Astronomie

Astrophysiker füttern ein Schwarzes Loch

Simulation enthüllt, wann Sterne von einem Schwarzen Loch zerrissen werden

Tidal Disruption
Ein Stern beim Zerissenwerden am Schwarzen Loch. Wann eine solche Sternezerstörung stattfindet und wann nicht, haben Astrophysiker jetzt in einer Simulation untersucht. © NASA/GSFC, Taeho Ryu/ MPI für Astrophysik

Was passiert, wenn ein Stern einem supermassereichen Schwarzen Loch zu nahekommt? Und ab welcher Entfernung wird der Stern zerrissen? Das haben Astrophysiker jetzt erstmals in detaillierten Simulationen untersucht – und Überraschendes festgestellt. Denn anders als erwartet spielt die Masse des Sterns kaum eine Rolle für sein Schicksal. Wichtiger sind stattdessen die Masse des Schwarzen Lochs und die zentrale Dichte des Sterns, wie das Team im Fachmagazin „Astrophysical Journal“ berichtet.

Im Zentrum der Milchstraße und nahezu jeder anderen Galaxie sitzt ein supermassereiches Schwarzes Loch. Seine Schwerkraft beschleunigt nahe Sterne auf extreme Geschwindigkeiten und führt zu einer rosettenförmigen Verschiebung ihrer Bahn. Doch kommt ein Stern dem Schwarzen Loch zu nahe, droht ihm das Ende: Die Gezeitenkräfte dehnen ihn erst spaghettiartig in die Länge, dann wird er komplett zerrissen. Ein Teil der Sternenmaterie wird vom Schwarzen Loch verschlungen, der Rest wird ausgeschleudert.

Ab wann wird es gefährlich für einen Stern?

Doch ab welcher Nähe zum Schwarzen Loch droht einem Stern Gefahr? Und welche Faktoren beeinflussen dabei sein Schicksal? Das haben nun Astrophysiker um Taeho Ryu von der Johns Hopkins University in Baltimore erstmals genauer untersucht. Dafür entwickelten sie eine Reihe von Simulationen, die erstmals die physikalischen Effekte von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie mit realistischen Modellen der inneren Struktur von Sternen verknüpfen.

In diesen Simulationen ließen die Astrophysiker Sterne mit acht unterschiedlichen Massen nahe an ein supermassereiches Schwarzes Loch herankommen. Das Massenspektrum reichte von Zwergsternen mit nur 0,15 Sonnenmassen bis zu Sternenriesen der zehnfachen Sonnenmasse. Für drei dieser Sternenarten – 0,3, eine und drei Sonnenmassen – variierte das Team zudem die Masse des Schwarzen Lochs von 100.000 bis zehn Millionen Sonnenmassen.

Ziel war es herauszufinden, wo der Gezeitenradius (rt) liegt – der Abstand vom Schwarzen Loch, ab der ein Stern von den Gezeitenkräften zerrissen wird.

Anders als erwartet

Die Simulationen enthüllten Überraschendes: Anders als erwartet gab es keinen klaren Zusammenhang zwischen der Masse des Sterns und seinem Schicksal. Einige kleinere und größere Sterne überstanden selbst große Annäherungen. Sie wurden nur vorübergehend gedehnt und zerrissen, ballten sich aber hinterher wieder zusammen. Andere Sterne ähnlicher Massenbereiche wurden hingegen komplett zerstört.

„Dabei beginnt der Stern gedehnt zu werden, wenn sein Abstand zum Schwarzen Loch den Gezeitenradius erreicht.“, berichten Ryu und seine Kollegen. Bis zum Punkt seiner nächsten Annäherung ans Schwarze Loch ist der Stern bereits extrem verzerrt und auseinandergezogen. Dabei wird ihm stetig mehr Material vom Schwarzen Loch entzogen. „Der substanzielle Masseverlust hält an, bis der Stern sich schon weit vom Schwarzen Loch entfernt hat“, erklären die Forscher.

Zentrale Dichte wichtiger als Masse

„Der physikalische Gezeitenradius bleibt über den Bereich von 0,15 bis drei Sonnenmassen nahezu konstant – und damit über eine Spanne, die die überwältigende Mehrheit aller Sterne umfasst“, schreiben die Astrophysiker. Erst bei sehr großen Sternenmassen ändert sich dies. Als weiterer Faktor erwies sich wie erwartet die Masse des Schwarzen Lochs selbst: Je größer sie ist, desto weiter außen liegt der Gezeitenradius.

Aber warum sind einige Sterne ungeachtet ihrer Masse widerstandsfähiger als andere? Nähere Analysen ergaben, dass alle Sterne, die eine nahe Annäherung ans Schwarzes Loch überlebten, eine Gemeinsamkeit aufwiesen: Ihre zentrale Dichte war relativ hoch. Je dichter demnach ein Stern in seinem inneren Kern ist, desto näher kann er an einem Schwarzen Loch vorbeifliegen, ohne komplett zerstört zu werden.

Wann wird ein Stern vom Schwarzen Loch zerrissen?© NASA/GSFC, Taeho Ryu/ MPI für Astrophysik

Anteil partieller Disruptionen bisher unterschätzt

Die Simulation ergab zudem, dass partielle Disruptionen fast genauso häufig vorkommen wie die völlige Zerstörung eines Sterns durch die Gezeitenkräfte am Schwarzen Loch. In solche Fällen wird der Stern zwar zunächst auseinandergerissen, ballt sich aber nach seiner Passage am Schwarzen Loch wieder zusammen. „Solche partiellen Disruptionen können einen zuvor massereichen Stern drastisch verkleinern“, erklären Ryu und seine Kollegen. Dadurch kann ein Hauptreihenstern zu einem mickrigen Sternenrest werden, der dann vielleicht bei seiner nächsten Passage am Schwarzen Loch endgültig zerstört wird.

Als entscheidenden Faktor dafür, ob ein Stern ganz oder nur partiell zerrissen wird, identifizierten Ryu und sein Team unter anderem den Drehimpuls des Sterns. Auch neue Daten dazu, wie viel Sternenmaterial nach einer Gezeiten-Disruption übrigbleibt, lieferten die Simulationen. Die Astronomen hoffen, dass diese Erkenntnisse nun dazu beitragen, die Häufigkeit und den Ablauf solcher katastrophaler Sternzerstörungen im Kosmos besser einschätzen zu können. (The Astrophysical Journal, 2021; doi: 10.3847/1538-4357/abb3cf)

Quelle: NASA

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