Schwankendes Alter: Die Altersbestimmung der Sonne und anderer Sterne ist schwieriger als gedacht. Denn das mittels Asteroseismologie ermittelte Sonnenalter schwankt mit dem Sonnenzyklus und weicht daher je nach Messzeitpunkt um rund 300 Millionen Jahre ab, wie Astronomen entdeckt haben. Bei anderen, aktiveren Sternen könnten die Abweichungen noch weit höher liegen – und anders als bei der Sonne gibt es für ihre Altersbestimmung oft keine alternative Methode.
Woher weiß man, wie alt ein Stern ist? Im Fall unserer Sonne müssen wir dafür nicht einmal astronomische Techniken bemühen: Ihr Alter wurde primär über die Datierung der ältesten Minerale im Sonnensystem bestimmt – sie finden sich beispielsweise in Meteorite oder in eingefangenem interplanetarem Staub. Denn diese Mineralkörnchen entstanden in derselben Urwolke und fast zeitgleich wie unser Heimatstern.
Stellare Vibrationen als Messhilfen
Schwieriger ist dies jedoch bei anderen Sternen: Zwar liefert ihre chemische Zusammensetzung und ihre Temperatur und Leuchtkraft erste Anhaltspunkte. Für eine genauere Datierung sind Astronomen jedoch auf die Asteroseismologie angewiesen. Dabei werden subtile, periodische Oszillationen im Licht des Sterns ausgewertet. „Man muss sich einen Stern als großen Gasball vorstellen, der in ständiger Bewegung ist. In seinem Inneren gibt es Strömungen und Wellen, die ihn vibrieren lassen“, erklärt Erstautor Jérôme Bétrisey von der Universität Genf.
Diese Schwingungen sind von der Masse und Struktur des Sterns, aber auch von seinem Alter abhängig. „Mit der Asteroseismologie können wir daher Schlüsselparameter von Einzelsternen mit einer Präzision bestimmten, die für andere Standardtechniken nicht erreichbar sind“, erklären Bétrisey und seine Kollegen. Mithilfe spezieller Modelle lassen sich die Sterneneigenschaften aus der Frequenz und Art der stellaren Vibrationen ermitteln. Diese Modelle berücksichtigen dabei auch einige Störeffekte, die die Sternenschwingungen beeinflussen.
Welche Rolle spielt der Sonnenzyklus?
Doch ein Faktor blieb bisher weitgehend unbeachtet: das stellare Magnetfeld. Von der Sonne wissen wir, dass sich ihr Magnetfeld im Verlauf des Sonnenzyklus verändert – es kommt zu Veränderungen der Magnet-Intensität, aber auch der Polung. Bisher wurde dies in asteroseismologischen Modellen aber nicht berücksichtigt – man hielt es für vernachlässigbar, wie Bétrisey und seine Kollegen erklären.
Ob das wirklich so ist, haben die Astronomen nun überprüft. Dafür werteten sie zwei gut 26 Jahre zurückreichende Zeitreihen asteroseismologischer Daten aus, die von zwei Sonnenobservatorien aufgezeichnet wurden – einem im All und einem auf der Erde. Die Datenreihen umfassten damit zwei komplette Sonnenzyklen. Mithilfe eines gängigen Modells ermittelten die Forschenden dann das helioseismische Sonnenalter an 95 jeweils drei Monate auseinander liegenden Zeitpunkten.
Altersabweichungen um bis zu 6,5 Prozent
Das überraschende Ergebnis: Die Datierung der Sonne schwankte stärker als erwartet. Je nach Zeitpunkt der Messungen wichen die ermittelte Sonnenalter um bis zu 6,5 Prozent voneinander ab. Die rund 4,6 Milliarden Jahre alte Sonne ist demnach je nach Messzeitpunkt mal 300 Millionen Jahre älter, mal jünger. „Angesichts der benötigten Präzision der Asteroseismologie ist das durchaus signifikant“, konstatieren Bétrisey und seine Kollegen.
Ursache dafür waren – wie vermutet – Änderungen des solaren Magnetfelds im Verlauf des Sonnenzyklus: Immer dann, wenn die Sonnenaktivität nahe am Maximum liegt, steigt die Intensität des solaren Magnetfelds und beeinflusst auch die stellaren Oszillationen. Als Folge schätzen die gängigen Modelle das Alter in diesen Zeiten höher ein. Nahe am solaren Minimum ergeben die asteroseismologischen Datierungen dagegen niedrige Werte.
Noch gravierender bei fremden Sternen
Die Altersbestimmung ferner Sterne könnte durch diesen Effekt deutlich verfälscht werden: „Diese Beobachtungen decken meist nur einen Teil des stellaren Aktivitätszyklus ab und die Zeitreihen könnten zu kurz sein, um den Magnetfeldeinfluss herauszumitteln“, erklären die Astronomen. Hinzu kommt, dass die Sonne ein relativ ruhiger, inaktiver Stern ist – die Aktivität anderer Sterne schwankt erheblich stärker. „Für diese Sterne könnte der Einfluss der magnetischen Aktivität daher noch sehr viel signifikanter ausfallen“, sagt Bétrisey.
Das bedeutet: Die Astronomie muss nun die gängigen asteroseismologischen Modelle soweit anpassen, dass sie den Einfluss der stellaren Magnetfelder mit einbeziehen. Gleichzeitig werden aber auch Methoden benötigt, durch die man die aktuelle Zyklusphase eines Sterns besser einschätzen kann, wie das Team erklärt. „Es ist dringend erforderlich, dass wir robuste stellare Parameter für die magnetische Aktivität erfassen“, schreiben die Astronomen.
Denn die Datierung von Sternen spielt nicht zuletzt auch für die Erforschung und Einstufung von Exoplaneten eine wichtige Rolle. (Astronomy & Astrophysics, 2024; doi: 10.1051/0004-6361/202451365)
Quelle: Universität Genf