Astronomen haben ein echtes Sternenmonster entdeckt: Einen Protostern, der bald die hundertfache Sonnenmasse besitzen könnte. Er ist damit der größte seiner Art in der Milchstraße. Aufnahmen des hochauflösenden Radioteleskops ALMA in Chile zeigten erstmals, wie ein solches stellares Monster Gas und Staub aus seiner Entstehungswolke ansaugt. Dies bestätigt eine der beiden Theorien zur Bildung solcher massereichen Protosterne.
Sternenwiegen gibt es viele im Universum. Doch gerade die massereichsten Sternenembryos verbergen sich hinter dunklen Wolken aus Staub und Gasen. Diese liefern ihnen das Rohmaterial für ihr Wachstum, blockieren gleichzeitig aber auch die Sicht für optische Teleskope. Unter anderem deshalb gibt es bisher zwei Theorien dazu, wie besonders massereiche Sterne entstehen: Die eine besagt, dass die Ursprungswolke sich aufteilt und einige kleine Kerne bildet, die von selbst kollabieren und schließlich Sterne bilden. Die andere ist dagegen etwas spektakulärer: Die gesamte Wolke beginnt zu kollabieren, wodurch Materie in Richtung des Zentrums der Wolke fließt und dort einen oder mehrere massereiche Riesensterne bildet.
Gasstrom ins Zentrum der Wolke
Um zu klären, welche der beiden Theorien zutrifft, nahmen Nicolas Peretto von der Université Paris Diderot in Paris und seine Kollegen eine Sternenwiege mit dem sperrigen Namen Spitzer Dark Cloud (SDC) 335.579-0.292 ins Visier. Sie liegt rund 11.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und stand bereits im Verdacht, besonders massereiche Sterne zu produzieren. Für ihre Beobachtungen nutzten sie das zu diesem Zeitpunkt erst zu einem Viertel fertiggestellte Radioteleskop Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile.
„Die Beobachtungen machen die Bewegungen des faserigen Netzwerks aus Staub und Gas sichtbar und zeigen, dass eine riesige Menge Gas in eine zentrale, kompakte Region strömt”, sagt Co-Autorin Ana Duarte Cabral vom Laboratoire d’Astrophysique de Bordeaux in Frankreich. Das spreche dafür, dass in diesem Zentrum einer oder mehrere massereiche Sterne entstehen. Gleichzeitig bestätigt dies auch die Theorie eines globalen Kollapses der Sternenbildungs-Wolken bei solchen Sternen und gegen eine Fragmentierung.
Protostern ist unerwartet massereich
„Die bemerkenswerten ALMA-Beobachtungen haben uns den ersten wirklich tiefen Einblick in die Vorgänge in einer derartigen Wolke geliefert”, erläutert Peretto. „Wir wollten sehen, wie sich Monstersterne bilden und wie sie wachsen, und dieses Ziel haben wir definitiv erreicht!“ Diese Erkenntnisse bei so einem spektakulären Exemplar machen zu können, sei ein besonderer Glücksfall: „Obwohl wir schon zuvor davon ausgegangen waren, dass diese Region ein guter Kandidat für eine Wiege massereicher Sterne ist, haben wir nicht erwartet, einen so massereichen Protostern in ihrem Zentrum zu finden“, so der Forscher.
Er und seine Kollegen schätzen, dass in dieser Sternenwiege mindestens ein Stern mit bis zu hundertfacher Sonnenmasse entsteht. Nur ungefähr einer aus zehntausend Sternen in der Milchstraße erreiche so eine hohe Masse. Den Forschern zufolge sind solche Sterne zudem nicht nur selten, ihre Geburt läuft auch extrem schnell ab und ihre Kindheit ist kurz. Deshalb sei der Fund eines so massereichen Objektes so früh in seiner Entwicklung ein besonders spannendes Ergebnis. „Wir haben es geschafft diese sehr detaillierten Beobachtungen mit nur einem Bruchteil des endgültigen Potentials von ALMA zu erhalten”, schließt Peretto. „ALMA wird unser Wissen über Sternentstehung auf jeden Fall revolutionieren und einige der derzeitigen Fragen beantworten, aber sicherlich auch wieder neue aufwerfen“, so der Astronom. (Astronomy & Astrophysics)
(ESO, 11.07.2013 – NPO)