Erdzwilling mit roter Sonne: In 300 Lichtjahren Entfernung haben Astronomen den bisher erdähnlichsten Exoplaneten entdeckt. Kepler-1649c hat den 1,06-fachen Erdradius, bekommt 75 Prozent der Lichteinstrahlung und kreist in der habitablen Zone seines Sterns. Allerdings scheint die Sonne dieses Erdzwillings nicht gelb wie die unsere, sondern rot, denn sein Zentralstern ist ein Roter Zwerg.
In den letzten Jahren haben Astronomen hunderte von Supererden und erdgroßen Planeten aufgespürt, einige davon kreisen in der habitablen Zone ihrer Sterne. Unter diesen sind auch nahe Nachbarn wie der erdnächste Exoplanet Proxima Centauri b, die Planeten um den nur zwölf Lichtjahre entfernten Teergardens Stern oder die sieben Erdzwillinge um TRAPPIST-1 in 40 Lichtjahren Entfernung. Selbst Wasser haben Astronomen schon auf einer nahen Supererde nachgewiesen.
Versteckt in vermeintlich „falsch positiven“ Daten
Jetzt erhalten die Erdzwillinge Zuwachs – von einem besonders erdähnlichen Exoplaneten. Entdeckt haben ihn Forscher um Andrew Vanderburg von der University of Texas in Austin, als sie alte Daten des Weltraumteleskops Kepler überprüften – dem bisher erfolgreichsten „Planetenjäger“ der Astronomie. Die automatisierte Auswerte-Software dieses Teleskops findet Exoplaneten über die Abdunkelungen in der Lichtkurve, die der Transit eines Planeten vor seinem Stern verursacht.
Weil aber auch andere astronomische Prozesse solche Abdunklungen hervorrufen können, sortiert die Software rund 15 Prozent der Lichtkurven als „falsch positiv“ aus. Und in diesen verworfenen Daten haben Vanderburg und sein Team nun den Planeten Kepler-1649c aufgespürt. Er liegt in rund 300 Lichtjahren Entfernung und umkreist als zweiter Planeten einen eher lichtschwachen Roten Zwerg.
Erdgroß und in der habitablen Zone
„Von allen zunächst falsch klassifizierten Planeten, die wir bis jetzt entdeckt haben, ist er der aufregendste“, sagt Vanderburg. Denn Kepler-1649c ist der Erde in Größe, Temperatur und Sonneneinstrahlung besonders ähnlich. Der Planet hat den 1,06-fachen Erdradius, bekommt rund 75 Prozent der Sonnensteinstrahlung von seinem Stern und könnte daher nur leicht kühlere Temperaturen wie die Erde aufweisen.
Damit ist Kepler-1649c der bisher erdähnlichste Planet in der habitablen Zone eines Sterns, wie die Astronomen berichten. „Nur vier durch Transits identifizierte Planeten sind weniger als 1,25 Erdradien groß, besitzen weniger als die zweifache Erdmasse und kreisen in der konservativen habitablen Zone ihrer Sterne“, erklären Vanderburg und sein Team.
„Diese faszinierende fremde Welt gibt uns noch größere Hoffnung, dass dort draußen unter den Sternen irgendwo eine zweite Erde auf ihre Entdeckung wartet“, kommentiert NASA-Administrator Thomas Zurbuchen.
Sehr nah am Roten Zwerg
Wie lebensfreundlich die Bedingungen auf diesem Erdzwilling allerdings tatsächlich sind, ist bislang unklar. Denn dies wird auch davon beeinflusst, ob der Planet eine Atmosphäre besitzt und wie aktiv sein Zentralstern ist. Bekannt ist, dass Kepler-1649c seinen Roten Zwerg in einem engen Orbit umkreist: Für einen Umlauf benötigt er nur 19,5 Tage. Weil der Stern aber eher kühl und lichtschwach ist, kreist der Erdzwilling trotz dieser großen Sternennähe in der habitablen Zone, wie die Forscher erklären.
„Je mehr Daten wir erhalten, desto mehr verdichten sich die Belege dafür, dass es gerade um Rote Zwerge besonders viele potenziell lebensfreundliche und erdgroße Exoplaneten gibt „, sagt Vanderburg. Weil diese Sterne aber häufig sehr aktiv sind und starke Strahlenausbrüche zeigen, ist umstritten, ob sich auf solchen Planeten Leben entwickeln und auf Dauer halten kann. Angesichts der Tatsache, dass drei Viertel der Sterne in unserer komischen Nachbarschaft Rote Zwerge sind, gelten sie dennoch als vielversprechende Kandidaten für eine „zweite Erde“.
Gibt es noch einen dritten Planeten?
Spannend ist Kepler-1649c aber auch deshalb, weil er nicht allein ist: Weiter innen kreist ein weiterer Planet um den Roten Zwerg, sein Orbit ist etwa halb so weit vom Stern entfernt wie der des Erdzwillings. Beide Planeten bewegen sich dabei in einer sogenannten 9:4-Resonanz. In der Zeit, in der der eine Planet neun Umkreisungen vollendet, macht der andere genau vier, wie die Astronomen berichten.
Das Ungewöhnliche daran: „Normalerweise finden wir Planetenpaare in weit stärkeren Resonanzen wie den 2:1- oder 3:2-Verhältnissen“, erklären Vanderburg und seine Kollegen. „Wir haben deshalb den Verdacht, dass es einen dritten Planeten geben könnte, der zwischen Kepler-1649c und c kreist. Zusammen würden sie dann eine Kette von 3:2-Resonanzen bilden.“ Bisher allerdings haben die Forscher keine Spur dieses Planeten ausmachen können. (The Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/ab84e5)
Quelle: NASA