Astronomie

Astronomen finden kosmischen Teilchenbeschleuniger

Objekt erzeugt riesige Blase ungewöhnlich energiereicher Gammastrahlung im Sternbild Schwan

Cygnus-X
Diese Infrarotaufnahme zeigt die Sternbildungsregion Cygnus X. In ihr haben Astronomen jetzt eine riesige Blase entdeckt, von der ungewöhnlich energiereiche Gammastrahlung ausgeht. © NASA/ Spitzer Space Telescope

Verborgene Teilchenschleuder: Astronomen haben eine riesige Blase in der Milchstraße entdeckt, von der ungewöhnlich energiereiche Gammastrahlung ausgeht. Diese Zone liegt rund 4.600 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schwan und erzeugt Gammastrahlen-Photonen von mehr als einer Billiarde Elektronenvolt, wie das Team mithilfe des LHAASO-Observatoriums in China ermittelte. Damit verbirgt sich in dieser Gammablase einer der stärksten Teilchenbeschleuniger unserer Galaxie.

Unser Planet wird ständig von energiereichen Teilchen bombardiert – der kosmischen Strahlung. Der größte, energieärmere Teil dieser Partikel stammt von der Sonne, benachbarten Sternen, Supernovae und vom Zentrum der Milchstraße. Doch es gibt auch Gammastrahlenphotonen und geladene kosmische Teilchen, die mit der enormen Energie von mehreren Peta- bis Exaelektronenvolt auf die Erde einprasseln – der tausend- bis millionenfachen Energie eines Teilchens im LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN.

Woher kommt die kosmische Extrem-Strahlung?

Woher dieser extrem energiereiche Anteil der kosmischen Strahlung kommt, ist bisher erst ansatzweise geklärt. Demnach könnten einige dieser Partikel extragalaktischen Ursprungs sein, andere scheinen dagegen aus bestimmten Bereichen unserer Milchstraße zu stammen, darunter dem lokalen Void, aber auch dem aktiven Sternentstehungsgebiet Cygnus-X. Diese 4.600 Lichtjahre entfernte Sternenwiege im Herzen des Sternbilds Schwan besteht aus hunderten heißen, massereichen Jungsternen und mehrere dichten Sternenhaufen.

Jetzt haben Astronomen um Zhen Cao von der LHAASO-Kollaboration ein neues Phänomen in der Cygnus-X-Sternenwiege entdeckt. Aufgespürt haben sie dies mit dem Large High Altitude Air Shower Observatory (LHAASO) im chinesischen Sichuan, einem Ensemble aus gut 5.200 Szintillatoren, knapp 1.200 Myonendetektoren, 18 Tscherenkow-Teleskopen und einem 78.000 Quadratmeter bedeckenden wasserbasierten Tscherenkow-Detektor.

Gammastrahlen-Blase mit Petaelektronenvolt-Photonen

Die Beobachtungen enthüllten: Im Zentrum der Cygnus-X-Region liegt eine gewaltige, sich über mehr als sechs Bogengrad erstreckende Zone intensiver, energiereicher Gammastrahlung. Die Astronomen detektierten aus diesem Gebiet mehr als 3.200 Gammaphotonen mit Energien von mehr als 400 Teraelektronenvolt und acht Ereignisse mit Photonen von mehr als einem Petaelektronenvolt Energie – die entspricht mehr als einer Billiarde Elektronenvolt.

„Die Detektion von Petaelektronenvolt-Photonen aus der Cygnus-Region war eine große Überraschung“, berichten Cao und sein Team. Denn bisher ging man davon aus, dass kosmische Strahlung dieser hohen Energien nicht aus der Milchstraße, sondern aus extragalaktischen Quellen stammt. Doch die energiereiche Gammastrahlung aus der Cygnus-Region deutet darauf hin, dass sich in dieser Sternenwiege ein besonders starker kosmischer „Teilchenbeschleuniger“ verbergen muss.

„Die Erzeugung so energiereicher Gammastrahlung erfordert einen zentralen Beschleuniger, der relativistische Protonen und Atomkerne in das zirkumstellare Medium injiziert“, erklären die Astronomen.

Verborgene Teilchenschleuder

Das bedeutet: In der Sternenwiege Cygnus-X muss es etwas geben, das atomare Teilchen bis auf nahe Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Wenn diese rasend schnellen und entsprechend energiereichen Teilchen dann auf das dichte Gas in der Umgebung treffen, wird Energie in Form von Gammastrahlung freigesetzt. Cao und seinem Team zufolge müssen die Ursprungsteilchen dafür mindestens auf Energien von 20 Petaelektronenvolt und mehr beschleunigt worden sein.

Damit übertrifft diese Quelle und die Intensität der von ihr produzierten kosmischer Strahlung den normalerweise in der Milchstraße beobachteten Durchschnitt deutlich, wie die Astronomen erklären. Die Beobachtungen enthüllen damit, dass es auch in der Milchstraße kosmische Prozesse und Objekte geben muss, die kosmische Strahlung hoher Energie erzeugen können. Solche Quellen könnten einen Teil der diffusen energiereichen Gammastrahlung in unserer Galaxie erklären.

Cygnus OB2
Diese Kompositaufnahme zeigt den stellaren Cluster Cygnus OB2. In ihm liegen besonders viele extrem massereiche, leuchtstarke Sterne. © NASA/CXC/SAO/J. Drake et al; Univ. of Hertfordshire/INT/IPHAS; NASA/JPL-Caltech/Spitzer

Ist der Cluster Cygnus OB2 die Quelle?

Doch wo verbirgt sich der n der Cygnus-Region entdeckte kosmische Teilchenbeschleuniger? Hinweise darauf lieferte die Intensitätsverteilung der von der Cygnus-Blase ausgehenden Gammastrahlung. „Wir gehen davon aus, dass die energiereichen Protonen von einer punkförmigen Quelle im Zentrum der Blase stammen“, berichten Cao und sein Team. Dort liegt unter anderem der massereiche Sternhaufen Cygnus OB2. Diese Ansammlung von mehr als 35.000 Grad heißen Sternenriesen beherbergt einige der massereichsten bekannten Sterne. Ihre Leuchtkraft ist bis zu 100 Millionen Mal stärker als die der Sonne.

Nach Ansicht der Astronomen könnte die hohe Leuchtkraft und der damit verbundene starke Sternenwind der jungen Sternenriesen in Cygnus OB2 diesen zu einem effektiven Teilchenbeschleuniger machen. „Die Lage, das Alter, die Geschwindigkeit der stellaren Winde von 3.000 Kilometern pro Sekunde und ihre kollektive Energie von 1039 erg machen dieses Objekt zu einem perfekten Kandidaten für eine Fabrik kosmischer Strahlung“, konstatieren Cao und seine Kollegen.

Ob der Sternhaufen Cygnus OB2 aber tatsächlich eine so produktive und energiereiche Fabrik kosmischer Gammastrahlung ist, müssen weitere Beobachtungen klären. (Science Bulletin, 2024; doi: 10.1016/j.scib.2023.12.040)

Quelle: Chinese Academy of Sciences

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