Kosmischer Gigant: Astronomen haben eine der größten bekannten Strukturen des Kosmos entdeckt – einen langgestreckten Supercluster, der sich über mindestens 650 Millionen Lichtjahre erstreckt und Billiarden Sonnenmassen an Galaxien und Galaxienclustern umfasst. Wie dieser Saraswati-Supercluster entstanden ist, wissen die Astronomen nicht. Sie vermuten aber, dass die geheimnisvolle Dunkle Energie dabei eine wichtige Rolle spielte.
Die Materie ist im Universum nicht gleichmäßig verteilt, sondern bildet großräumige Strukturen – Galaxiencluster, Filamente und auch sogenannte Supercluster. Letztere sind gewaltige Strukturen, in denen sich zehntausende von Galaxien gemeinsam bewegen. Auch unsere Milchstraße gehört zu einem solchen Supercluster, dem rund 520 Millionen Lichtjahre großen Laniakea.
„Wie eine kosmische Wand“
Einen noch größeren Supercluster haben nun jedoch Astronomen um Joydeep Bagchi vom interuniversitären Zentrum für Astronomie und Astrophysik im indischen Pune entdeckt. Sie stießen auf diese Großstruktur, als sie Daten des Sloan Digital Sky Survey auswerteten. In rund vier Milliarden Lichtjahren Entfernung fiel ihnen dabei eine enorme Ansammlung von Galaxien und Galaxienclustern auf.
„Wir waren sehr überrascht, diesen gigantischen, einer riesigen Wand gleichenden Supercluster zu entdecken“, sagt Bagchi. Der Supercluster erstreckt sich über mindetens 650 Millionen Lichtjahre hinweg und umfasst zehntausende von Galaxien. In seiner dichtesten Region bilden sie 48 Galaxiencluster, davon 23 extrem massereiche. Weitere Klumpen sich gemeinsam bewegender Cluster liegen lose verteilt und die zentrale „Wand“ herum, wie die Forscher berichten.
Ungewöhnlich groß und massereich
Wie die Astronomen ermittelten, enthalten allein die 43 größten Galaxiencluster des neuen Superclusters schon rund 20 Billiarden Sonnenmassen. „Dies spricht für eine ungewöhnlich große Konzentration von Masse im Supercluster“, so die Forscher. „Er gehört damit zu den größten und schwersten bekannten Superclustern des nahen Universums.“
Die Astronomen haben den neuen Supercluster Saraswati getauft – nach der indischen Göttin, die als Hüterin der himmlischen Flüsse gilt und als Göttin der Weisheit und Natur. „Der Sanskrit-Name bedeutet auch ‚ewig fließender Strom mit vielen Becken'“, erklären Bagchi und seine Kollegen. „Dies beschreibt ganz gut diese großräumige, filamentartige Struktur im Sternbild Fisch, die aus vielen Clustern und Gruppen besteht, die sich gemeinsam bewegen und miteinander verschmelzen.“
Wie ist er entstanden?
Außergewöhnlich und spannend ist der neuentdeckte Saraswati-Supercluster nicht nur wegen seiner schieren Größe, sondern auch wegen seines Alters: Im Gegensatz zu den beiden ähnlich großen Supercluster Shapley und Sloan Great Wall liegt er nicht in unserer kosmischen Nachbarschaft, sondern vier Milliarden Lichtjahre entfernt. Er ist damit auch deutlich älter als sie.
Das Spannende daran: „Großräumige Strukturen dieser Größe entwickeln sich sehr langsam“, erklären die Forscher. Die Existenz des Saraswati-Superclusters schon vor rund vier Milliarden Jahren deutet darauf hin, dass diese enormen Materieansammlungen sehr alte Wurzeln haben. Doch bisher kann die Astronomie nicht erklären, wie die anfangs eher gleichförmig verteilte Urmaterie solche extremen Massenansammlungen hervorbringen konnte.
Ist Dunkle Energie im Spiel?
Bei den näherliegenden, jüngeren Superclustern vermuteten Forscher bisher, dass der zunehmend dominierende Einfluss der rätselhaften Dunklen Energie dafür eine Rolle spielen könnte. Die Dunkle Energie gilt als Gegenspieler der Gravitation und als die Kraft, die die Expansion des Universums antreibt. „Dabei könnte sie auch die Entwicklung von Turbulenzen in der Materiedichte beeinflussen“, erklärt Bagchi.
Der Saraswati-Supercluster ist deshalb so spannend, weil er kurz nach einem entscheidenden Wandel des Kräftegleichgewichts im Kosmos entstand: Vor rund sechs Milliarden Jahre gewann der Einfluss der Dunklen Energie die Oberhand über die Gravitation – seither beschleunigt sich die Ausdehnung des Universums. Möglicherweise spielte dieser Umbruch auch eine entscheidende Rolle für die Entstehung der Supercluster.
Auffällige Häufung von Voids
Einen ersten Hinweis auf eine Beteiligung der Dunklen Energie sehen die Astronomen in einer auffälligen Häufung von großen Voids im Umfeld des Saraswati-Superclusters. Solche leeren Regionen im Kosmos stehen stärker unter dem Einfluss der Dunklen Energie und dehnen sich daher besonders schnell aus. Nach Ansicht der Forscher könnten sie die Galaxien und Galaxiencluster an ihrem Rand zusammenschieben und so die Bildung von Superclustern begünstigen.
Eine ähnlich abstoßende Region des Weltalls haben Astronomen erst vor Kurzem auch unserer kosmischen Nachbarschaft entdeckt: Der sogenannte „Dipol Repeller“ drängt die Milchstraße und die Lokale Gruppe von sich weg und beeinflusst dabei ihre Bewegungen überraschend stark. (Astrophysical Journal, 2017; arXiv:1707.03082)
(Inter-University Centre for Astronomy and Astrophysics, 17.07.2017 – NPO)