Rasende Rotation: Das nahe Schwarze Loch Cygnus X-1 rotiert schneller als jedes bisher bekannte stellare Schwarze Loch – es bewegt sich nahe am maximal Möglichen, wie Astronomen herausgefunden haben. Zudem ist Cygnus X-1 mit rund 21 Sonnenmassen massereicher als man es bei Schwarzen Löchern in solchen Systemen für möglich hielt. Das könnte auf einen ungewöhnlich schwachen Sternenwind beim Vorgängerstern hindeuten, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Eigentlich ist Cygnus X-1 ein alter Bekannter. Denn dieses nahe Doppelsystem aus einem massereichen Stern und einem Schwarzen Loch wurde schon 1964 entdeckt. Damals detektierte man die intensive Röntgenstrahlung des Systems. Deren Merkmale ließen darauf schließen, dass einer der Partner ein extrem kompaktes Objekt sein musste – ob Neutronenstern oder Schwarzes Loch blieb aber zunächst unklar.
Noch 1974 wettete der britische Physiker Stephen Hawking mit seinem US-Kollegen Kip Thorne, dass es dort kein Schwarzes Loch gibt – er hatte Unrecht. Inzwischen gilt Cygnus X-1 als erstes jemals entdecktes stellares Schwarzes Loch.
Im Visier der Radioteleskope
Doch wie sich jetzt zeigt, hat Cygnus X-1 noch einige Überraschungen zu bieten. Entdeckt haben dies Astronomen um James Miller-Jones vom International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR) in Australien, als sie Cygnus X-1 mit den zehn Radioteleskopen des Very Long Baseline Array beobachteten. Ziel war es dabei, die genaue Entfernung und den Orbit des Schwarzen Lochs und seines Partners genauer zu ermitteln, denn bisherige Daten dazu waren widersprüchlich.
Dafür nutzten die Astronomen die Methode der Parallaxenverschiebung: „Wenn wir ein Objekt von verschiedenen Orten aus beobachten, können wir seine Entfernung daran ablesen, wie stark sich dieses Objekt vor dem Hintergrund zu verschieben scheint“, erklärt Miller-Jones. Deshalb verfolgten sie die Position des Doppelsystems über sechs Tage und damit einen vollen Orbit des Schwarzen Lochs hinweg und verglichen die Daten mit früheren Beobachtungen aus dem Jahr 2011.
Schwerer als die Theorie erlaubt
Das Ergebnis: Cygnus X-1 ist etwas weiter entfernt als bisher angenommen. Es liegt rund 7.170 Lichtjahre von uns entfernt. Das aber bedeutet auch, dass der Stern und das Schwarze Loch schwerer sein müssen als gedacht. Denn ihre Masse ergibt sich aus der Helligkeit des Sterns und ihrer gegenseitigen Schwerkraftwirkung. Diese lässt sich an den Umlaufbahnen und an subtilen Taumelbewegungen in der Rotation des Sterns ablesen. Konkret ermittelten die Astronomen 40 Sonnenmassen für den Stern von Cygnus X-1 – einen blauen Überriesen.
Das Überraschende ist jedoch die Masse des Schwarzen Lochs: Dieses bringt rund 21 Sonnenmassen auf die Waage, wie die Forscher berichten. Damit aber ist es nicht nur deutlich schwerer als die bisherigen Schätzungen von 14,8 Sonnenmassen – es ist auch massereicher als man es für solche Objekte in Röntgen-Doppelsystemen für möglich hielt. „Das Schwarze Loch in Cygnus X-1 muss als ein Stern mit der rund 60-fachen Sonnenmasse begonnen haben“, erklärt Koautor Ilya Mandel von der Monash University.
Doch astrophysikalische Modellen zufolge verlieren massereiche Sterne in Doppelsystemen einen großen Teil ihres Materials schon vor dem Kollaps zum Schwarzen Loch. „Dieser Verlust kommt durch den starken Sternenwind zustande, der das Material von ihrer Oberfläche ins All hinaus weht“, erklärt Mandel. Um ein so massereiches Schwarzes Loch zu hinterlassen, muss der Vorgängerstern von Cygnus X-1 demnach weniger Material durch den Sternenwind verloren haben als es die Modelle vorsehen. Möglicherweise müssen sie nun angepasst werden.
Schnellste Rotation eines Schwarzen Lochs
Und noch eine Überraschung hat Cygnus X-1 parat: Das Schwarze Loch rotiert außergewöhnlich schnell. „Mithilfe der neuen Werte zur Masse und Entfernung konnte ich bestätigen, dass sich Cygnus X-1 unglaublich schnell dreht“, berichtet Koautor Xueshan Zhao von den Nationalen Astronomischen Observatorien in Peking. „Es rotiert sehr nahe an der Lichtgeschwindigkeit und damit schneller als jedes andere bisher bekannte Schwarze Loch.“
Noch ist nicht klar, warum das Schwarze Loch sich so schnell dreht. Die Forscher gehen aber davon aus, dass es seinen Schwung nicht durch das Ansaugen von Material seines Nachbarsterns bekommen haben kann. Denn dieser ist erst rund vier Millionen Jahre alt, so dass für diesen Mechanismus zu wenig Zeit vergangen ist. Wahrscheinlicher sei es daher, dass das Schwarze Loch seine schnelle Rotation vom Kern seines Ausgangssterns geerbt hat. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abb3363)
Quelle: International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR)