Bizarres System: Der Zwergplanet Pluto und seine Monde sind noch ungewöhnlicher als gedacht. Denn die vier kleinen Trabanten des Pluto umkreisen sowohl ihn als auch seinen großen Mond Charon. Dabei taumeln sie chaotisch um ihre Achse, zeigen aber in ihren Bahnen eine auffällige Ordnung, wie Astronomen im Fachmagazin „Nature“ berichten. Umso gespannter erwarten sie, was die Raumsonde New Horizons in wenigen Wochen bei ihrem Besuch im Pluto-System herausfinden wird.
Pluto ist in gleich mehrfacher Hinsicht ein Außenseiter im Sonnensystem: Er kreist extrem weit außen, er ist kein echter Planet mehr und bildet noch dazu ein Doppelsystem mit seinem fast gleichgroßen Mond Charon. Denn beide kreisen um ein gemeinsames Massezentrum, das zwischen ihnen im All liegt. Seltsam auch: Obwohl Pluto und Charon selbst ziemlich klein sind, werden sie von vier winzigen Monden umkreist. Bisher war über diese jedoch kaum mehr bekannt als dass sie existieren.
Chaotische Rotation
Jetzt ist Mark Showalter vom SETI Institute und Douglas Hamilton von der University of Maryland ein tieferer Einblick in das Pluto-System gelungen. Sie haben mit Hilfe des Weltraumtelekops Hubble erstmals die Bahnen, Rotation und das Aussehen der vier kleinen Monde des Pluto näher bestimmt. Sie wurden erst vor wenigen Jahren überhaupt entdeckt: Nix und Hydra im Jahr 2005, Kerberos 2011 und Styx schließlich 2012.
Wie die Beobachtungen enthüllten, hat die spezielle Beziehung von Pluto und seinem etwa halb so großen Mond Charon auch Auswirkungen auf die kleinen Trabanten. „Unser Mond und die meisten anderen kehren ihrem Planeten immer die gleiche Seite zu – wie Kinder, die artig auf ihre Eltern blicken“, erklärt Hamilton. „Doch Plutos Monde gleichen eher bockigen Teenagern, die sich weigern, diesen Regeln zu folgen.“
Kippende Achsen
So scheint der Mond Nix zeitweilig synchron zu rotieren, um dann in eine chaotische Rotation zu wechseln. Selbst seine Drehachse kippt von Zeit zu Zeit um, wie die Astronomen beobachteten. Ähnlich chaotisch verhält sich auch Hydra, die beiden anderen Monde sind zu klein, um ihre Rotation genauer bestimmen zu können. Die Forscher vermuten aber, dass es bei ihnen genauso ist.
Ursache dieses Taumelns sind zum einen ständige Veränderungen in der Schwerkraftwirkung des „Doppelplaneten“ Pluto und Charon auf die kleinen Trabanten, wie die Forscher erklären. „Das Chaos im Pluto-Charon-System gibt uns daher Einblicke darin, wie sich Planeten in einem Doppelsternsystem verhalten könnten“, sagt Hamilton. „Wir lernen daraus, dass ein solches Chaos bei Doppelsystemen häufig vorkommen könnte.“ Hinzu kommt, dass die Monde eher elliptisch als rund sind, was ihre Rotation zusätzlich beeinflusst.
Resonanz hält Monde auf ihrer Bahn
So chaotisch die Rotation der kleinen Monde ist, so überraschend geordnet scheinen ihre Umlaufbahnen. Ihre Umlaufzeiten entsprechen dem fast Verhältnis der ganzen Zahlen 3:4:5:6, was auf eine starke gegenseitige Beeinflussung hindeutet. „Die resonante Beziehung von Nix, Styx und Hydra macht ihre Orbits regelmäßiger und verhindert, dass sie ineinander krachen“, sagt Hamilton. „Dies ist ein Grund, warum der kleine Pluto überhaupt so viele Monde besitzen kann.“
Die Resonanz liefert aber auch Hinweise auf die Vergangenheit dieses seltsamen Systems, wie die Forscher erklären. Denn man geht davon aus, dass der Ur-Pluto einst mit dem Ur-Charon kollidierte. Nach diesem Zusammenstoß kreiste Charon möglicherweise zuerst in einer stark exzentrischen Umlaufbahn, die das umgebende Material in eine Resonanz brachte. Als sich dann der Orbit des Charon normalisierte, behielten die kleinen Monde, die aus dem Trümmern entstanden waren, diese Resonanzen mit kleinen, jetzt gemessenen Abweichungen bei.
Hell wie Eis und dunkel wie Kohle
Die neuen Beobachtungen enthüllen aber auch, dass es einen Außenseiter unter den kleinen Monden gibt: Kerberos. Er unterscheidet sich in mehreren Eigenschaften deutlich von seinen Mittrabanten. Zum einen ist sein Orbit weniger geordnet als der der anderen Monde. Zum anderen aber sieht er völlig anders aus: Während Nix, Styx und Hydra das Licht der fernen Sonne ähnlich hell reflektieren wie Pluto und Charon, hüllt sich Kerberos in Dunkelheit.
„Er reflektiert nur rund fünf Prozent des auftreffenden Lichts, das deutet darauf hin, dass seine Oberfläche sehr dunkel ist“, berichten die Forscher. Doch wenn alle kleinen Monde gemeinsam im Trümmerfeld entstanden sind, müssten sie auch relativ gleich zusammengesetzt sein. „Das ist ein sehr provokatives Ergebnis“, sagt Showalter. Umso gespannter sind die Planetenforscher nun, ob die Raumsonde New Horizonts dieses im Juli bestätigen wird – oder ob sie ganz neue Überraschungen zutage fördert. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14469)
(NAture/ University of Maryland, 05.06.2015 – NPO)