Astronomen haben erstmals einen Beweis dafür entdeckt, dass Galaxien nicht nur durch Kollisionen miteinander wachsen, sondern auch durch den Einstrom kalten Gases aus ihrer Nachbarschaft. Gleich drei ferne Galaxien zeigten eine dafür typische Elementverteilung im Zentrum und wurden damit sozusagen „auf frischer Tat ertappt“. Die jetzt in „Nature“ erschienene Studie klärt damit eine der wichtigsten Fragestellungen in der modernen Astrophysik.
Die ersten Galaxien entstanden bereits, als das Universum weniger als eine Milliarde Jahre alt war. Sie waren damals allerdings viel kleiner als heute. Viele von ihnen wuchsen, indem sie mit anderen Galaxien kollidierten und sich dann zu größeren Systemen vereinigten. Eine andere, „sanftere“ Methode, ist bisher nur theoretisch postuliert worden: das Wachstum durch Akkretion, durch die Aufnahme von kaltem, intergalaktischem Gas aus der Umgebung. Dieser anderen Art des Galaxienwachstums ist ein Team aus europäischen Astronomen nun mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO nachgegangen.
Elementverteilung untypisch für wachsende Galaxien
Für ihre Untersuchungen beobachteten die Astronomen drei sehr weit entfernte Galaxien, deren Licht aus einer Zeit rund zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall stammt. Mit Hilfe des hochauflösenden „Spectrograph for INtegral Field Observations in the Near Infrared“ – kurz SINFONI – am VLT kartierten die Forscher die Verteilung der verschiedenen Elemente innerhalb der Galaxien.
Ihr Ziel: Hinweise auf aus der Umgebung einströmendes Gas und auf die daraus resultierende Entstehung neuer Sterne zu finden.
Tatsächlich wurden die Astronomen fündig: Während heute normalerweise im Zentralbereich der Galaxien die meisten schweren Elemente vorkommen und auch die Sternenbildungsrate am höchsten ist, war dies bei allen drei beobachteten Galaxien nicht der Fall. Stattdessen registrierte das SINFONI-Instrument nur geringe Spuren von Elementen schwerer als Wasserstoff und Helium.
Gaseinstrom von außen sorgt für Elementnachschub
Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass das Zentrum der Galaxien quasi verdünnt worden ist – durch Einstrom von leichten, fachsprachlich auch als metallarm bezeichneten Elementen aus dem Gas in der Umgebung der Galaxie. „In diesem Szenario werden die beobachteten Regionen niedriger Metallizität durch die lokale Anreicherung von metallarmem Gas in klumpigen Strömen hervorgerufen. Sie dringen, der Potenzialsenke folgend, tief in die Galaxie ein und erhalten so die starke Sternenbildungsrate in der Scheibe“, erklären die Autoren in ihrer Veröffentlichung.
Erster direkter Beweis
Sie haben damit die jungen Galaxien praktisch auf frischer Tat dabei ertappt, wie sie frisches Gas akkretieren und zur Bildung neuer Sterne nutzen. „Die neuen VLT-Ergebnisse sind der erste direkte Nachweis dafür, dass die Akkretion von Gas auf frühe Galaxien tatsächlich stattgefunden hat, und dass sie ausreichte, um starke Sternentstehung und das Wachsen von massereichen Galaxien im jungen Universum anzuregen”, fasst Giovanni Cresci vom italienischen Osservatorio Astrofisico di Arcetri bei Florenz, der Leiter des Wissenschaftlerteams, zusammen.
Diese Entdeckung ist ein wichtiger Schritt für unser Verständnis der Entwicklung des Universums vom Urknall bis heute. Junge Galaxien könnten demnach auf zwei verschiedene Arten größer werden: entweder durch die Verschmelzung mit anderen Galaxien oder durch diesen als Akkretion bezeichneten Prozess.
(European Southern Observatory – ESO, 14.10.2010 – NPO)