So dicht wie nie zuvor wird sich heute die NASA-Raumsonde Cassini dem größten Saturnmond Titan annähern. Das Raumschiff wird mit einer Geschwindigkeit von über sechs Kilometer pro Sekunde in nur 1.200 Kilometer Höhe über die dichte Wolkenhülle des Titan hinweg fliegen, um zahlreiche wissenschaftliche Experimente durchzuführen.
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Von besonderem Interesse sind dabei die Aufnahmen, die das Spektrometer für das sichtbare Licht und das nahe Infrarot (VIMS – Visusal and Infrared Mapping Spectrometer) gewinnen wird: Das Instrument ist in der Lage, durch die für das menschliche Auge undurchdringliche Atmosphäre des Titan hindurch zu sehen und einen Blick auf die rätselhafte Oberfläche des planetenartigen Mondes zu werfen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist direkt an der Datenauswertung des Spektrometers beteiligt. „Mit einer Auflösung von 20 bis 30 Kilometer pro Bildpunkt kann das abbildende Spektrometer ganz bestimmte chemische Elemente und Moleküle identifizieren. Ich denke, wir werden dem Titan nun so manches Geheimnis entlocken“, sagt Dr. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. „Wir befinden uns vor einer der aufregendsten Phasen der Cassini-Mission!“
Komplex wie ein eigener Planet
Der Saturnmond Titan ist eine ausgesprochen komplexe eigene Welt im Saturnsystem – viele Eigenschaften lassen ihn fast wie einen kleinen Planeten des inneren Sonnensystems erscheinen. Mit einem Durchmesser von 5.150 Kilometer ist er größer als der Planet Merkur und nach dem Jupitermond Ganymed der zweitgrößte Trabant im Sonnensystem. Titan umkreist den Saturn in einer Entfernung von über einer Million Kilometer und ist umgeben von dichten Wolken aus Stickstoff und Kohlenwasserstoffen – wie Methan und Ethan – sowie Spuren von Wasser und Ammoniak.
Da in Saturnnähe, in einer Entfernung von 1,4 Milliarden Kilometer zur Sonne, die Temperaturen extrem niedrig sind, verlaufen chemische Reaktionen und die Eigenbewegung der leichtflüchtigen, gasförmigen Moleküle sehr viel langsamer, so dass Titan seine Gashülle nicht gleich verliert, wie dies beispielsweise am Merkur der Fall wäre. An seiner Oberfläche herrschen Temperaturen von minus 180 Grad Celsius, in der Stratosphäre des Titan (in über 60 Kilometer Höhe) ist es 20 bis 40 Grad wärmer.
Feste oder flüssige Titan-Oberfläche?
Doch wie die Oberfläche des Titan beschaffen ist, gilt als eine der spannendsten Fragen in der Planetenforschung: Seit den kurzen Vorbeiflügen der beiden amerikanischen Voyager-Sonden 1980 und 1981 an Saturn und seinem größten Mond ist nicht einmal klar, ob sich unter der dichten Atmosphäre und einer darüber liegenden Dunstglocke aus Methan von insgesamt etwa 200 Kilometer Mächtigkeit eine solide Oberfläche befindet oder ob auf Titan flache Meere aus Ethan und Methan anzutreffen sind.
Nach seiner Ankunft im Saturnsystem am 1. Juli 2004 flog Cassini bereits tags darauf in einer Distanz von 338.000 Kilometer an Titan vorbei und übertrug erste wichtige Messungen zur Erde. Dr. Jaumann, Mitglied des Spektrometerteams von Cassini: „Die Auflösung der Spektrometerdaten war mit 150 Kilometer pro Messpunkt zwar zu gering, um Details auf der Oberfläche zu identifizieren, jedoch groß genug, um ausgedehnte Strukturen zu erkennen.“
Bei einer kreisrunden Struktur in der Nähe des Äquators (330 Grad West, 11 Grad Süd) mit etwa 1.500 Kilometer Durchmesser handelt es sich vermutlich um einen Einschlagskrater, der durch eine gewaltige Kollision von Titan mit einem anderen Objekt erzeugt wurde. Von den beteiligten Forschern erhielt die Struktur bereits den Namen „Xanadu“. Weiter sind einige breite und mehrere hundert Kilometer lange Strukturen und größere zusammenhängende Areale zu erkennen. Die Reflektion der Oberfläche bei einer Infrarotwellenlänge von 2,0 Mikrometer (tausendstel Millimeter) zeigt, dass es sich bei den dunkleren Gebieten um eisreiche Regionen handelt, während die helleren Stellen weniger Eis und somit noch andere Materialien (Kohlenwasserstoffe, vielleicht sogar gesteinsbildende Silikate) enthalten. In der Südpolregion liegt eine helle Wolke aus Methan über der Oberfläche. Diese Wolke veränderte mit der Zeit ihre Form und bewegte sich mit etwa 170 Kilometer pro Stunde – und löste sich nach mehreren Stunden auf.
Titan als Modell der Ursuppe
Schon die Beobachtungen der amerikanischen Voyager-Sonden aus den frühen 1980er-Jahren stellten die Wissenschaftler vor ein Rätsel – gestatteten aber auch hochinteressante Überlegungen. Denn die auf Titan anzutreffenden chemischen Bestandteile und die theoretische Möglichkeit, dass sich unter der Titanoberfläche wärmere Flüssigkeitsschichten befinden, machen diesen Körper zu einem außergewöhnlichen Laboratrium: In weiter Ferne von der Erde können Prozesse studiert werden, wie sie in den ersten paar hundert Millionen Jahren auch im inneren Sonnensystem abgelaufen sein dürften – bis hin zur Entstehung von Leben, das sich in einer solchen oder ähnlichen „Ursuppe“ gebildet haben könnte. Diesen fundamentalen Fragen nachzugehen, ist Hauptaufgabe der europäischen Landesonde Huygens, die am 25. Dezember von Cassini abgetrennt wird und am 14. Januar 2005 durch die Wolken des Titan fliegen und auf der Oberfläche des Mondes landen wird.
(DLR, 26.10.2004 – NPO)