Überraschende Entdeckung: An Proben des Asteroiden Itokawa haben Forscher ein bislang unbekanntes Phänomen ausgemacht – seine Staubkörnchen sind von winzigen Eisenhärchen überzogen. Diese Metallhaare entstanden offenbar durch den Sonnenwind, der die Asteroidenoberfläche verwittern ließ und schwefelhaltige Eisenminerale zersetzte. Dass daraus solche Eisenhärchen entstehen können, ist ein völlig neuer Aspekt der Weltraumverwitterung, wie die Forscher erklären.
Ob Asteroiden, Kometen oder der Mond: Alle Himmelskörper, die weder eine Atmosphäre noch ein Magnetfeld besitzen, sind dem Sonnenwind nahezu schutzlos ausgesetzt – und das hat Folgen. Auf dem Mond färbte das ständige Bombardement mit energiereichen Teilchen den Regolith im Laufe der Zeit dunkel und ließ nur einige geschützte Stellen hell. Auch die Oberfläche von Asteroiden und Kometen ist durch diese Weltraumverwitterung chemisch verändert.
Staubkörnchen mit metallischen „Wimpern“
Doch nun haben Forscher um Toru Matsumoto von der Kyushu Universität eine ganz neue Form der Weltraumverwitterung entdeckt – an Staubproben vom Asteroiden Itokawa. Dieser war 2005 von der japanischen Raumsonde Hayabusa besucht worden, die Proben sammelte und sie 2010 zur Erde zurückbrachte. Seither werden diese Asteroidenproben intensiv untersucht.
Umso überraschter waren die Wissenschaftler, als sie nun ein ganz neues Phänomen in den Staubproben entdeckten: Die Oberfläche der meisten Körnchen war von winzigen haarförmigen Eisenkristallen überzogen. „Diese Wimpern sind an ihrer Spitze dünner, gebogen und zeigen Längsrillen“, berichten Matsumoto und sein Team. „Ihre Länge variiert von mehreren Dutzend Nanometern bis zu 2,8 Mikrometer.“ Viele dieser „Wimpern“ waren zudem aus mehreren kleineren Härchen zusammengesetzt.
Haare aus fast reinem Eisen
Nähere Analysen ergaben, dass diese winzigen Härchen aus fast reinem Eisen bestanden – der Nickelanteil lag bei weniger als 0,7 Massenprozent. „Den Diffraktionsmustern zufolge sind viele dünne Härchen sogar nur aus einem einzigen Eisenkristall oder wenigen leicht unterschiedlich ausgerichteten Kristallen zusammengesetzt“, berichten die Forscher.
Wie aber sind diese Eisenhärchen entstanden? Die Wissenschaftler vermuten, dass sie sich aus dem Mineral Troilit (FeS) entwickelt haben – ein Eisensulfid, das häufig in Eisenmeteoriten nachgewiesen wird. Nach eingehenden Untersuchungen möglicher chemischer Reaktionswege kommen Matsumoto und sein Team zu dem Schluss, dass das Bombardement mit energiereichen Ionen des Sonnenwinds das Eisen aus dem Troilit an der Oberfläche des Asteroiden Itokawa herausgelöst haben muss.
„Für kosmische Dimensionen unheimlich schnell“
„Infolge der Weltraumverwitterung wird das Eisen aus dem Troilit freigesetzt und lagert sich in Form der jetzt entdeckten Nadeln auf der Oberfläche ab“, erklärt Koautor Falko Langenhorst von der Universität Jena. Während sich der Schwefel aus dem Eisensulfid verflüchtigt, bleibt das Eisen zurück und bildet die haarförmigen Kristalle. Ihr Wachstum findet dabei überraschend schnell statt: Um auf zweieinhalb Mikrometer Länge zu kommen, benötigen die Eisenhärchen vermutlich nur rund 1.000 Jahre. „Der Prozess verläuft damit für kosmische Dimensionen unheimlich schnell“, sagt Matsumoto.
Nach Angaben der Forscher sind diese Eisenhaare nicht nur ein ganz neues Phänomen der Weltraumverwitterung, ihre Existenz wirft auch ein neues Licht auf das Verhalten des Minerals Troilit unter Weltraumbedingungen: „Im Gegensatz zu früheren Annahmen sind Eisensulfide demnach hochgradig anfällig gegenüber einer Zersetzung durch Ionenströme im All“, konstatieren die Wissenschaftler.
Wie verbreitet diese Form der Weltraumverwitterung ist, könnte unter anderem die Raumsonde Hayabusa-2 zeigen. Sie hat Staubproben vom Asteroiden Ryugu genommen und ist mit ihnen bereits wieder auf dem Rückweg zur Erde. Ende 2020 sollen die Proben ankommen. Das internationale Team erwartet sie bereits mit Spannung. „Das Auftreten von Eisenwimpern durch Ionenbeschuss ist nie zuvor in der Mineralogie oder Materialforschung beobachtet worden – ihre weitere Erforschung wird neue Einsichten in ihre Wachstumsmechanismen und die Korrosionsprozesse durch Ionenbestrahlung bringen.“ (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-14758-3)
Quelle: Nature Communications, Friedrich-Schiller-Universität Jena