwachungsteleskop dafür zur richtigen Zeit den richtigen Himmelsausschnitt im Blick haben.
Neue Teleskope sollen Überwachung verbessern
Immerhin: Die Asteroiden, die größer sind und ernste Schäden anrichten können, werden in der Regel auch früher aufgespürt. Astronomen arbeiten aber daran, die Überwachung erdnaher Objekte weiter zu verbessern. Einen Beitrag dazu soll künftig das Flyeye-Teleskop leisten, das zurzeit auf dem Monte Mufara in Italien gebaut wird. Seine Optiken arbeiten ähnlich wie die Komplexaugen eines Insekts, indem sie Bilder aus 16 Teilaufnahmen erzeugen.
„Das extrem große Sichtfeld dieser neuen Teleskope wird es uns erlauben, weite Bereiche des Himmels in nur einer Nacht zu durchmustern“, erklärt Detlef Koschny, Leiter der Abteilung für planetare Abwehr bei der ESA. „Das verringert das Risiko, dass wir ein potenziell bedeutsames Objekt übersehen.“
Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory, European Space Agency (ESA)