Überraschung auf Ceres: Das organische Material auf dem Zwergplaneten Ceres stammt offenbar doch nicht aus seinem Inneren oder den Kryovulkanen, wie neue Analysen enthüllen. Stattdessen muss der größte Himmelskörper im Asteroidengürtel diese Kohlenwasserstoffe „importiert“ haben: Sie gelangten wahrscheinlich erst durch Kollisionen mit kleineren Asteroiden auf die Oberfläche des Ceres. Das könnte auch ein neues Licht auf das Innere des Zwergplaneten werfen.
Der rund 960 Kilometer große Zwergplanet Ceres kreist am äußeren Rand des Asteroidengürtels – und ist in vieler Hinsicht ein Sonderling. Denn er ist viel größer und planetenähnlicher als die anderen Asteroiden und auch seine Zusammensetzung überrascht: Ceres‘ Inneres enthält ungewöhnlich viel Wassereis und Salze, obwohl Asteroiden eigentlich eher trocken und wasserarm sind. Sogar Eisvulkane gibt es auf Ceres und Stellen, an denen salzige Sole aus seinem Inneren an die Oberfläche tritt.
Woher kommen Ceres‘ organische Flecken?
Und noch etwas gibt es auf Ceres: Als die NASA-Raumsonde Dawn den Zwergplaneten im Jahr 2015 erreichte und näher erkundete, wiesen ihre Spektrometer einige auffallende Infrarotsignaturen nach: In drei größeren Kratern – Ernutet, Inamahari und Urvara – zeigten sich Stellen mit organischem Material in Form aliphatischer – kettenförmiger – Kohlenwasserstoffe. Doch wo kommt dieses über rund 1.000 Quadratkilometer verstreute organische Material her?
„Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass Ceres‘ einzigartiger Kryovulkanismus das organische Material aus seinem Innern an die Oberfläche transportiert hat“, sagt Koautor Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen. Um dies zu überprüfen, haben Nathues, Erstautor Ranjan Sarkar vom MPS und ihr Team nun die Daten und Kameraaufnahmen der Dawnsonde erneut analysiert. Dabei setzen sie auch eine künstliche Intelligenz ein, um mögliche weitere Vorkommen organischen Materials auf Ceres aufzuspüren.
Weitab von Kryovulkanen und Schloten
Die Neuanalysen ergaben: Das organische Material auf Ceres ist eher die Ausnahme als die Regel. „Fundstellen organischer Moleküle sind auf Ceres eine Seltenheit“, sagt Sarkar. Die Vorkommen beschränken sich weitgehend auf die schon bekannten organischen „Flecken“ im rund 60 Kilometer großen Ernutet-Krater und in seiner Umgebung sowie in den beiden anderen Kratern Inamahari und Urvara. Andere vermeintlich organische Signaturen erwiesen sich bei näherer Analyse als spektrale Signale von anorganischen Carbonaten, so das Team.
Die Kameraaufnahmen und Daten zeigten jedoch auch, in welcher geologischen Umgebung diese organischen Ablagerungen liegen – und was dort auffällig fehlt: „An keiner der Ablagerungsstellen finden wir Hinweise auf aktuelle oder frühere vulkanische oder tektonische Aktivität: keine Gräben, Schluchten, Vulkankuppen oder Schlote. Zudem gibt es in der Umgebung keine tiefen Einschlagskrater“, berichtet Koautor Martin Hoffmann vom MPS. An den Kryovulkanen des Ceres wiederum fehlte jede Spur von organischem Material.
Aus dem All statt aus dem Inneren?
Nach Ansicht der Forschenden ist es daher sehr unwahrscheinlich, dass das organische Material von Ceres selbst stammt. „Auch wenn ein endogener Ursprung des Materials angesichts der kohlenstoffreichen Zusammensetzung des Ceres und seiner langen Geschichte geologischer und geochemischer Veränderungen plausibel wäre, gibt es zu viele Inkonsistenzen“, erklären sie. Weder die Fundorte der Ablagerungen noch ihre Position innerhalb der Krater passen zu einem Ursprung im Untergrund des Zwergplaneten.
Stattdessen muss Ceres diese Kohlenwasserstoffe „importiert“ haben, wie das Team erklärt. Wahrscheinlichster Lieferant für das organische Material wären demnach Asteroiden aus dem äußeren Teil des Hauptasteroidengürtels. Diese Brocken besitzen häufig eine Kruste aus kohlenstoffreichem Material. Bei einer vergleichsweise langsamen Kollision mit dem Zwergplaneten könnte dieses Material weitgehend intakt auf die Oberfläche von Ceres gelangt sein.
Das würde auch erklären, warum sich die Fundstellen rund um den Krater Ernutet konzentrieren. „Die kleineren Flecken im Urvara-, Inamahari- und Vinotonus-Krater könnten verstreute Fragmente desselben Projektils gewesen sein, das die Ernutet-Ablagerungen verursachte“, schreiben Sarkar und seine Kollegen. Sie hoffen, dass künftige Untersuchungen Näheres über den Ursprung von Ceres organischen Flecken, aber auch sein Inneres zutage fördern. (AGU Advances, 2025; doi: 10.1029/2024AV001362)
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung