Die von der chinesischen Mondsonde Chang’e-5 zur Erde zurückgebrachten Mondproben sind deutlich vielfältiger als zunächst angenommen. Denn sie enthalten neben dem Marebasalt von der Landestelle im nördlichen Oceanus Procellarum auch Beimischungen von Mondgestein, das aus bis zu tausend Kilometer Entfernung stammt. Darunter ist Gesteinsglas aus Vulkanschloten, Staub aus dem Hochland, aber auch Auswurf von Einschlagskratern.
Obwohl der Mond unser nächster Nachbar im All ist, sind auch zu seiner Geologie und Entwicklung einige Fragen offen. Die wichtigste Quelle für Antworten ist neben den Daten von Mondsonden bis heute das Mondgestein, das einst die Astronauten der Apollo-Mondmissionen zur Erde zurückbrachten. Doch die Astronauten konnte nur winzige Ausschnitte der Mondoberfläche beproben – und seit Ende der bemannten Monderkundung vor fast 50 Jahren gab es keine neuen Proben mehr.
Das hat sich nun geändert: Die chinesische Mondsonde Chang’e-5 hat bei ihrer Landung am Nordrand des Ozeans der Stürme (Oceanus Procellarum) 1.713 Gramm Mondregolith eingesammelt und zur Erde zurückgebracht. Sie stammen aus einer Region mit besonders jungem vulkanischen Gestein, die zuvor noch nie beprobt worden war. Im Dezember 2020 landete die Probenkapsel auf der Erde und wird seither untersucht.
Glaströpfchen aus lunarem Spaltenvulkanismus
Die ersten Information dazu, welche Gesteine in der Probe enthalten sind und woher sie stammen, haben nun Yugi Qian von der Universität für Geowissenschaften in Wuhan und seine Kollegen auf dem Europlanet-Kongress vorgestellt. Demnach sind gut 90 Prozent der Gesteine in den Proben wie erwartet lokalen Ursprungs und bestehen aus 1,6 bis 1,7 Milliarden Jahre altem Marebasalt. Dieses dunkle Gestein entstand, als Vulkanismus die lunaren Mare mit Lava füllte.
Von diesem vulkanische Ursprung zeugen unter anderem winzige Kügelchen aus verglastem Gestein, die durch schnelles Erkalten von geschmolzenen Gesteinströpfchen entstanden sein müssen. Den chemischen Analysen zufolge stammen diese Glaströpfchen aus zwei 160 und 230 Kilometer entfernten, heute erloschenen vulkanischen Spalten. Diese nordöstlich der Landestelle gelegenen Schlote, Rima Sharp und Rima Mairan, könnten einst große Mengen an Lava gespien haben. Wann genau, könnten nun nähere Analysen klären.
Exotische Beimischungen
Das Überraschende jedoch: Die restlichen zehn Prozent der Mondgesteinsproben sind eine bunte Mischung aus Mineralen, die teilweise aus bis zu 1.300 Kilometer Entfernung stammen. Der Mondregolith ist den Analysen zufolge bis in eine Tiefe von 74 Zentimetern durchmischt und nicht rein lokalen Ursprungs, wie Qian und seine Kollegen berichten. Ein Teil dieser Beimischungen besteht aus Staub und winzigen Gesteinsbröckchen aus dem benachbarten Hochland. Sie könnten durch Meteoriteneinschläge aufgewirbelt und bis in den Oceanus Procellarus geschleudert worden sein.
Ebenfalls in den Proben fanden sich Gesteinsbröckchen, die aus dem Auswurf von mehreren Einschlagskratern in der weiteren Umgebung der Probenstelle stammen. Den größten Anteil haben dabei mit rund sechs Prozent Impakt-Trümmer aus dem hunderte Kilometer nordwestlich gelegenen Harpalus-Mondkrater. Dieser knapp 40 Kilometer große Krater gilt wegen seiner noch klaren, wenig erodierten Formen als noch relativ jung. Die Proben könnte nun dazu beitragen, sein genaues Alter zu bestimmen, wie Qian und seine Kollegen erklären.
Impakt-Trümmer aus kopernikanischen Kratern
Rund zwei Prozent des Probengesteins stammen vom südlich der Landestelle gelegenen Krater Copernicus. Er ist mit 93 Kilometer Durchmesser und einer Tiefe von 38 Kilometern einer der tiefsten Einschlagskrater des Mondes und könnte bei einem der letzten großen Einschläge auf dem Erdtrabanten entstanden sein. Nach diesem Krater ist das jüngste geologische Zeitalter des Mondes – das vor 1,1 Milliarden Jahren begonnene kopernikanische Zeitalter – benannt.
Aus dieser Zeit stammt auch Aristarchus, der dritte Einschlagskrater, der Impakt-Trümmer in den Proben hinterlassen hat. Von ihm stammt rund ein Prozent des eingesammelten Regoliths. Aristarchus ist zwar nur rund 40 Kilometer groß, aber auffallend hell gefärbt, so dass er bei Vollmond sogar mit bloßem Auge im Nordwesten der uns zugewandten Mondseite sichtbar ist.
Neue Antworten auf alte Fragen
Zusammen bietet die bunte Mischung dieser aus bis zu 1.300 Kilometer Entfernung stammenden Regolith-Anteile Forschern nun gute Chance, mehr über einige Aspekte der lunaren Geologie und Geschichte zu erfahren. „All diese lokalen und exotischen Materialien in den Proben von Chang’e-5 könnten eine Reihe von wissenschaftlichen Fragen beantworten helfen“, sagt Qian. „Dadurch werden wir unser Wissen über die Geschichte des Mondes erweitern und die weitere Erkundung des Erdtrabanten vorbereiten können.“
Quelle: Europlanet Science Congress 2021