Astronomie

Brauchen wir eine neue Planeten-Definition?

Astronomen schlagen Reform der umstrittenen IAU-Kriterien vor

Planeten
Welche Kriterien machen einen Himmelskörper zu einem Planeten?© da-kuk/ iStock

Was macht einen Planeten aus? Diese Frage wird spätestens seit 2006 heiß diskutiert, als die Internationale Astronomische Union (IAU) Pluto zum bloßen Zwergplaneten degradierte. Jetzt schlagen Astronomen eine Reform der offiziellen Planetendefinition vor – auch, weil einige der bisherigen Kriterien bei Exoplaneten nicht beobachtbar sind. Der neue Vorschlag soll im August 2024 bei der IAU-Versammlung vorgestellt werden. Allerdings: Pluto wird wohl auch beim neuen Vorschlag ein Zwergplanet bleiben.

Im Jahr 2006 verlor unser Sonnensystem seinen neunten Planeten – zumindest auf dem Papier. Denn die Internationale Astronomische Union (IAU) beschloss eine neue Planetendefinition und entzog Pluto daraufhin seinen Planetenstatus. Zwar erfüllt der ferne Zwergplanet die beiden ersten Kriterien: Er umkreist die Sonne und ist durch seine eigene Schwerkraft abgerundet. Als drittes Kriterium muss ein Himmelskörper seinen Orbit jedoch von anderen Objekten freigefegt haben. Bei transneptunischen Objekten wie Pluto ist dies jedoch nicht der Fall.

Pluto
2006 wurde Pluto vom Planeten zum Zwergplaneten heruntergestuft. Die Präsenz anderer transneptunischer Objekte in seiner Bahn wurde ihm zum Verhängnis. © NASA/JHUAPL/SwRI, Alex Parker

Seither reißen die Diskussionen über die „Degradierung“ des Pluto und die IAU-Planetendefinition nicht ab. Einige Planetenforscher kritisieren beispielsweise, dass selbst die Erde es an der Position des Pluto nicht geschafft hätte, ihren Orbit von anderen Objekten freizuhalten – die Umlaufzeiten sind dort einfach zu lang und die Entfernungen zu groß. Zudem sei die Untergrenze nicht klar definiert: Auch Erde, Jupiter und andere Planeten haben Objekte in ihrer Bahn – die sogenannten Trojaner.

Nicht für Exoplaneten geeignet

Hinzu kommt: Die Planetendefinition von 2006 gilt nicht für Exoplaneten. Denn in ihr ist spezifisch von einer Bahn um die Sonne die Rede. Deshalb schob die IAU 2018 eine ergänzende Arbeitsdefinition für Exoplaneten hinterher. Nach dieser muss ein Exoplanet einen Stern, Braunen Zwerg oder Sternenrest umkreisen, weniger als 13 Jupitermassen schwer sein und mit seinem Zentralkörper in einem bestimmten Massenverhältnis stehen. Zusätzlich gelten die Kriterien 2 und 3 – Abrundung und freigefegter Orbit.

Doch diese Ergänzung sei in der Praxis kaum brauchbar, kritisieren unter anderem Jean-Luc Margot von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen. Ein Kritikpunkt: „Die Form eines Objekts in neu entdeckten Planetensystemen lässt sich mit heutigen Technologien nicht bestimmen – und auch in der absehbaren Zukunft nicht“, so die Astronomen. Ob ein Exoplanet das zweite Kriterium erfüllt, ist demnach gar nicht feststellbar. Ähnliches gelte für das Kriterium des freigefegten Orbits.

Ein weiterer Kritikpunkt: Das Massenverhältnis zum Zentralobjekt schließt bestimmte Exoplaneten aus, obwohl sie eindeutig Planeten sind. „Dies würde beispielsweise Planeten mit mehr als vier Jupitermassen ausschließen, die einen Roten Zwergstern des Typs M9V umkreisen“, erklären Margot und sein Team. Zu diesem Typ gehören kühle Zwergsternen mit bis zu 0,79 Sonnenmassen.

Algorithmus als Klassifizierungshelfer

Um diese Probleme zu beheben, haben Margot und seine Kollegen nun eine neue Planetendefinition erarbeitet. Diese wollen sie bei der nächsten Sitzung der IAU im August 2024 vorschlagen. Der Vorschlag basiert in erster Linie auf Merkmalen, die auch bei fernen Himmelskörpern beobachtbar und messbar sind – darunter vor allem die Umlaufbahn und die Masse oder Größe. Diese Faktoren sind meist die ersten, die von einem Exoplaneten-Kandidaten mittels Transit- oder Radialgeschwindigkeitsmethode ermittelt werden.

Um herauszufinden, ob und wie man auf Basis dieser beiden Grundmerkmale einen Planeten von anderen Himmelskörper unterscheiden kann, nutzten die Astronomen einen Algorithmus, der darauf spezialisiert ist, Gruppierungen in Daten zu erkennen. Diesen „K-means“-Algorithmus fütterten sie mit den Massen von 18 Objekten im Sonnensystem, darunter den Planeten, dem Kleinplaneten Ceres sowie neun Transneptunischen Objekten einschließlich Pluto.

Clusterbildung
Der k-means-Algorithmus trennt Planeten und Nichtplaneten des Sonnensystems anhand ihrer Masse – ohne dass er Vorinformationen oder Vorgaben dazu hat.© Margot et al./ arxiv, /CC-by-nc-sa 4.0

Massegrenzen als Hauptkriterium

Das Ergebnis: Der Algorithmus teilte die 18 Himmelskörper so auf, dass alle Nichtplaneten eine Gruppe, die etablierten acht Planeten die andere Gruppe bildeten. Auf Basis dieser Berechnung und einigen weiteren ermittelten die Astronomen eine mögliche Massenuntergrenze für einen Planeten.
Demnach muss ein Planet mindestens eine Masse von 1023 Kilogramm aufweisen – dies liegt knapp unterhalb der Masse des Merkur, des kleinsten Planeten im Sonnensystem.

Das andere Extrem ist Massenobergrenze eines Planeten. Sie ist schon jetzt definiert als die Masse, ab der im Inneren des Himmelskörpers eine Deuterium-Fusion einsetzt – und damit ein typisches Kennzeichen eines Braunen Zwergs. Gängiger Definition nach liegt diese Obergrenze bei 13 Jupitermassen und damit bei 2,5 x 1028 Kilogramm.

Drei grundlegende Kriterien

In seiner einfachsten Form umfasst der neue Vorschlag für eine Planetendefinition daher nur diese drei Kriterien: Das Objekt muss einen Stern, Braunen Zwerg oder Sternenrest umkreisen. Es darf nicht leichter als 1023 Kilogramm, aber auch nicht schwerer als 2,5 x 1028 Kilogramm sein. Ein ausgeschleuderter, nicht mehr um einen Mutterstern kreisender Exoplanet müsste demnach nur die beiden Massengrenzen einhalten.

Die vereinfachte Planetendefinition enthält auch keine Vorgabe zu Kugelform mehr – denn oberhalb der geforderten Massenuntergrenze sind Himmelskörper ohnehin rund, wie die Astronomen erklären. Ihren Berechnungen nach liegt die Untergrenze für dieses hydrostatische Äquilibrium bei rund 1021 Kilogramm.

…und eine erweiterte Version

Doch was ist mit dem Freifegen des Orbits? Immerhin war dies das Kriterium, das Pluto seinen Planetenstatus kostete. „Die taxonomische Unterscheidung in Bezug auf die dynamische Dominanz ist nützlich und wünschenswert, weil sie Planeten als Objekte identifiziert, die den größten Teil der Masse in ihrem Einzugsgebiet akkretiert oder weggeschleudert haben“, konstatieren Margot und sein Team.

Theoretisch lässt sich diese Fähigkeit aus der Masse des Himmelskörpers im Verhältnis zur Orbitgröße und zur Masse des Zentralsterns schließen. Margot und sein Team haben daher eine Erweiterung entwickelt, die dieses Verhältnis als zusätzliches Kriterium mit einbezieht. Allerdings ist es ab einer gewissen Masse ohnehin wahrscheinlich, dass ein Himmelskörper seinen Orbit dominiert. Und Extremfälle, wie kleine Planeten in weit außen liegenden Orbits, wurden bisher noch nicht entdeckt.

„Startpunkt für eine Diskussion“

Als Konsequenz dieser Überlegungen schlagen Margot und sein Team nun bei der IAU zwei Varianten ihrer Planetendefinition vor. Zum einen die einfache, die nur die Massengrenzen und das Umkreisen eines sternenähnlichen Objekts umfasst. Zum anderen eine erweiterte Definition, die zusätzlich die für das Freifegen nötigen Verhältnisse und die Massengrenze für die Kugelform beinhaltet.

„Diese Vorschläge sind dazu gedacht, als Startpunkt für eine Diskussion in der Astronomiegemeinschaft zu dienen“, betonen die Forscher. „Wir wünschen uns daher ausdrücklich Feedback zu allen Aspekten der beiden Vorschläge.“ Man darf gespannt sein, zu welchem Ergebnis die Diskussionen bei der Vollversammlung der IAU im August 2024 kommen werden. (The Planetary Science Journal, in press; doi: 10.3847/PSJ/ad55f3)

Quelle: University of California – Los Angeles

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