Neuer Blick auf unsere Galaxie: Die Positionen von 1,1 Milliarden Sternen und die Bewegungen von zwei Millionen davon hat das Weltraumteleskop Gaia bisher kartiert. Schon diese erste, noch unvollständige Erhebung ist die bisher umfassendste und genaueste 3D-Karte der Milchstraße. Von ihren Daten erhoffen sich die Astronomen neue Einblicke in die Geheimnisse unserer kosmischen Heimat.
Unsere Heimatgalaxie ist noch lange nicht vollständig erforscht und erkundet – im Gegenteil. So entdeckten Astronomen erst vor kurzen in ihrem Zentrum einen kosmischen Teilchenbeschleuniger, ein rätselhaftes X aus Sternen und das zweitgrößte Schwarze Loch unserer Galaxie. Eine erste Alterskarte bestätigte zudem, dass die Milchstraße einst von innen nach außen gewachsen ist.
20 Mal mehr Sterne, doppelt so präzise
Eine umfassende und genaue Kartierung aller Sterne der Milchstraße und ihrer Bewegungen fehlte bisher jedoch. Den liefert nun das 2013 ins All gestartete Gaia-Weltraumteleskop der ESA. Den ersten Schwung an Daten, gesammelt von Juli 2014 bis September 2015, habe die Gaia-Astronomen nun ausgewertet und veröffentlicht.
Die neue Milchstraßen-Karte des Gaia-Satelliten gibt die Positionen von 1,1 Milliarden Sternen der Galaxie bis auf 300 Mikrobogensekunden genau an – das entspricht der Dicke eines menschlichen Haares aus 30 Kilometern Entfernung gesehen. Damit sind die Gaia-Daten doppelt so präzise wie die des bisher besten Sternenkatalogs, ermittelt vom Satelliten Hipparcos. Er kartierte jedoch nur rund 100.000 Sterne.
Sternenbewegungen, Supernovae und Exoplaneten
„Gaia hat den Himmel mit einer bisher nie erreichten Genauigkeit kartiert“, sagt ESA-Wissenschaftsdirektor Alvaro Giménez. „Diese Daten werden unser Verständnis der Sternenverteilung und Bewegung in unserer Galaxie revolutionieren.“ Die Astronomen versprechen sich aber auch neue Entdeckungen von Supernovae, von Exoplaneten und von Asteroiden in unserem Sonnensystem.
Neben den Sternenpositionen ermöglichen die Gaia-Daten es auch, durch Vergleich mit älteren Messungen die Bewegungen der Sterne genauer nachzuvollziehen als bisher. Vorerst für zwei Millionen Sterne können die Astronomen nun ermitteln, wie groß die echte Bewegung des Sterns ist und wie viel nur scheinbar, durch den Parallaxeneffekt der auf ihrer Bahn kreisenden Erde erzeugt wird.
Genauere Entfernungsmessungen
Unter den bereits neu kartierten Milchstraßen-Objekten sind auch rund 400 Sternenhaufen, einige davon mit überraschend weit hinausreichenden Sternenpopulationen. Außerdem enthält die Karte die bisher genauesten Entfernungs- und Bewegungsdaten für rund 3.200 veränderliche Sterne. Knapp 400 dieser zyklisch heller und dunkler werdenden Sterne wurden im Rahmen der Kartierung neu entdeckt.
„Veränderliche Sterne wie die Cepheiden sind wertvolle Wegmarken für kosmische Entfernungen“, erklärt Gisella Clementini vom Astronomischen Observatorium in Bologna. „Denn sie liefern uns eine entscheidende Stufe auf unserer kosmischen Entfernungs-Messlatte.“ Die nun für viele Sterne genauer bekannte Parallaxen erlaubt ebenfalls eine präzisere Berechnung der Entfernungen.
„Dies ist erst der Anfang“, sagt Clementini. „Wir haben sozusagen eine Sneak Preview der dramatischen Verbesserungen bekommen, die Gaia unserem Verständnis der kosmischen Distanzen bringen wird.“ Noch mindestens bis 2019 soll Gaia ihre Messungen fortführen und dann die Bewegungen und Entfernungen aller gut eine Milliarde Sterne in ihrem Katalog ermitteln.
(ESA, 15.09.2016 – NPO)